Ja, da gibts leider kaum Grundschullehrer, das ist sehr schade.
Maya
Zur "Szenischen Interpretation":
Das ist ein Verfahren, welches aus dem theaterpädagogischen Bereich kommt und wurde von Ingo Scheller entwickelt. Das ist auch einer der Vertreter des erfahrungsbezogenen Unterrichts. Es wurde von der Musikpädagogik für die Sekundarfstufen übernommen. Inzwischen "schwappt" es langsam in die Grundschulen.
Es gibt ausgearbeitete Unterrichtsmaterialien für einige Opern, aber wie gesagt, eher für ältere Schüler.
In der Grundschule kann man sich meist einige Elemente herausgreifen.
Bei der szenischen Interpretation sollen die Schüler einen emotionalen Bezug zum Stück erhalten. Dies geschieht mittels Identifikation und Spiel. Das Stück wird in Ausschnitten nachgestellt, wobei Professionalität im musikalischen/schauspielerischen Bereich nicht erwartet und angestrebt wird. Oft sind die Stücke ein wenig verändert, indem Hauptrollen etwas weniger zentral und Nebenrollen aufgewertet werden.
Einstieg
Zuerst erhält jede(r) eine Rolle, in der er/sie während der Unterrichtsreihe vorwiegend bleibt. Dazu werden Rollenkarten verwendet. Die musst du im Zweifelsfall selber erstellen.
Dort steht z.B.
"Du bist ..... Du bist ...Jahre alt und lebst in .... Am liebsten trägst du lange Röcke und hübsche Ketten. Deine Familie.... Du bist verliebt in ... Du denkst, dass...."
Die Kinder erhalten ihre Karten zum Lesen und sollen sich vorstellen, dass sie diese Person sind. Sie sollen ihre Rolle so gut auswendig lernen, dass sie sich als die vorgestellte Person nachher den anderen präsentieren. D.h. sie stellen sich dann vor die Klasse und sagen: "Ich bin... Ich bin ... Jahre alt. Meine Familie.... Hach, wie ich meine tollen Ketten liebe!... " Am besten ist es, wenn sich die Kinder bereits verkleiden können: Papiermasken, Hüte, Tücher, alte Kleidung, besondere Kleidung (schwarze Sachen von zu Hause mitbringen oder wie man sich die Person vorstellt), weiße Schminke und Vampirgebiss (zum Sprechen rausnehmen? )
Wichtig ist, dass jedes Kind eine Rolle bekommt. Hauptrollen können doppelt vergeben werden und dann wird mal abgewechselt beim Spielen. Nebenrollen können vervielfacht werden und mit anderen Namen versehen. Da die Kinder sich eigene Vorstellungen von den Rollen bilden, kommt bei "Du bist Graf Romeus, ein junger Vampir. Deine langen Zähne sind besonders schön anzusehen. Du hast einen hübschen alten Sarg zum Schlafen. Nachts bist du besonders gerne auf dem Friedhof." etwas ganz anderes raus als bei einem anderen Kind bei der Rollenkarte "Du bist Graf Mireus, ein junger Vampir. Deine langen Zähne sind besonders schön anzusehen. Du hast einen hübschen alten Sarg zum Schlafen. Nachts bist du besonders gerne auf dem Friedhof."
Wichtig: Es gibt kein "Volk" und keinen "Chor", sondern die haben alle einen Namen und jeder eine Rollenkarte. Mit diesem Namen kann man dann zu einer großen Gruppe gehören, aber das Namenlose der Chöre und Völker im Musiktheater gibt es bei der Szenischen Interpretation im Klassenzimmer nicht.
weiterer Verlauf
Nun gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, die man verwenden, weglassen, kombinieren kann, je nach Lerngruppe, Stück und organisatorischen Möglichkeiten:
Wenn die Rollen verinnerlicht sind, können sich die Personen, die im Stück etwas miteinander zu tun haben, begegnen. Sie müssen dann von sich aus so reagieren, wie sie sich ihre Rolle vorstellen. Das heißt, die Kinder entwickeln ihre eigene Auslegung ihrer Rolle und füllen sie mit "Leben". Außerdem können einzelne Szenen aus dem Textbuch nachgestellt werden.
Es gibt die Möglichkeit, Standbilder zu bauen: In Gruppen (oder am Anfang einmal zusammen zum Einführen der Methode) wird die Beziehung zwischen 2 Personen dargestellt: Mögen sie sich? Sind sie sich nahe? Schauen sie sich in die Augen? Lächeln sie sich an? Möchte einer dem andern nahe sein, aber umgekehrt nicht? Wer ist größer, klüger? Wie sind die beiden (3, 4?)? Überheblich vielleicht, oder schüchtern? Die Personen mit denen ein Standbild gebaut wird werden nun von den "Baumeistern" so hingestellt, wie eine Statue und dürfen nur von den Baumeistern bewegt werden. Ein Baumeister könnte sagen: "Schau nach unten, du bist schüchtern." oder: "Schau ihm in die Augen du magst ihn! - Aber er mag dich nicht und schaut weg." - "Stell dich auf einen Stuhl, du bist stolz und willst über allen stehen." Am Ende werden die Standbilder von den anderen Gruppen betrachtet. Dabei können:
<ul>
- die anderen sagen, wie sie das Bild empfinden, die Beziehung der dargestellten Personen,
- die Baumeister ihr Standbild begründen,
- die "verbauten" Personen sagen, wie sie sich dabei fühlen (u.U. mit Vorsicht zu genießen)
</ul>
Es können Szenen frei nachgestellt werden: Z.B. in "Carmen": "Auf dem Marktplatz, die Zigeunerinnen stehen/sitzen zusammen am Brunnen, die Fabrikarbeiterinnen stehen an anderer Stelle, einige Soldaten schieben Wache, Josés Ziehschwester, das schüchterne, katholische Mädchen vom Lande kommt auf den Platz, die andern lästern über sie." Dann wird frei gespielt. Alle gehen in die angegebenen Positionen und dürfen sich - in der Rolle - unterhalten. D.h. die Zigeunerinnen unterhalten sich über ihre Männer, warum sie geschlagen wurden, schauen nach den Soldaten, lästern über die Fabrikarbeiterinnen. Die Arbeiterinnen lästern über die Zigeunerinnen und schauen auch zu den Soldaten. Die Soldaten schauen zu den Frauen. Dann kommt Magdalena und alle schauen plötzlich auf sie, die anderen Frauen fangen an sie zu verspotten... Dazu braucht man kein Textheft, aber eine gute Einfühlung in die Rolle. Der Spielleiter kann dann das ganze "einfrieren" und rumgehen und fragen "Wie geht es dir? Was machst du hier? Was hälst du von diesem fremden Mädchen?" Die Spieler antworten in der Rolle. In einer Zeitschrift gab es mal einen Artikel, wo beschrieben wurde, dass in einer 4. Klasse ein Streit zwischen den beiden Gruppen in der West-Side-Story so nachgestellt wurde.
Dann gibt es die Möglichkeit des Rollentauschs: 2 Personen tauschen ihre Rollen, um besser zu erfahren, wie sich der andere fühlt. Oder: Eine bestimmte Rolle darf nacheinander von mehreren / allen mal gespielt werden. Bei meinem Carmen-Workshop war das die Rolle des Stierkämpfers, der in die Arena einzieht. Die anderen standen Spalier und warfen Papierblumen. Es erklang das Stück "Auf in den Kampf..." und man musste durch die Spalierreihen durchgehen und sich mit Papierblumen bewerfen lassen.
Hinterher wurde ein kurzes Statement erbeten. ("Das war toll / komisch / unheimlich / witzig / cool!")
Verbindung zur Musik: Eine Person muss sich zu einer ihr eigenen Musik bewegen. Z.B. zu einer Arie / einem Rezitativ, das diese Person in einer Oper singt.
Wichtig dabei ist, dass es immer die Möglichkeit geben muss "Nein!" oder "Stopp!" zu sagen.
Ich habe bisher 2 Workshops bei Rainer O. Brinkmann von der Lindenoper Berlin gemacht: Einmal zu "Carmen" im Studium, einmal zu einer sehr unbekannten Oper ("Nos") mit dem Fachseminar. Wenn du magst, kann ich dir die Mailadresse von R.O. Brinkmann per PM schicken, ich weiß aber nicht, ob er reagiert. Er könnte dir aber vielleicht noch Tipps geben. "Carmen" haben wir als Praktikumsgruppe mal mit einer 9. Klasse szenisch interpretiert, das machte den Schülern auch größtenteils Spaß und sie arbeiteten sehr konzentriert, obwohl es sonst eine eher unruhige Klasse war. In der Grundschule habe ich das Ganze noch nicht ausprobiert, kann es mir aber gut vorstellen, sofern die Kinder in der Lage sind, sich in eine Rolle hineinzuversetzen.
Wenn dir das jetzt zu "groß" erscheint, kannst du ja auch erstmal mit einem kleinen Versuch anfangen: Die Kinder erhalten in kleinen Gruppen Rollenkarten, in jeder Gruppe die gleichen. Z.B. 3 Haupt- und 3 Nebenrollen pro Gruppe. Dann "schlüpfen" sie in ihre Rolle, vielleicht ein kleines Utensil basteln oder ein Namensschild für die Rolle und anschließend spielen sie eine kleine Szene. Dann kannst du sehen, ob es läuft und wenn die Kinder Lust auf mehr haben, weitermachen.
Wenn noch Fragen sind, schreib einfach. Ich hoffe, das war nicht zu confus.
Liebe Grüße,
Conni
Links:
Über die szenische Interpretation in der Theaterpädagogik / Deutschunterricht:
http://www.fo-net.de/Methoden/Szeni…rpretation.html
Theoretische Information über die Szenische Interpretation im musikpädagogischen Bereich:
http://www.musiktheaterpaedagogik.de/Szenische_Inte…kernthesen.html
Infos von der Uni Oldenburg mit einer Liste vorhandenenr Spielmaterialien:
http://www.uni-oldenburg.de/musik-for/szene/
Hier nochmal eine Literaturliste der Uni Oldenburg:
http://www.uni-oldenburg.de/musik-for/szen…entwicklung.htm