elefantenflip
Nun, wenn wir die persönliche Schiene nicht vermeiden können:
Ich hatte eine normale Geburt, anschließend eine leichte Gelbsucht. Im Säuglingsalter schliefen meine Eltern kaum mehr als 2 Stunden am Stück, bis zum 3/4. Lebensjahr lief es dann besser.
Ich war ein aufgewecktes, zutrauliches Kind. Dann ging es wieder bergab. Ich machte jede Erkältung im KiGa mit, jede 2. mit einer Mittelohrentzündung (wer die Schmerzen kennt, weiß, was Sache ist!). Aus dem aufgeweckten Kind wurde ein zurückgezogen, kontaktscheues Kind. Dann kam noch Ende des 5. Lebensjahres Heuschnupfen hinzu, der sich im 10.Lebensjahr auf asthmatische Anfälle steigerte.
Die Kindergärtnerin meinte, ich hätte motorische Defizite und meine Eltern müssten das Ausschneiden mit mir üben. Außerdem stellte man noch fest, dass ich lispelte.
Wie haben meine Eltern reagiert:
- Eine Mandeloperation (das war damals so die Allheilmethode für alle Erkrankungen des HNO-Systems) lehnten sie ab. Schon damals gab es kritische Studien, die den Nutzen hinterfragten.
- Nach einem erfolglosen Ausflug in die Akupunktur lehnten meine Eltern jegliche weitere Alternativbehandlungen zum Heuschnupfen ab (Und ich war froh, ich wollte lieber mit der laufenden Nase mit anderen spielen, als in der nächsten Praxis zu sitzen).
- Das Lispeln wurde Zuhause mit Sprachübinen therapiert, der Gang zur Logopädin blieb mir erspart (Reaktion der Lehrerin: Dann müssen sie aber daheim viel leisten)
- Die Kindergärtnerin wurde informiert, dass es in der Vorschulzeit keine häusliche Nachhilfe gebe.
Nach Schwierigkeiten in der 1. Klasse waren meine Noten/Beurteilungen im grünen Bereich (Noten 2). Nach dem Wechsel ins Gymnasium verbesserte ich meine Leistungen und bekam von der 7. Klasse bis zum Abi an einen Preis. Die Krankheiten gingen nach der Pubertät auf ein erträgliches Maß zurück (eine Prophezeiung unseres Kinderarztes!) und im Laufe der Zeit wurde ich auch wieder aufgeschlossener.
So, ging das Ganze nun mit viel Glück trotdem gut, obwohl meine Eltern mich nicht einem Heer von Psychologen, Ärzten, Therapeuen vorstellten?
Nein, meine ich. Denn meine Eltern haben mir die wichtigsten Faktoren mitgegeben, die Eltern geben können:
- Geduld
- Vertrauen
- Zeit (!!!)
- Das Gefühl normal zu sein, auch wenn ich an einigen Punkten definitiv längere Zeit anders war
- und ein gesundes Maß an "Zumutungen", also die Erwartungen Regeln einzuhalten, zu lernen, Neues auszuprobieren (Musik, Sport) ohne den Blick für das Kindswohl zu verlieren.
Zitat
Erlaubt ist, was hilft und nicht schadet.
Woher weißt du, was dem Kind schadet? Hast du bedacht, wie sich ein Kind fühlt, das von der einen zur anderen Therapie gezogen wird; dessen kleinste Abweichung von der Norm als krankhaft oder defizitär bewertet wird?
Kinder wollen in aller Regeln ihren Eltern gefallen. Wie fühlt sich denn das Kind, wenn es merkt, dass die 3. Therapie wieder nicht anspricht? Kann es trennen, dass es selbst keine Schuld hat, sondern die Therapie oder sogar die Therapiewahl der Eltern?!
Und warum werden selbst obskure Therapien oft erstmal ansprechen: Weil die Kinder ihre Eltern nicht enttäuschen wollen und sich deswegen mehr ins Zeugs legen. Wenn sie es aber auf Dauer einfach nicht können, endet das Ganze im Fiasko für das Kind.
Alias und ich wollen keine Eltern schlecht machen. Wir wollen nur zeigen, dass es gewisse Therapien gibt, deren Wirksamkeit wissenschaftlich höchst fragsam sind. Damit können Kinder und Eltern Enttäuschungen vermeiden. Und das mag oft wichtiger sein, als kleinste Behandlungserfolge im Umfeld mit großen Enttäuschungen und Zumutunen ("Du bist anders als wir, du musst zur Therapie= zu erleben.
Außerdem liegt es mir am Herzen, den unseligen "Gesundheitsmarkt" eben als solchen zu outen: Als Markt, auf dem man auch die Nachfrage künstlich erzeugt, um seinen Gewinn vermehren zu können.
Wenn mir hier einer kommt, ich ignoriere Leidensgeschichten, dann verstehe ich die Welt nicht mehr.
Glaubt mehr an eure Kinder, lasst sie auch etwas verschiedenen von der Norm sein und seht nicht in jeder Abweichung den unaufhaltsamen Abstieg in der kindlichen Biografie!
edit: Noch einmal: Es gibt auch Fälle, in denen Therapie nötig ist. Aber ein therapeutisches Wanderzirkus bei jeder Abweichung ist dem Kind eine Hölle.