Beiträge von Antimon

    Grundsätzlich sollte man die Theorie mit der Praxis in Einklang bringen

    Ja, mache ich jeden Tag im Fachunterricht. Wie eine Fachwissenschaft grundsätzlich funktioniert, bestimmt eben nicht die Didaktik. Die habe ich bei Lehrpersonen gelernt, die beide jeweils 30 Jahre Unterrichtserfahrung auf dem Buckel hatten.

    Aussagen der Didaktiker, Schipper oder Wittmann sind da sehr eindeutig

    Ehrlich gesagt sch*** ich auf solche Leute. Ich halte mich an das, was berufserfahrene Lehrpersonen meinen und an meine eigenen Erfahrungen. Ob sich diese mit jenen irgendeines schlauen Buchschreiber decken, geht mir am Allerwertesten vorbei.

    Ich glaube nicht. Frag den Schüler mal, ob er dir erklären kann, wie das Malkreuz funktioniert. Ob er weiss, warum welche Zahl wo eingetragen wird. Und ob ihm bewusst ist, dass jede andere Notation zur schriftlichen Multiplikation mathematisch gesehen genau das gleiche meint. Meine Gymnasiasten erkennen keine Verhältnisrechnung, wenn kein T drumrum gemalt ist.

    Ein Schüler multipliziert mit dem Malkreuz

    Genau sowas verbuche ich unter Hokuspokus. Wenn das Kreuz oder das T oder das Dreieck fehlt, verstehen diese SuS überhaupt nicht mehr, was sie eigentlich tun. In der weiterführenden Schule werden den Zahlen in den Naturwissenschaften Bedeutungen zugeordnet und die Jugendlichen erkennen nicht, an welchem Ort in egal welchem Hokuspokus-Schema die jeweilige Zahl einzufügen ist. Wenn ich z. B. eine Verhältnisrechnung notiere, wähle ich ein x als Platzhalter für den Wert, den ich ausrechnen will. Meine Jugendlichen finden im ersten Jahr am Gymnasium immer, sie hätten das aber nicht so kompliziert gelernt. Sie malen eben Ts und Dreiecke. Ausrechnen kann's dann keiner, was ich von ihnen will, weder mit dem T, noch mit dem Dreieck, noch mit dem x. Es fehlt meist komplett das Verständnis für die Rechenoperation. Ich bereite aber auf ein Hochschulstudium vor, das ist mein Lehrauftrag. Und an der ETH werden nun mal keine Dreiecke und Ts und Kreuze gemalt, egal was irgend ein schlauer Primarschuldidaktiker sich so ausgedacht hat.

    Was mich auch interessiert:

    Muss es das eine Verfahren sein oder könnt ihr damit leben, dass das Verfahren anders aussieht, wenn das Ergebnis stimmt?

    Müssen Ukrainer:innen umlernen oder schreiben sie ihren Weg auf andere nachvollziehbare Weise auf?

    Ab wann ist der Rechenweg bei einfacheren Aufgaben nicht mehr im Fokus?

    Meine oben erwähnten exemplarischen 700 kg Kochsalz in 1 Liter Wasser rühren daher, dass SuS nicht in der Lage sind Gleichungssysteme richtig umzustellen. Auf gar keine Weise, sonst käme ja ein richtiges Ergebnis raus. Weil sie in der Mittelstufe z. B. "lernen" Dreiecke zu malen wenn es um eine simple Beziehung zwischen drei physikalischen Grössen geht. Das hat mit Didaktik nichts zu tun und ist auch kein "Verfahren", das ist Hokuspokus. Es ist auch kein anderes Verfahren, wenn jemand mit einem Zwischenschritt rechnet oder zwei Rechenoperationen vertauscht. Die Mathe dahinter bleibt exakt die gleiche. Der Rechenweg an sich ist *immer* im Fokus, ich will wissen, wie der Schüler zum Ergebnis kam. Und... Ich unterrichte gar keine Mathe. Ich muss mich einfach mit jeder Notation, die von SuS so gewählt wird, irgendwie auseinandersetzen und nachvollziehen ob sie in sich stimmig ist. Vor allem in Physik habe ich einfach das Problem, dass ich auf das Werkzeug Mathe zwingend angewiesen bin und mit meinen Fachinhalten nicht mehr weiter komme, wenn Jugendliche die "Sprache" nicht verstehen. Sprache trifft es eben sehr gut. Wenn ich da jedes Mal erst drüber nachdenken muss, wie jetzt die Verben konjugiert werden und der Satzbau funktioniert, komme ich nie zum Sprechen. Das muss auf einem gewissen Niveau einfach funktionieren. Mathe ist als Anwendung in den Naturwissenschaften an der Schule meistens ziemlich primitiv. Da ist einfach keine Zeit und kein Platz für grosses Rumphilosophieren. Es geht ja eben gar nicht um Mathe an sich.

    Nee, Lehrer hat keine Zeit, weil Schüler am Algorithmus scheitert. Meine Schüler sind zu Beginn immer ganz erstaunt, dass ich für ein falsches Ergebnis in der richtigen Grössenordnung nicht mal Punkte inner Prüfung abziehe. Ob sich nun 50 g Kochsalz in nem Liter Wasser gelöst haben oder 60 g, ist mir wumpe. Ich weine ein ganz kleines bisschen, wenn es 700 kg (doppelt unterstrichen!) sind.

    Und wieso?

    Ich finde es wichtig, dass man versteht, dass wenn Media Markt die "Mehrwertsteuer erlässt" man nicht 19% weniger bezahlt. Aber die genannte Rechnung ohne Taschenrechner zu machen ist doch völlig Banane.

    Das ist keine mathematische Fragestellung sondern eine kaufmännische. Brutto und Netto sind kaufmännische Definitionen, der Mathe ist es egal, wie du da die 100 % festlegst. Du gestehst damit ein, dass dir der mathematische Algorithmus, aka Rechenweg, wurscht ist. Das finde ich als Naturwissenschaftlerin fatal.

    Dann muss das Gefühl für Zahlen gefördert werden, indem mehr probiert, geschätzt und Größen erfahren werden

    Oh Gott, bitte nicht. Auch bei uns kommen Jugendliche am Gymnasium an, die in der Mittelstufe Plättchen gelegt, Quadrate ausgeschnitten und sonst was für lustige Schätz- und Fühlspiele in Mathe gemacht haben. Nen Bruch nach einer Variablen auflösen können sie leider nicht. Für mich als Naturwissenschaftlerin ist Mathe ein Werkzeug. Ich erwarte von meinen SuS, dass sie einfach mal ne Zahl ausrechnen können und zwar fix, ich habe nämlich keine Zeit und keine Lust erst noch ne halbe Stunde an der Mathe rumzufühlen, bis mal alle bei meiner Zahl angekommen sind. Ich würde mich dann gerne mit der physikalischen bzw chemischen Plausibilität des Ergebnisses weiter beschäftigen. Erst dann bekommt die Zahl für mich überhaupt eine konkrete Bedeutung.

    Das Gegenteil ist der Fall, erst verstehe, dann auswendig lernen.

    Nope, da liegst du falsch. Didaktisch macht es keinen Sinn, irgendwas verstehen zu wollen ohne sich ein paar triviale Tatsachen mindestens zugleich nicht einfach mal in den Kopf zu hauen. Fremdsprachen lernen funktioniert genau so, man lernt einfach mal ein paar Sätze auswendig um irgendwas sagen zu können. Chemie lernen funktioniert genau so, man stellt einfach mal fest, dass sich Benzin und Wasser nicht mischen, warum nicht, versteht man sehr viel später erst. To be continued.

    das Land es offenbar nicht schafft, aufbauende Curricula zu verfassen

    "Das Land" verfasst überhaupt keine Lehrpläne, die werden von Lehrpersonen ausgearbeitet, die offenbar zu doof dazu sind. Ist bei uns nicht anders und ich kenne solche Leute, die zu doof dafür sind. Leider sind das immer die ersten, die "hier" schreien, wenn's um solche Aufgabe geht. Leute mit einem überdimensionierten Sendungsbedürfnis.

    Dir ist aber schon auch aufgefallen, dass hier relativ gesehen erheblich mehr Züge fahren, also die Taktung sehr viel dichter ist? Und dass nirgendwo sonst auf der Welt pro Kopf mehr Bahnkilometer gefahren werden? Ich verstehe nicht, warum die Deutsche Bahn nicht z. B. einfach mal die Mammut-Strecken von Hamburg nach Interlaken z. B. einstampft. Funktioniert offenbar nicht. Es gäbe schon einiges an Verbesserungspotential.

    Eine über 700 km Autofahrt nachts ist auch nicht immer entspannend

    Ich fahre überhaupt nicht Auto, ist keine Referenz für mich. Nachts will ich schlafen und zwar in meinem Bett und nicht in egal welchem Verkehrsmittel. Fliegen nervt mich aus genau dem Grund übrigens zu Tode. Die meiste Zeit sitzt man sich irgendwo sinnlos den Hintern platt und ich kann nicht schlafen.

    Ja, wenn die aus der Zentralschweiz kommen, kann's auch einfach mal Steinschlag irgendwo gegeben haben. Soweit ich mich erinnere, war deswegen letztes Jahr ein ganzer Streckenabschnitt mal länger gesperrt. Ansonsten... Schaffhausen... Ja, die Züge fahren von West nach Ost auf der deutschen Seite. Wen wundert's also.

    Da fühlt man sich am Morgen schlimmer als nach 4 Bier und der komplette Tag ist zuverlässig am Arsch. Ich erinnere mich mit einigem Grauen an die ungezählten Stunden, die ich wegen verpasster Anschlusszüge schon in München am Hauptbahnhof zugebracht habe. In bald 12 Jahren Schweiz bin ich genau ein einziges Mal irgendwo gestrandet, das war ein Brand im Gleisbett am Bahnhof Olten, das ist einer der wichtigsten Knotenpunkte im Schienennetz der SBB.

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