Zitat
Herrschaftsfreie Räume gibt's bei Habermas - in der Schule, da können wir uns die Luft sparen - nicht. Und das gilt ja dann nicht nur für die Schüler... auch für uns.
Nein Heike, das sehe ich anders. Natürlich bekommen wir keinen herrschaftsfreien Raum, wie ihn Habermas gerne gehabt hätte. Aber etwas Ähnliches:
In den 70iger Jahren hatten viele konservativ geführte Bundesländer die Befürchtung, die eherer linke (Jung-)Lehrerschaft könne die Schüler "negativ" beeinflussen. Deswegen gab es Ende der 70iger den so genannten "Beutelsbacher Konsens":
I. Überwältigungsverbot. Es ist nicht erlaubt, den Schüler - mit welchen Mitteln auch immer - im Sinne erwünschter Meinungen zu überrumpeln und damit an der "Gewinnung eines selbständigen Urteils" zu hindern . Hier genau verläuft nämlich die Grenze zwischen Politischer Bildung und Indoktrination. Indoktrination aber ist unvereinbar mit der Rolle des Lehrers in einer demokratischen Gesellschaft und der - rundum akzeptierten - Zielvorstellung von der Mündigkeit des Schülers.
2. Was in Wissenschaft und Politik kontrovers ist, muß auch im Unterricht kontrovers erscheinen. Diese Forderung ist mit der vorgenannten aufs engste verknüpft, denn wenn unterschiedliche Standpunkte unter den Tisch fallen, Optionen unterschlagen werden, Alternativen unerörtert bleiben, ist der Weg zur Indoktrination beschritten. Zu fragen ist, ob der Lehrer nicht sogar eine Korrekturfunktion haben sollte, d. h. ob er nicht solche Standpunkte und Alternativen besonders herausarbeiten muß, die den Schülern (und anderen Teilnehmern politischer Bildungsveranstaltungen von ihrer jeweiligen politischen und sozialen Herkunft her fremd sind.
Bei der Konstatierung dieses zweiten Grundprinzips wird deutlich, warum der persönliche Standpunkt des Lehrers, seine wissenschaftstheoretische Herkunft und seine politische Meinung verhältnismäßig uninteressant werden. Um ein bereits genanntes Beispiel erneut aufzugreifen: Sein Demokratieverständnis stellt kein Problem dar, denn auch dem entgegenstehende andere Ansichten kommen ja zum Zuge.
3. Der Schüler muß in die Lage versetzt werden, eine politische Situation und seine eigene Interessenlage zu analysieren, ,sowie nach Mitteln und Wegen zu suchen, die vorgefundene politische Lage im Sinne seiner Interessen zu beeinflussen. Eine solche Zielsetzung schließt in sehr starkem Maße die Betonung operationaler Fähigkeiten ein, was aber eine logische Konsequenz aus den beiden vorgenannten Prinzipien ist. Der in diesem Zusammenhang gelegentlich - etwa gegen Herman Giesecke und Rolf Schmiederer - erhobene Vorwurf einer "Rückkehr zur Formalität", um die eigenen Inhalte nicht korrigieren zu müssen, trifft insofern nicht, als es hier nicht um die Suche nach einem Maximal-, sondern nach einem Minimalkonsens geht.
http://www.lpb.bwue.de/beutels.htm
Die Frage nach einer "richtigen" Diskussion in der Schule ist keine philosophische, sondern eine didaktische.
Ich wehre mich als Gemeinschaftskundelehrer deswegen explizit gegen "Diskussionen", die letztlich nur die Meinung des Lehrers antizipieren sollen.
Versuche mal, im Gemeinschaftskundeunterricht (aber auch sonst) herauszubekommen, welche politisch-moralischen Vorstellungen Schüler haben, wenn sie jahrelang von pseudolibertären (Spät-)68ern bearbeitet wurden. Da wird einiges zerstört und eben das Problem sehe ich bei der "Diskussion" über "richtige" Sprache auch.
Wir als Vertreter der (Erwachsenen-)Gesellschaft wollen gewisse Verhaltensweisen und begründen sie natürlich. Wenn ich den Schülern das Thema unbedingt näher bringen will, lass ich sie einen Text bearbeiten und die Gründe heraussuchen, aber nicht erlernen, wie man den Lehrerwillen antizipiert.
Nochmals: Das sind für mich didaktisch-pädagogische Fragen und keine philosophischen!