Ich habe auch "unterwegs" abgebrochen, da ich ganz stark das Gefühl habe, dass die Person, die die Umfrage erstellt hat, sich die Situation in der Schule nicht aus Lehrersicht vorstellen kann und nicht richtig in der Materie "schulische Situation" drinsteckt.
Teilweise finde ich dort nur sehr oberflächliche Fragen, die jemand, der wirklich die Schule täglich von innen erlebt, völlig anders stellen würde. Es wäre sehr sinnvoll gewesen, im VORFELD der Umfrage mal mit mehreren Lehrern die jeweiligen Fragen zu besprechen.
Beispiel:
8.Würden Sie sagen, dass die Schule sich nicht nur um Wissen, Leistung und Erziehung kümmern sollte, sondern auch vermehrt um Persönlichkeit und soziale Kompetenzen?
- Ja, Kinder sollten auf jeden Fall auch in der Schule lernen, wie man mit anderen Menschen umgeht und müssen gestärkt werden. Die Einführung eines eigenen Faches (ähnlich wie Ethik) wäre sinnvoll.
- Die Schule sollte sich auf jeden Fall vermehrt darum kümmern, aber das sollte neben dem Unterricht und in Pausen geschehen. Ein eigenes Fach ist zu viel. Schließlich ist es auch Aufgabe der Eltern.
- Das finde ich zwar sinnvoll, aber ich denke, das scheitert an der Umsetzung. Zu wenig Zeit, zu wenig Geld.
- Die Schule hat damit nichts zu tun. Das müssen die Eltern machen.
Ich denke, die wenigsten Lehrer, die Schule täglich von innen erleben, würde diese Frage so stellen.
Die erste Antwortoption bezieht sich nur auf ein zusätzliches Fach. Warum soll es plötzlich irgendein spezielles Fach geben, das nicht näher benannt ist. Diese Frageoption halte ich für ziemlich seltsam.
Die zweite Antwort ist ja ganz nett, aber auch sie geht nicht so auf das Thema ein, wie wir es täglich in der Schule erleben. Persönlichkeit und soziale Kompetenzen werden doch in der Schule nicht nur NEBEN dem Unterricht und in den PAUSEN gefördert, sondern auch im Unterricht, in speziellen Unterrichtsprojekten, im Umgang mit der Klasse, in verschiedenen Sozialformen... Jeder Mensch, der wirklich in der Schule unterrichtet, weiß doch so etwas. In jedem Unterrichtsentwurf, den Referendare zu einzelen Unterrichtsstunden schreiben müssen, sind doch bewusst auch soziale Lernziele enthalten. Diese Trennung von Unterricht und Persönlichkeitsbildung ist doch völlig absurd.
Warum wird nicht auf die ganzen Ansätze/Projekte/Möglichkeiten eingegangen, die es im täglichen Alltag JEDER Schule mittlerweile gibt, wieso wird in dieser Frage Schule so dargestellt, als sei sie eine reine Institution der Wissensvermittlung. Wir sprechen doch nicht von der Schule, die es möglicherweise vor 60 Jahren so gab, sondern von deutschen Schulen im Jahre 2010. In NRW beispielsweise haben alle Schulen seit Jahren ein Schulprogramm, in dem beispielsweise solche Projekte u.ä. festgelegt sind, die alle über die reine Wissensvermittlung hinausgehen. Nur jemand, der sich mit Schule überhaupt nicht auskennt, kann solche Fragen stellen. Und es ärgert mich, dass solche Entwicklungen in einer akademischen (!) Arbeit völlig ignoriert werden.
Der Teil der Antwort "schließlich ist es auch Aufgabe der Eltern" wirkt für mich sehr stark polarisierend. Klickt man als Lehrer diese Option an, dann gibt man damit die Verantwortung sehr stark an die Eltern ab. Ich hoffe, im Elternfragebogen finden sich diese Fragestellungen nicht in umgekehrter Weise. Diese Sichtweise ist für mich Schwarzweißmalerei. Es geht doch nicht darum, dass Persönlichkeitserziehung nicht auch Elternsache ist (das ist es natürlich auch, aber das ist doch selbstverständlich und muss nicht explizit angeklickt werden). Insgesamt ist doch Persönlichkeitserziehung viel komplexer: Daran sind Eltern, Lehrer, Mitschüler, andere Verwandte, Freunde, andere Institutionen... beteiligt.
Der Sinn dieser Antwortoption, so wie sie dort steht, leuchtet mir nicht ganz ein. Vielmehr bekomme ich immer stärker den Eindruck, dass in dieser Umfrage polarisiert werden soll.
- Die dritte Option: Völlig negativ - sorry, aber das impliziert für mich ein völlig falsches Lehrerbild.
- vierte Option: Ebenso wie die dritte Option.
Ich wollte dir nur mal am Beispiel dieser Frage zeigen, wie sehr diese Fragen am Schulalltag und an der Realität vorbei gehen und wie sehr hier teilweise wieder Schubladendenken praktiziert wird. Ich bin gespannt, ob wir demnächst (siehe nähere Ausführungen unten) wieder in der Presse lesen müssen, dass bei einer großen Umfrage herausgekommen ist, dass DIE Lehrer bzw. die Schulen einen Großteil der Schuld an den Amokläufen haben, weil sie ja nicht gewillt sind, die Schüler als Persönlichkeiten wahrzunehmen o.ä.
Ein weiteres Problem bei Onlineumfrage sehe ich darin, dass theoretisch jeder sich als Lehrer ausgeben und den größten Quatsch anklicken kann. Wenn die Umfragen direkt an Schulen durchgeführt werden, dann ist zumindest gewährleistet, dass sich auch nur wirkliche Lehrer daran beteiligen. Ich denke, wir hier im Forum sind alle sehr vorsichtig geworden, nachdem diese recht unseriöse Umfrage zu den Vornamen der Schüler hier veröffentlicht wurde und wir später die haarsträubenden Ergebnisse gelesen haben. Plötzlich wurde in allen Medien verbreitet, Lehrer hätten Vorurteile gegen Schüler, die gewisse Namen tragen und würden diese schlechter bewerten. Wie diese angeblichen Ergebnisse zustande gekommen waren, interessierte nicht. Jeder, der diese Umfrage damals gelesen hatte, fasste sich im Nachhinein an den Kopf.
Es erschreckt mich ein bisschen, dass du vorhast, eine seriöse wissenschaftliche Umfrage durchzuführen und dir die konstruktive Kritik in den anderen Beiträgen in diesem Thread nicht wirklich zu Herzen genommen hast.