Beiträge von Morse

    @Morse
    Das mit dem Angebot und Nachfrage finde ich etwas einseitig. Es vernachlässigt, wer wie viel Lobby hinter sich hat. Da hat die Gymnasialfraktion wohl die größte, die für sie arbeitet. Wenn ich mir anschaue, was mit Sonderpädagogen zum Teil angestellt wird, wie extrem ihr Arbeitsfeld und die Arbeitsbedingungen verändert werden, aber es scheint kaum jemanden zu kümmern. Sie haben einfach keinen schlagkräftigen Verband.

    Was macht einen Verband schlagkräftig?
    Arbeitskampfmaßnahmen wie Streik verknappen quasi das Angebot an Arbeitskräften.
    Wenn der Arbeitgeber kann, sucht er sich neue Arbeiter, die nicht streiken - wenn's die nicht gibt, muss er den Streikenden mehr bezahlen, damit sie wieder arbeiten.

    Was Du als Sonderpädagoge über den Sonderpädagogen-Beruf sagst, höre ich von Gymnasiallehrern über den Gymnasiallehrer-Beruf und von Erziehern über den Erzieher-Beruf. Wie objektiv oder subjektiv "anstrengend" ein Job ist, hat unmittelbar (!) nichts mit seiner Bezahlung zu tun, nur mittelbar bzgl. des Arbeitsmarktes.

    offenbar wird lohn nicht nur von angebot und nachfrage bestimmt, sonst würden z.b. pflegekräfte schon lange sehr viel mehr verdienen, oder kindergärtner, oder gs-lehrer... da mangelt es überall, die nachfrage ist also hoch, der lohn trotzdem niedrig.

    Für den einen ist es Mangel, für den anderen möglichst knapp und effizient kalkuliert.
    Um das Angebot an Arbeitskräften zu erhöhen gibt es auch noch andere Möglichkeiten, als den Lohn zu erhöhen. Im Falle der GS-Lehrer und Erzieher sind das vor allem Quereinsteiger (oder gar Sonderprogramme für fertig ausgebildete Gym-Lehrer, die sich 3 Jahre an einer GS verpflichten für eine feste Gym-Stelle, wie in B.-W.), in der Altenpflege ist es vor allem Arbeitsmigration. Durch derlei Maßnahmen wird das Angebot an Arbeitskräften erhöht mit entsprechenden Folgen.
    In Bereichen, wo wirklicher Mangel und nicht bloß die systematische "Unterbesetzung" herrscht, gibt es auch entsprechende Boni. Im Bereich der Lehrer sind das z.B. Zulagen für bestimmte Fächerkombinationen. Je drängender das Problem, je höher die Boni.

    Meinst du, es wirkt sich nicht positiv aus, wenn die Kinder mit gleichaltrigen zusammen in der Kita spielen?

    Jetzt mal im Ernst: Was sollen denn solche Vereinfachungen? Ich bin vollkommen bei Krabappel, wenn sie sagt, dass die Kinder mit den größten Defiziten nicht unbedingt aus Haushalten stammen, in denen die Mütter bzw. beide Elternteile arbeiten. Es kommt doch auch sehr darauf an, wie die Eltern Zeit mit ihren Kindern verbringen und weniger, wieviel Zeit sie theoretisch dafür haben.


    Hälst Du das wirklich für eine unangemessene "Vereinfachung", wenn man pauschal sagt, dass es Kindern gut tut, wenn ihre Eltern Zeit für sie haben?

    Ja, manche Eltern missbrauchen ihre Kinder und manche Eltern, die beide berufstätig sind, verbringen trotzdem mehr Zeit mit ihren Kindern als andere, die arbeitslos sind aber sich nicht kümmern. Ich halte solche Fälle für selten.

    Der Kontext war die Frage, ob es einen Trend gibt, dass Kinder immer weniger Zeit mit ihren Eltern verbringen.

    Interessante Überlegung... aber von welchem Vergleichszeitraum sprichst du? immer größer "seit den 50er Jahren in Westdeutschland"? Oder "seit der Zeit, als Frauen 11 Kinder bekamen, 4 wieder starben und der Rest im Bergbau arbeiten musste, bzw. abends nach 10 Stunden Heimarbeit auf die mit 4 Geschwistern geteilte Matratze fiel?" klar, Familienleben ist im Wandel. Ich würde aber nicht so weit gehen zu behaupten, dass da ein großer, böser, kapitalistischer Masterplan dahintersteckt. So klang das weiter oben zumindest für mich.


    Vergleichszeitraum: ca. die letzten 15 Jahre. Ob es da eine kontinuierliche Entwicklung seit den 50er Jahren gibt, würde mich sehr interessieren, aber ich habe jetzt einfach nur die Presse und Erfahrungen von Bekannten, z.B. Erzieherinnen, der letzten Jahre im Kopf. Eine Statistik zu dieser Fragestellung ist mir nicht bekannt.

    Wenn es so wäre, dass Eltern tatsächlich immer weniger Zeit mit ihren Kindern verbringen und diese immer mehr von Institutionen erzogen werden, wäre da sicher kein "großer böser Masterplan" dahinter, sondern einfach nur der "normale" Kapitalismus, in dem viele Eltern eben so viel arbeiten müssen, dass nur wenig Zeit für die Kindererziehung bleibt. In der Politik scheint mir das gar nicht als Problem wahrgenommen zu werden, sondern ganz im Gegenteil: es soll mehr Arbeitszeit von Eltern ermöglicht werden, über ausgeweitete Betreuungsmöglichkeiten usw. Erziehungsurlaub bzw. heute Elternzeit scheinen mir einerseits dazu im Gegensatz zu stehen, da hier Elternteile nicht arbeiten, sondern bei ihren Kindern sein könnne, andererseits soll diese Maßnahme ja die zukünftig andauernde Tätigkeit der berufstätigen Eltern ermöglichen, da ein Einkommen alleine meistens nicht genügt (Frauenarbeit einerseits als mögliche Emanzipation von der patriarchalischen Familie, andererseits als Zwang der Lohnarbeit).

    Neben den schon angesprochenen Beispielen gab's hier im Forum selbst doch auch schon Fälle, wo Kollegen darüber geklagt haben, dass Vieles, was früher im Elternhaus erlernt wurde, heute nicht mehr im Elternhaus erlernt werden, sondern das in der Schule erledigt werden soll bzw. muss (die Zeit fehlt dann beim eigentlichen Stoff). Eventuell besteht hier auch ein Zusammenhang mit Eltern, die schlicht keine Zeit für derlei Aufgaben mehr haben.

    Nungut, wenn man arbeiten will, müssen die eigenen Kinder woanders betreut werden. 12.00 Middach kochen ist dann nicht. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass Kinder alle von 6-18 Uhr in der Kita sind.

    Ja, das sind sie ja auch nicht ("alle"). Mir scheint es aber so zu sein, dass dies Trend der ist, dass Kinder immer weniger Zeit mit ihren Eltern verbringen, v.a. weil sie arbeiten müssen, und stattdessen in immer größerem Umfang von staatlichen Institutionen erzogen werden.

    Er hat Leihväter vergessen.

    Gibt's das?
    Ich vermute mal, dass Dein Beitrag ironisch gemeint ist bzw. Du die von mir genannten Methoden unrealistisch findest.
    Dass das z.T. recht neu und alles andere als sehr verbreitet ist, stimmt schon. Aber Leihmutterschaft ist beispielsweise eine Methode die an popularität gewinnt. In den USA ist das bereits ein Geschäft, man kann bei Unternehmen den Leihmutter-Service kaufen. Ob sich das weiterhin verbreiten wird, weiß ich nicht, aber als absolut unmöglich ausschließen würde ich das nicht.

    Die Wochenkrippen haben wir zwar bereits in der DDR erfolglos hinter uns gelassen. Aber vielleicht magst du ja mal dystopische Romane schreiben ;)

    Meinen dystopischen Roman gibt's schon und heißt Tageszeitungen! ;)

    Was ich genannt hatte ist - wenn - natürlich Zukunftsmusik. Aber momentan scheint mir der Trend schon in diese Richtung zu gehen. Auch die eher sci-fi anmutenden Methoden um das Kinderkriegen und -betreuen und Erziehung so zu organisieren, dass die Eltern und ihre Produktivität in der Arbeit möglichst wenig davon betroffen sind, gibt es ja tatsächlich. Bekannte und nicht gerade kleine Firmen wie z.B. Apple und Facebook übernehmen beispielsweise die Kosten für Social Freezing für Mitarbeiter.

    Ob das Zukunftsmusik bzw. Dystopie bleibt, wird sich zeigen. Gerade das von Dir gebrachte Beispiel mit den Wochenkrippen finde ich interessant - ob das mal ein Revival erlebt? Selbst hier im Forum lesen wir ja nicht nur von ganztagesbetreuten Schulkindern, sondern auch von Kindergartenkindern, die von morgens bis abends betreut werden.

    (Randnotiz: für manche ist das gar keine Dystopie, sondern Utopie)

    Diesen Irrglauben daran, dass ein Lohn unmittelbar (!) von einem "Anspruch" oder "Leistung" bestimmt wird, kann man den Leuten einfach nicht austreiben.
    Sie lieben es zu begründen, warum sie mehr verdienen als andere oder mehr verdienen sollten. Bei denen, die sich dabei selbst zu den Gewinnern zählen wollen, ist der Lohn selbst der Nachweis für den Anspruch oder die Leistung. Bei den anderen hat der Arbeitgeber übersehen, wie anspruchsvoll die Tätigkeit tatsächlich ist, wie viel tatsächlich geleistet wird. Das wird gerne aufgezählt und gefordert "unsere Arbeit ist mehr wert!" - als ob irgendein Arbeitnehmer deshalb seine Lohnkosten überprüfen und feststellen würde "Oh stimmt! Die leisten ja tatsächlich mehr, das ist ja wirklich anspruchsvoller als ich dachte!"
    Allein der Gedanke, dass die Höhe eines Lohns nicht von Angebot und Nachfrage bestimmt sind, sondern ausgerechnet von einer Moral - nach dem Motto "gerechter Lohn" - ist einfach absurd.

    Für einen Arbeitgeber besteht bei Einstellung einer Frau momentan immer noch das Risiko, dass diese Kinder bekommt und dadurch weniger profitabel wird (und sei es nur der Ausfall durch die Schwangerschaft).
    Durch Teilhabe der Väter an der Erziehung, social freezing, Leihmütter, attestierte Unfruchtbarkeit, Ganztages- und Nachtbetreuung auch von Kleinkindern, Ganztagesschulen, Internaten, etc. kann diesbezüglich jedoch zukünftig nahezu eine Gleichheit auf dem Arbeitsmarkt erreicht werden. Je mehr das Kinderkriegen, Betreuung und Erziehung Sache des Staats ist - von berufsmäßigen Leihmüttern, Erziehern und Lehrern - desto profitabler kann produziert werden. Was für die Arbeitsteilung per se gilt, gilt auch für die Reproduktion der Arbeitskraft selbst.
    Schon derzeit wird beispielsweise die Ganztagesschule oder kostenlose Betreuung von Kleinkindern auch damit legitimiert, dass z.B. vor allem Alleinerziehende so weniger Nachteile auf dem Arbeitsmarkt hätten.

    Richtig, das hat vielfältige Gründe. Warum haben sie das Nachsehen? Z.B. durch die Kinderbetreuung oder teilweise tatsächlich daran, dass Frauen ganz klassisch sexistisch gesehen von Vorgesetzten und männlichen Kollegen anders behandelt werden. Da nach wie vor Männer in Führungspositionen überrepräsentiert sind etc.pp., hat das also nichts mit "überzeugen" zu tun, sondern mit Gesetzgebung.


    Der (noch) vorhandene Sexismus einer (noch) führenden Männerriege ist meines Erachtens nur zu einem geringen Teil für den Pay Gap verantwortlich. Viele Arbeitgeber, gerade die Großen, fördern mittlerweile Frauen, so dass sich z.T. Männer in der Rolle der Diskriminierten fühlen (ob zu Recht oder Unrecht sei mal dahingestellt). Die Arbeitgeber fördern Frauen aber nicht aus moralischen Gründen, weil das fair sei oder vergangenes Unrecht ausgleichen soll, oder gar wegen Ihres Geschlechts per se - sondern weil sie damit mehr Profit erzielen.
    Unternehmen können es sich heutzutage schlichtweg nicht mehr leisten, rentable menschliche Resourcen aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe usw. nicht auszubeuten.

    Die Gleicheit der bürgerlichen Gesellschaft ist die Chancengleichheit in der Konkurrenz um Lohnarbeit.
    Sich dafür zu engagieren, dass die Konkurrenz der Arbeitnehmer untereinander und gegeneinander möglichst "gerecht" zugehen solle, das halte ich für verkehrt.

    Vermeintliche Ungleichbehandlung? Was auch immer das bedeuten soll, deine private Erkenntnis bringt den Erzieherinnen und Altenpflegerinnen recht wenig.

    Das bedeutet, dass Frauen nicht weniger verdienen weil sie Frauen sind - also wegen ihres Geschlechts per se - sondern wegen dem, was ihr Geschlecht in unserer Gesellschaft für sozial-ökonomische Folgen hat. Das sollte man nicht miteinander verwechseln.

    Diese Erkenntnis "bringt" insofern was, dass man sich nicht an irgendeiner sexistischen Moral abarbeitet oder Forderungen wie "Frauen verdienen mehr" aufstellt, sondern anfangen kann die kapitalistische Produktionsweise zu verstehen.

    Die so ungleichen Löhne haben ihren Ursprung in einer Gleichbehandlung aller Menschen. Der Gleichbehandlung aller als Arbeitskräfte, die ihre Ware auf dem Arbeitsmarkt verkaufen müssen. Da haben Frauen zumeist das Nachsehen. Den Gedanken, dass man einen Unternehmer doch überzeugen sollte einzusehen, dass Frauen doch genau so produktiv sein können wie Männer und das Ausnutzen der Situation vieler Frauen zu billigeren Löhnen doch ungerecht sei - den halte ich für einen naiven Fehler.

    @Morse
    Also bei uns wird immer mal wieder ausgeschult. (Ist am BK ab 18 aber auch sehr einfach.)

    In meinem Umfeld würde keine SL auf die Idee kommen einen Schüler auszuschulen ("wenn die Betriebe schicken, müssen wir die irgendwie beschulen, da können wir nichts machen") - und schon gleich gar nicht wegen Fehlzeiten (tut ja niemandem weh).

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