Ich bin Nachhilfelehrer deutschlandweit in Mathe Klasse 8 bis 13 und habe daher einen gewissen Überblick über Gesamtdeutschland. Durch den direkten Kontakt habe ich auch das Wissen wie Schüler privat lernen.
1) Es fällt auf, dass in der Mittelstufe Schüler nicht mehr das Verlangen haben, gute oder sehr gute Noten schreiben zu wollen. Eine 3 ist vernünftig, eine 4 ist okay ("ist halt so"), eine 5 ist nicht akzeptabel. Im Oberstufenbereich sieht der Leistungswille besser aus. Da gibt es Schüler, die mit 11 Punkten unzufrieden sind, oder solche, die 14+ Punkt anstreben.
Wenn der Lehrer also in der Mittelstufe 100% verlangt, macht der Schüler 70% für seine Wunschnote 3-4. Der Grund für schlechte Schülerleistungen allgemein ist, da der Unterrichtsstoff zu einfach ist. Beispiele:
Lineare Gleichungssystem sind häufig so, dass nur ganze Zahlen vorkommen. Um das Prinzip zu lernen kurzfristig in Ordnung. Aufgaben wie: "Löse mit dem Gleichsetzungsverfahren"
y = 1 + 3x und y = 1 + x enthalten viel zu viel Hilfen. Da rechnet der Schüler 2 Aufgaben und sagt "kann ich (für heute)". Es müssen Aufgaben her mit Kreativität, Brüchen, mehr als nur einer Umformung.
Meine Erwartung ist, wenn man das Unterrichtsniveau erhöht, bleiben die Schulnoten zwar gleich, aber Schüler lernen mehr.
Weiterhin lernen Schüler das Gleichsetzungs-, Additions-, Einsetzungsverfahren, zeichnerisch, (Lösen mit Wertetabelle), in der Oberstufe kommt Gaußalgorithmus und CAS. Sind wirklich 7 Methoden notwendig oder reichen auch 2 Methoden, wenn in der Realabschlussprüfung das Verfahren eh frei gewählt werden kann?
2) Hausaufgaben: werden zu wenig aufgegeben. Ich hatte einen Schweizer Schüler, der musste 90 min Brüche lösen, (ich brauche dafür 30 min). Immer das gleiche oder ähnlich Aufgaben. Durch ständige Wiederholungen kommt Routine und schließlich Geschwindigkeit. Hier in Deutschland sind es max 3 Aufgaben zum Lösen zu Hause.
Dann sind Hausaufgaben allerdings teils zu schwer:
Klasse 11/12: "Löse die Gleichungen mit geeigneten Verfahren", gemeint ist mit PQ, Satz vom Nullprodukt, Äquivalenzumformung, Polynomdivision, Substitution. Hier muss man alles können. Es scheitern auch die mittelguten Schüler. Findet ein Schüler keinen Ansatz, wird die ganze Aufgabe übersprungen oder die KI wird gefragt mit mäßigem Erfolg. Falls solche Aufgaben gestellt werden, sollte der Lehrer hierzu Hilfevideos verlinken. Auch die sind sehr beliebt und tragen dazu bei, dass der Schüler einen Ansatz findet und mindestens zur Hälfte die Aufgabe lösen kann.
3) Faule Schüler fragen vor Klausuren nach sogenannten Lernzetteln. Ich verstehe darunter selbst geschriebene Formelsammlungen mit kurzen Beispielen. Lassen wir die Schüler das doch z.B. in Gruppenarbeit selbst anfertigen. Jede Gruppe ist für einen Minithemenbereich zuständig. Zum Schluss wird die halbe Seite eingesammelt, korrigiert und kopiert an alle Schüler ausgegeben. Aktuell wird so was auf Knowunity hochgeladen.
4) Leistungswillige Schüler fragen nach weiteren Aufgaben zum Lösen, da die Aufgaben auf der einen Seite im Buch "Bist du fit" schon alle bearbeitet wurden. Hier kann man als Lehrer auch weitere Aufgaben ausgeben, oder rechtzeitig verlinken, wo passende Aufgaben im Internet zu finden sind.
(5) Schüler aus Baden Württemberg sind sehr gut, Bayern ebenfalls wobei man die wegen unterschiedlichem Stoff in der Mittelstufe nicht vergleichen kann, NRW / Niedersachsen / Hessen sind mittelmäßig, Hamburg hat größten Nachholbedarf. Es ist allgemein ein gewissen Nord-Süd Leistungsgefälle erkennbar.
Zusammenfassend:
Das Unterrichtsniveau muss höher sein, um dem Phänomenen "ein Pferd springt nur so hoch wie es muss" entgegenzuwirken.
Der Hausaufgabenumfang muss steigen, das Niveau kann dafür sinken
Lernzettel ausgeben für Arbeiten