In Baden-Württemberg gibt es bereits länger das in Klasse 5+6 unterrichtete Fach Naturphänomene, ich habe es bereits unterrichtet und mache es auch im aktuellen Schuljahr. Weiter gibt es in Klasse 8-10 das Fach NwT (Naturwissenschaft und Technik), das ich ebenfalls unterrichte. Ich weiß also, wovon ich rede.
Bei NwT, das zusätzlich zu den anderen Naturwissenschaften unterrichtet wird, sehe ich sowohl das Problem als auch den Mehrwert.
Das Alleinstellungsmerkmal und dadurch auch die (zumindest für mich) Existenzberechtigung des Fachs ist hier nicht das "vernetzte", sondern die Projektorientierung, die in dieser Art in den anderen Fächern fehlt.
Der Vernetzungsaspekt kommt übrigens deutlich weniger zustande, als man sich das als Außenstehender vorstellen könnte. Da malt man sich im Kopf (und auf "Werbeplakaten") aus, dass beim Thema Fahrradhelm der biologische Aspekt des Schädelaufbaus unterricht werden kann, der chemische der verwendeten Stoffe und der physikalische hinsichtlich der einwirkenden Kräfte.
Tatsächlich ist man, wenn man ein Thema biologisch anspricht, eben nicht mal 10 Minuten, sondern die ganze Stunde biologisch "drin" und wenn man die Stunde biologisch gestaltet hat, kommen weitere biologische Anknüpfungspunkte.
Und man ist nun mal nicht für sämtliche Naturwissenschaften ausgebildet (was auch nicht anders möglich ist - das Humboldtsche Universalgenie kann es heute nicht mehr geben) und hat so seine Schwerpunkte.
Gerade weil jeder Lehrer das Fach so aufzieht, dass er sich möglichst oft im sicheren Fahrwasser seines studierten Fachs befindet (was auch durch die immer offeneren Bildungsstandards und zunehmend kompetenzorientierten Bildungspläne ermöglich wird), gibt es später keine gesicherte Basis, auf die man aufbauen kann.
Für die Primarleute, denen der Blick auf das Abitur eventuell fehlt: Es geht nicht (nur) darum, den Schülern mal eben etwas Interesse für Naturwissenschaften generell zu vermitteln und wissenschaftliche Herangehensweise, sondern auch und vor allem fachwissenschaftliche Grundlagen für die Oberstufe. Wenn die später fehlen, weil ein Kuddelmuddel aus allen Fächern gemacht wurde oder der eine Schüler einen NaWi/NwT/NPh/was-auch-immer-Lehrer mit Schwerpunkt Chemie, der andere einen mit Schwerpunkt Physik und der dritte einen mit Schwerpunkt Biologie hatte, dann muss ich gezwungenermaßen in der Oberstufe bei Null anfangen.
Um es klar zu sagen: Ich habe kein Problem damit, mich in neue Inhalte einzulesen und auch keine Berührungsängste mit fachfremden Inhalten - aber solche Querschnittsfächer darf es nur zusätzlich zum entsprechenden Fachunterricht geben - und nicht stattdessen.
In Niedersachsen wurden die Fächerverbünde GSW und WUK ("Welt-und-Umweltkunde") vor einigen Jahren wieder abgeschafft. Aus gutem Grund.
