Das einzige Ritual ist, dass ich die Stunde gemeinsam im Sitzkreis beginne und am Smartboard darstelle, was wir heute alles machen werden. Geplant war eigentlich, dass ich zum Schluss noch mal den Sitzkreis bilden lasse, um die Ergebnisse zu besprechen, allerdings ist dies nicht möglich, da nicht alle rechtzeitig/kaum mit den Aufgaben fertig werden.Ob es ein Tokensystem gibt, muss ich noch herausfinden.
Die sprachlichen (Schreib-)Probleme wirken sich in den Fächern der Klassenleitung kaum aus, sodass ich denke, dass es ihr kaum auffällt.
In der letzten Stunde habe ich versucht, die Schüler einzeln mit Namen anzusprechen und ihnen mitzuteilen, dass sie gerade zu laut sind. Einen Schüler habe ich 2 mal vor die Tür geschickt. Danach hat er sich darüber lustig gemacht und gefragt, ob er erneut und diesmal für 10 Minuten vor die Tür kann...
Ich habe 17 Schüler in der Klasse. Das klingt erstmal wenig, ist aber für mich bereits mehr als genug.
Vor allem bereitet mir aber das fachliche Sorge. So wie die Klasse gerade ist, kann Sie kaum was von mir lernen. Plenumsunterricht (Sitzkreis) ist auch so nicht möglich, da jeder einen anderen Kompetenzstand hat.
Zusätzlich zum von anderen Geschriebenen:
Übernimm Rituale und Regeln von der Klassenleiterin.
Den Sitzkreis könntest du anfangs weglassen, wenn es dabei schon unruhig wird. Meine Erfahrung: Setzen in den Sitzkreis oder Aufstehen und ein paar Schritte gehen im Unterricht wird als "Wir haben Pause und können machen, was wir wollen / uns nett unterhalten / zum Freund gehen" missverstanden und wenn das bei mehreren passiert, könnte hier "das Schiff Unterrichtsstunde" bereits "anfangen zu schlingern".
Wenn Kinder nicht fertig werden, kann man sie auch unterbrechen. Allerdings ist das momentan vermutlich dein geringstes Problem.
Tokensystem: Wenn der Klassenleiter eins hat, übernehmen. Wenn nicht, eigenes schaffen. Beispiel unserer Englischlehrer: Es gibt eine große "Ampel" aus laminiertem Tonpapier: Roter Kreis, gelber Kreis, grüner Kreis. (Gelb könnte man sogar weglassen und nur Rot und Grün haben.) Die 3 Kreise sind noch untereinander auf eine Pappe geklebt oder mit Schnur verbunden. Dazu eine Wäscheklammer mit dem Namen jedes Kindes. Anfangs sind alle auf dem grünen Kreis, bei Störungen geht es auf Gelb oder Rot. Bei gewünschtem Verhalten (z.B. "Ich bin leise im Unterricht.") geht es wieder in Richtung Grün. Wer am Ende auf Grün steht, bekommt neben dem persönlichen Lob einen Stempel auf sein Stempelblatt. Wer das Stempelblatt voll hat, greift in die "Überraschungskiste", in der sich begehrte Kleinigkeiten befinden: kleine Spielzeuge, Leuchtknete, Stifte, Lineale mit aktuellen Filmmotiven. Spätestens wenn der erste dort reingreifen darf, sind viele andere auch motiviert. Wichtig ist, die Hürde nicht zu hoch zu hängen, nicht zu viele Stempel sammeln zu müssen (vielleicht so, dass ein vorbildlicher Schüler in 2 Wochen das Blatt voll hat), gegen Ende der Stunde motivierend tätig sein, um möglichst viele Kinder auf "Grün" zu bekommen und damit klarzumachen, dass gewünschtes Verhalten zu Erfolg führt.
Vielleicht kannst du die Klassenleiterin dazu bringen, sich die Stempelkarten zeigen zu lassen und diejenigen zu loben, die viele Stempel haben. Die Ampel hat den Vorteil, dass du die Klammern wortlos verschieben kannst und deine Stimme schonst.
Alternativ wäre ein Token-System für die ganze Klasse möglich, das funktioniert aus meiner Erfahrung her aber nur dann gut, wenn ein "Gemeinschaftsgefühl" existiert.
Versuche den Schüler, der sich lustig gemacht hat (10 Minuten vor die Tür) in der kommenden Stunde in eine andere Klasse zu setzen. Gibt ihm Aufgaben mit, die anstrengend sind, aber nichts, wofür er Hilfe braucht, z.B. eine Abschreibübung. Völlig egal, ob es zum derzeitigen Unterrichtsstoff passt, darum geht es nicht. Es muss unangenehm sein. Ideal wäre eine ältere Klasse, da trauen sie sich meist nicht zu piepsen und eine strenge Kollegin. Das ganze machst du nicht "heimlich, damit der arme Schüler nicht bloßgestellt wird", sondern du erklärst den Kindern direkt am Anfang der Stunde ganz neutral und sachlich, warum der Mitschüler heute nicht dabei ist und dass er die Stunde mit einer anstrengenden Aufgabe in einer anderen Klasse verbringt. (Du musst das den Seminarleitern nicht erzählen, das ist keine wirklich moderne Pädagogik, aber ich finde, mit moderner Pädagogik kann man immernoch anfangen, wenn die Grundbedingungen stimmen.)
Ich habe früher immer gedacht, dass man sofort eine Konsequenz parat haben muss (Folge der Ausbildung) und bin dann an meinen Ansprüchen gescheitert oder habe aufbrausend / mit wechselnder Konsequenz reagiert. Von der letzten Erzieherin, mit der ich zusammenarbeiten durfte, habe ich gelernt: Neutral-sachlich eine Konsequenz ankündigen und sagen, dass man sich diese noch überlegen wird oder mit der Klassenleiterin besprechen wird. Die Konsequenz muss dann bald (z.B. am nächsten oder übernächsten Tag) folgen und vorher erinnere ich noch einmal an den Auslöser. Ich kann feststellen, dass das wirkt und mich entlastet, indem ich nicht immer sofort alles entscheiden und auf alles reagieren muss.
Schüler, die - mal abgesehen von der Aufsichtspflicht, das ist wirklich problematisch - vor die Tür gehen, müssen übrigens immer nachholen, was sie verpasst haben. Und wenn sie nur mündliche Arbeit verpasst haben, schreiben sie halt etwas aus den Schul- oder Klassenregeln ab. Im Anschluss an die Stunde müssen sie noch dableiben und es gibt ein Gespräch über das Verhalten. Es ist nicht wichtig, dass es lange dauert, 30 Sekunden können reichen, aber das Kind muss merken, dass sein Verhalten Konsequenzen hat. Sprich ruhig, sage auch etwas Positives: "Du bist klug und ich weiß, dass du richtig gut Englisch lernen kannst, dazu musst du aber aufpassen. Wie kannst du das in der nächsten Stunde schaffen?" Es ist außerdem wichtig, dass du diese Konsequenz ebenfalls vor der Klasse ankündigst: "XY muss nun noch mit mir ein Gespräch führen." XY ist hier nämlich einer, der versucht, die Führungsposition zu erlangen: Er will vor seinen Mitschülern gut dastehen und dich in die Pfanne hauen. Wenn du es schaffst, solche Kinder auf deine Seite zu bringen (eine Bindung / gute Beziehung aufzubauen), folgen die Mitläufer.
Bevor du über "alles hinwerfen" nachdenkst (was ich gut nachvollziehen kann), denke bitte immer erstmal Folgendes:
Die Schüler testen dich aus. Das machen sie bei jedem, egal ob Referendarin oder nicht.
Die Kinder waren erst 1 Jahr in der Schule, jetzt waren Ferien und am Anfang der 2. ist man manchmal erstaunt, was an Regeln alles "weg" ist. Selbst bei meiner 4. fange ich jetzt gerade mit Regeltraining an. Wichtig ist, dass die Regeln klar und positiv formuliert sind und dass es wenige sind. 2 bis 3 reichen für den Anfang (es sei denn, die Klasse hat Klassenregeln, die du übernehmen kannst). Falls es keine Klassenregeln gibt, würde ich mit dieser Klasse kein demokratisches Regelfinden veranstalten, solange sie sich so aufführen. Da würde ich die Regeln vorgeben. Bitte auch visualisieren, schöne Visualisierungen für Regeln gibt es beim Zaubereinmaleins, falls du etwas brauchst.
Die Klassenleiterin hat bei den Kleinen den Klassenleiterbonus und jeder Fachlehrer hat es deutlich schwerer.
Die Kinder können etwas von dir lernen: Nämlich als allererstes, dass es in der Schule mehr als nur ein "Alpha-Tier" (Klassenleiterin) gibt und sie auch auf andere Lehrer hören müssen.
Im Plenum arbeiten: Es klingt, als würdest du sehr individualisierten Unterricht machen. Ist die Klasse daran gewöhnt? Falls nicht, würde ich das nochmal überdenken, denn diese Form des Unterrichts stellt hohe Anforderungen an die Kinder (Konzentration, intrinsische Motivation, Ausdauer, Arbeitsgedächtnis, Selbstbestimmung, Entscheidungsfähigkeit, Rücksichtnahme, Teamfähigkeit, die Klasse muss eine halbwegs funktionsfähige Gemeinschaft sein). Wenn sie das nicht gelernt haben, sind sie mit sehr offenem Unterricht überfordert.
Dann können kurze Phasenwechsel mit regelmäßigen kurzen Sequenzen im Plenum anfangs besser geeignet sein. Im Plenum wird ein aktueller Unterrichtsinhalt besprochen und so viele Kinder wie möglich arbeiten an dem Thema. Wer es noch gar nicht kann, bekommt zur Not ein anderes Thema. (Auch z.B. beim Matherad, das ja sehr offen arbeitet, gibt es Plenumsrunden, bei denen sich alle zu einem Thema unterhalten, auch wenn sie noch nicht so weit sind.) Dieses Vorgehen eignet sich erst einmal nicht für Unterrichtsbesuche, aber um Fuß zu fassen in der Klasse und um die Kinder "abzuholen".
Für die Kinder mit ganz großen Problemen: Gibt es Förderunterricht? Oder Nachhilfe? (Bei uns bekommen Kinder aus geringverdienenden Familien kostenlosen Nachhilfeunterricht, wenn sie sehr schlechte Leistungen haben.)
Versuche, die Klassenleiterin mit "ins Boot" zu holen und die Kolleginnen in den angrenzenden Räumen (um mal einen dort hinbringen zu können, der dir die Stunde schmeißt).
So, das ist jetzt sehr viel, das ist auch nur meine Meinung / Erfahrung und jeder ist anders. Aber vielleicht kannst du etwas für dich Sinnvolles herausziehen.