Beiträge von Antimon

    mehr Schüler am Gymnasium

    Ne, das schrieb ich noch nie. Warum soll das "gerecht" sein? Ich schrieb ungefähr das Gegenteil, dass "Durchlässigkeit" bedeute, alle gehen ans Gymnasium, falsch sei. Das Kriterium sollten allein die intellektuellen Fähigkeiten und nicht die soziale Herkunft sein.

    "Herbeireden" muss man die nicht. Es reicht, wenn der ausgebildete Elektrotechniker mehr verdient als der studierte Germanist ;) Im Ernst... Ich habe immer Schülerinnen an der FMS, die gar nicht ans Gymnasium wollen, obwohl sie noch so sehr könnten. Was soll ich da, ich will Hebamme werden und nicht an der Uni studieren. Scheint irgendwie zu helfen, wenn die Ausbildungsziele so klar definiert sind. Wobei auch aus meinem Abijahrgang vor 24 Jahren schon mehrere Personen in die Berufslehre gegangen sind. Ich kann mich in den letzten 10 Jahren als Lehrperson an eine einzige Schülerin erinnern, die mit der Matura eine Lehre in einer Buchhandlung angefangen hat. Also doch kulturelle Unterschiede und "ist halt so"? Oder es ist das frühe Sortieren im deutschen System. Unsere müssen mit 15 echt mal selber überlegen, was sie jetzt wollen, man bleibt ja nicht einfach ganz gemütlich sitzen und die Oberstufe passiert von selbst. So geht es z. B. auch in Estland, die zuletzt bei PISA so gut rauskamen.

    Es verwundert mich jedes Mal wieder, wenn Gymnasialkolleg:innen von angebotenem Förderunterricht schreiben.

    Das würde mich in der Tat auch interessieren, was das für Angebote sind. Wir bieten bei uns im Kanton einen Stützkurs Deutsch an, für wirklich fremdsprachige SuS. Wenn die schon in der Schweiz eingeschult wurden, haben sie kein Recht mehr darauf, weil ja die Förderkurse an der Primarschule noch verpflichtend sind. Letzteres ist kantonal umterschiedlich geregelt, was ich aber OK finde. Basel hat da sicher einen anderen Bedarf als Glarus. Dann gibt es noch den Stützkurs Französisch, den die beiden bikantonalen Gymnasien anbieten um die gröbsten Unterschiede aus der Sek I aufzufangen. Soweit ich weiss haben weiterhin alle 5 Gymnasien Geld für eine Lernbegleitung zur Verfügung. Das machen bei uns 2 Kolleg*innen, denen dafür auch eine spezielle Weiterbildung bezahlt wurde. Da können sich Jugendliche bei Bedarf zur Beratung anmelden. Wird rege genutzt und scheint auch nützlich zu sein. Das war's aber an echten "Förderangeboten". Über Hochbegabtenförderung geht's ja hier für mein Verständnis gerade nicht.

    Mich würde interessieren, inwiefern die Abschlüsse in Deutschland und in Ländern mit größerer Bildungsgerechtigkeit bzw. einem weniger einflussreichen Faktor soziale Herkunft vom Anspruchslevel her vergleichbar sind

    Was spielt das für eine Rolle wenn eine deutsche Bank nur Lehrlinge mit Abitur nimmt? Das deutsche Abitur *ist* faktisch weniger wert als z. B. die schweizer Matura. Unser Bildungssystem wird von der OECD aber für durchlässiger befunden. Ich weiss nicht, ob irgendjemandem schon mal aufgefallen ist, dass wir hier relativ gesehen fast genauso viele Studierende haben wie in Deutschland, die Maturitätsquote aber nur halb so hoch ist. Oder anders ausgedrückt: 90 % unserer Maturanden gehen tatsächlich studieren. Insbesondere die Berufs- oder Fachmatura macht hier niemand einfach "mal so". Das wäre komplette Zeitverschwendung,, wenn man eigentlich an einem Ausbildungsberuf interessiert ist. Muss man Migrantenkindern am Gymnasium hin und wieder auch erklären, wenn sie als vorläufigen Berufswunsch "Laborant" angeben. Nee, Schätzele, dafür bist du hier am falschen Ort. Die Roche nimmt auch gar keine 19jährigen Maturanden, es gibt genügend 15jährige Bewerber, die direkt von der Volksschule kommen.

    Also schwierig 1:1 zu vergleichen

    Da gebe ich dir absolut recht, aber darum ging es mir mit meinem Argument gar nicht. Ich meinte, es gibt offenbar eine gewisse Affinität zur Allgemeinbildung in der Türkei, wenn da doch so viele studieren gehen. Dass die Qualität der Abschlüsse dort je nach Uni enorm unterschiedlich ist, weiss ich tatsächlich noch von ehemaligen, türkischen Arbeitskollegen.

    Ich halte es auch für mehr als irritierend, was manch einer hier so loslässt. Es gibt in Deutschland eine SchulPFLICHT. Das RECHT auf Bildung ist nota bene nicht im Grundgesetz verankert. In der Bundesverfassung der Schweiz schon. Das erklärt vielleicht das Grundverständnis dass Schuld eigentlich nur diejenigen haben können, die PFLICHTIG sind.

    Bei meinen sehr guten GS-Mitschülerinnen hat meine Mutter (auch GS-Lehrerin, aber andre Klasse) damals zuhause angerufen und gesagt, sie mögen doch bitte aufs Gym gehen. Kein einziges Elternteil hat dem zugestimmt. Immer hieß es "Die übernimmt den Hof" oder "Die heiratet eh" oder einfach "Des braucht die net".

    Du weisst natürlich, dass im Jahre 2023 mehr Mädchen am Gymnasium und mehr Jungs an den Hauptschulen sitzen. Manche Dinge ändern sich, andere nie.

    Ich erwähnte ja bereits, welche Bildungsschicht kam

    Und ich verlinkte eine Statistik, die zeigt, welche Bildungsschicht hierher kam. 7 % Portugiesen mit akademischer Ausbildung, 12 % Türken mit akademischer Ausbildung, in den älteren Jahrgängen noch weniger. Das ist natürlich das grosse Bildungsbürgertum. Wir sind im 2023, nicht mehr im 1970. Da kamen auch nur schlecht gebildete Italiener in die Schweiz.

    Das mit den Schulabschlüssen ist nicht so schwer zu verstehen. Ich schrieb bereits, in der Schweiz hast du entweder einen Schulabschluss der Sekundarstufe II oder gar keinen. Es gibt keinen "Hauptschulabschluss". Irgendsowas wird es auch bei den Türken sein.

    Die Anzahl Studierender pro 100000 Einwohner übrigens hier:

    https://www.destatis.de/DE/Themen/Laen…tudierende.html

    Also der Fall ist klar, es gibt in der Türkei erheblich mehr davon als in Deutschland. Offenbar definieren die ihre Abschlüsse an den Schulen irgendwie anders als wir. In der Schweiz sollte formal jeder einen Schulabschluss der Sekundarstufe II erwerben, dazu zählt ja auch die duale Berufslehre. Ich würde meinen, dass das in Deutschland genauso definiert ist.

    Man traut dem Staat oder eher weniger.

    Du weisst aber schon, dass Portugal bis Mitte der 1970er noch eine Diktatur war und 2011 kurz vor dem Staatsbankrott stand, ne? Mir ist auch nicht ganz klar, was das mit der Ausbildung der Kinder zu tun haben soll. Frag mal in Frankreich nach, wie viele da dem "Staat trauen" und dann schau, wie hoch die Abiquote dort ist. Wir haben bei uns in der Region eine Migrantengruppe, deren Kinder am Gymnasium tatsächlich massiv überrepräsentiert sind: Sri-Lanka-Tamilen. In jeder Klasse mit naturwissenschaftlichem Schwerpunkt 3 - 4 tamilische Jugendliche. In der landesweiten Statistik fällt das nicht auf weil's insgesamt nur etwa 50000 davon gibt, einfach bei uns in der Region besonders viele. Also ja, wir können gerne drüber diskutieren, ob es wohl doch kulturelle Hintergründe gibt, die man einfach so hinnehmen muss. "Dem Staat misstrauen" scheint mir da aber kein offensichtlicher Faktor zu sein. Und wenn du mal auf die Statistik klickst, die ich oben verlinkt habe: Der Anteil "unserer" Türken an den Hochschulen vermehrt sich von der 1. auf die 2. Migrantengeneration eben auch von 12 % auf 34 %.

    Kann man an dem Punkt die Schweiz und Deutschland wieder vergleichen?
    Du betonst ja häufig, dass das zwei völlig unterschiedliche Welten sind.

    Nein, offensichtlich nicht. Ich frage mich ja, warum das so unterschiedlich ist. Wenn du schaust, es gibt auf der anderen Seite keine Gruppe, die negativer hervorsticht als die Migranten aus dem Kosovo. Die sind sicher nicht dümmer als die Portugiesen. Warum ist das so? Was müsste passieren um alle abzuholen? Vielleicht ist die Antwort am Ende auch: so ist es halt.

    Ich habe das verlinkt um zu zeigen, die Argumentation mit dem Sozialstatus der Eltern ist halt schief. Nur 7 % der portugiesischen Einwanderer bringen einen akademischen Abschluss mit, deren Kinder gehen aber durchschnittlich fast genau so häufig an eine Hochschule studieren wie Kinder schweizer Eltern. Portugiesisch ist hier keine Landessprache. Das einfach noch so nebenbei bemerkt.

    Ja, das ist genau das, was wir hier diskutieren. Ans Gymnasium sollten Kinder mit den entsprechenden intellektuellen Fähigkeiten gehen. Die soziale Herkunft sollte keine Rolle spielen. Tut sie aber offensichtlich.

    Ich fand letztens eine spannende Statistik zum Thema Bildungsmobilität in der Schweiz:

    https://www.socialchangeswitzerland.ch/?p=2836

    Keine andere Gruppe sticht so positiv hervor wie die Portugiesen. Ein Grossteil der 1. Generation kommt ohne akademische Ausbildung ins Land, in der 2. Generation liegt dieser Anteil bereits bei 37 %, was in etwa dem nationalen Durchschnitt entspricht. Krass, ne?

    Das hat so niemand behauptet

    OK, dann übersetz mir bitte: Ich frage, wie es sein kann, dass statistisch gesehen zu wenig Migrantenkinder am Gymnasium landen. Die Antwort ist, dass deren Eltern mehrheitlich sozial schlecht gestellte Arbeiter*innen sind. Das ist aber eine sehr eindeutige Formulierung.

    Ich unterstelle hier keine Böswilligkeit. Genau so funktioniert einfach unsere Gesellschaft.

    Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass Arbeiterkinder eben doch dümmer sind.

    Bezüglich der Zahlen aus der Türkei: Ich fand eine höhere absolute Zahl an Studierenden, die Einwohnerzahl beider Länder ist ähnlich. Sekundarstufe II ist übrigens nicht gleichbedeutend mit "allgemeiner Hochschulreife".

    Die Reaktionen waren vorhersehbar. Der Austausch zwischen den Schulstufen ist sporadisch, zu den regelmässigen Treffen gehen immer die gleichen 5 Hanseln. Die Mehrheit hat keine Ahnung, was "oben drüber" und "unten drunter" passiert. Statistik vs individuelle Erfahrung, wie immer bei diesem Thema. Wir waren letzte Woche zu einem Treffen an der Uni. Von unserer Schule sind 12 Personen aus den relevanten Fachschaften gegangen, von einer anderen Schule gleicher Grösse waren es nur 3 Personen.

    Wie erklärt man denn die z. B. objektiv messbare Verteilung von Migrantenkindern über die Schulformen, wenn eigentlich alle alles richtig machen? Also in der Türkei erlangen noch mal mehr Jugendliche die allgemeine Hochschulreife als in Deutschland, mit kulturellen Gepflogenheiten ist da nicht zu argumentieren.

    Tja, Bayern. Aber mal im Ernst: Man muss schon auch aufpassen mit den Zahlen. Solche Wechslerquoten kann's nur geben, wenn's überhaupt was zu wechseln gibt. Dazu muss erst mal sortiert werden und zwar halbwegs ernsthaft. ;)

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