Da wir im Thread mittlerweile beim Thema Inklusion angekommen sind...
Wir sind als Gesamtschule besser vorbereitet auf Inklusionsschüler durch zusätzl. Räume, mehr Sonderpädagogen und Schulsozialarbeiter und vermutlich auch einfach ein etwas anderes Mindset. Trotzdem gibt es viel Skepsis, was das Thema Inklusion anbelangt, und ich sehe es an der Stelle nicht anders.
Man hat z. B. 29 Kinder in einer Klasse und mehrere davon haben einen Förderschwerpunkt. Das sind bei uns fast immer "Lernen", "emotional-soziale Entwicklung" und "Sprache", nur hin und wieder etwas anderes, weshalb ich dazu auch wenig sagen kann, da ich da bisher noch kaum Berührungspunkte hatte (außer Hören, bei der man ggf. ein zusätzliches Mikro trägt für den Schüler).
Die Förderschwerpunkte sind Sammelbecken für alles Mögliche und sagen für sich sehr wenig aus, inwiefern eine Beschulung in einer Regelklasse funktioniert oder nicht.
Bei Lernbehinderungen habe ich Fälle gesehen, bei denen es "okay" lief. Eine vernünftige, zielgeleitete Förderung ist in so großen Klassen kaum möglich, selbst mit Schulbegleitung. Solange die Kinder sich integrieren können und wirklich auch Teil des Klassenverbands sind, kann das Ganze trotz unzureichender Förderung noch gut gehen. Das ist nicht immer der Fall. Was ich fast immer sehe, ist, dass die Schüler mit zunehmenden Alter das Gefühl kriegen, dass sie "anders" sind oder "zu doof". Es nimmt immer mehr zu, je näher sie sich der 10. Klasse nähern. Es zeigen sich häufiger psychische Auffälligkeiten und gerade bei Jungen habe ich auch gesehen, dass man dann eben versucht, sich auf andere Art und Weise aufzuwerten, z. B. durch Gewalt.
Im Fall "emotional-soziale Entwicklung" variiert es auch stark. Mal klappt's ganz gut, wenn der Schüler auf Konsequenzen reagiert, das Elternhaus mitzieht und auch vernünftige Gespräche mit dem Schüler geführt werden können. Es ist aber definitiv einiges an Zusatzarbeit, die zu leisten ist und die am Ende an den Lehrern, insb. den Klassenlehrern, hängen bleibt. Eine Schulbegleitung hat nunmal einfach nicht die Funktion, die ein Lehrer hat, und kann hier nur eingeschränkt die Lehrer auch entlasten.
Dann gibt's welche, die den Unterricht MASSIV stören. Ich habe schon einen Fall erlebt, bei dem jegliche Konsequenzen Schall und Rauch waren. Es spielte wirklich absolut keine Rolle, ob man auf den Schüler einredete, ob man die Eltern einschaltete, die selbst hilflos waren, ob man dies und jenes gemacht hat... Vollkommen egal. Der "Terror" ging weiter. Es wird nicht nur der Unterricht gestört, sondern z.T. werden durch gezielte Manipulation noch Schülergruppen aufgehetzt und die Klassenatmosphäre wird stark negativ beeinträchtigt.
Dann gibt's die, die durch Gewalt auffallen, entweder sehr gezielt, um sein eigenes Ego auszubauen (Mobbing, Demütigung, Schläge etc.) oder unkontrolliert aufgrund massiver Probleme bei der emotionalen Regulation. Da kann dann plötzlich ein Stuhl auf ein Mädchen knallen und der Junge hat das in seiner totalen Rage noch nicht einmal gewollt.
Die Eltern haben viel zu viel Entscheidungsbefugnisse. Sie können alles ausbremsen, sie können alles stoppen, sie können gegen alles klagen. Wir sind so stark von dem Willen der Eltern abhängig, allein schon, damit überhaupt ein Förderschwerpunkt festgestellt werden kann, der zusätzliche Hilfen ermöglicht oder ermöglichen kann. Einige Eltern schauen schließlich lieber weg.
DIE SCHULE muss entscheiden können, wer in einer Regelklasse beschult werden kann und wer nicht. Es gibt Fälle, in denen das entweder gut oder zumindest ohne massive Beeinträchtigung der anderen Schüler funktioniert. Aber in allen anderen Fällen müssen die Schüler aus der Regelklasse herausgenommen werden. Mir ist egal, ob die jetzt an der gleichen Schule in eine eigene kleine Fördergruppe kommen, wo sie von Sonderpädagogen betreut werden oder auf eine Förderschule. Das ist für mich schon fast eine Scheindebatte. Die Kleingruppen könnte man genauso an Regelschulen einführen. Wenn's dann wieder besser läuft, kann man einen neuen Anlauf wagen und das Kind kann wieder probeweise in eine "normale Schulklasse". Geht's doch nicht? Ab zurück.
Der Schutz der Gruppe ist wichtiger als individuelle Bedürfnisse. Die anderen Kinder, die sich zumeist an Regeln halten, können doch nicht ständig Einzelnen entweder zum Opfer fallen oder im Unterricht total ausgebremst werden, weil der Lehrer sich mit einem Kind beschäftigt oder beschäftigen muss, dass in der 7. Klasse gerade mal bis 10 zählen kann. Im letzteren Fall hängt's halt, wie zuvor auch geschildert, davon ab, ob eine Schulbegleitung hier diesen Auftrag so erfüllen kann, dass der Lehrer nicht zeitgleich mit dem Stoff der 1. Klasse und der 7. Klasse beschäftigen muss. Zudem muss bei Kindern mit einer Lernbehinderung die Klassensituation und das Selbstbild mit beachtet werden. Selbst, wenn es in der Klasse "klappt", soll auch ein Kind mit kognitiven Einschränkungen doch nicht ständig das Gefühl haben, dass es "nicht gut genug" ist.
Grundschulen arbeiten bekanntermaßen gut inklusiv und an vielen Grundschulen ist die Arbeit, die in diesen Bereichen geleistet wird, beachtlich. Jedoch sind weiterführende Schulen in vielerlei Sicht anders. Die Schüler werden älter, die Dynamik ändert sich und alte Strukturen und Strategien funktionieren plötzlich nicht mehr.
Inklusion muss stets mit der Option einhergehen, dass Kinder bei Bedarf in separaten Kleingruppen unterrichtet werden können und die Praktiker vor Ort müssen oder sollten dies evaluieren und nicht die Eltern, die keinen unabhängigen Blick auf die Situation haben.