Hallo,
vielen Dank für deinen offenen und differenzierten Beitrag – der schildert wirklich eine außergewöhnliche, aber offenbar auch für dich nicht bedrohlich wirkende Situation.
Ich selbst habe so etwas in der Form nicht erlebt, aber ein paar Gedanken kamen mir beim Lesen:
Zunächst mal finde ich es nachvollziehbar, dass ihr an der Schule die Situation nicht als akut bedrohlich einstuft. Der Ton in den Briefen scheint eher passiv-aggressiv als direkt gefährlich zu sein – eher ein Ventil für persönliche Frustration als eine reale Drohkulisse. Dass du die Briefe eher mit einer gewissen Mischung aus Amüsement und Irritation liest, zeigt ja auch, dass du dich davon nicht emotional vereinnahmen lässt. Das spricht für eine gesunde professionelle Distanz.
Was mich trotzdem hellhörig macht, ist die Hartnäckigkeit: Neun Briefe in vier Monaten, alle anonym, mit persönlichem Bezug – das ist schon eine gewisse Intensität. Auch wenn keine direkten Drohungen ausgesprochen werden, kann das regelmäßige Zusenden solcher Inhalte durchaus unter den Begriff der "stalkingähnlichen Belästigung" fallen – zumindest in einem rechtlichen Graubereich.
Ich persönlich würde dir empfehlen, das Ganze zumindest einmal intern zu dokumentieren und evtl. mit einer Vertrauensperson oder der Schulleitung zu besprechen – falls das nicht schon geschehen ist. Nicht aus Alarmismus, sondern einfach, um einen klaren Überblick zu behalten, falls sich das Ganze weiterentwickelt oder irgendwann doch eine Grenze überschritten wird.
Dass die Briefe eher nach einer psychischen Krise oder einer generellen Lebensunzufriedenheit klingen, sehe ich genauso. Was mich fast etwas traurig stimmt, ist der Eindruck, dass hier jemand ganz offensichtlich mit alten biografischen Bruchstücken ringt – und du (unfreiwillig) zur Projektionsfläche geworden bist. Dass man nach 15 Jahren noch mit dieser Vehemenz auf eine Lehrkraft reagiert, sagt vermutlich mehr über die aktuelle Situation des Schreibenden aus als über deinen damaligen Unterricht.
Eine Anzeige wäre meiner Einschätzung nach aktuell weder nötig noch besonders aussichtsreich – solange keine direkte Bedrohung vorliegt. Aber falls sich der Ton verschärft oder der Kontakt auf andere Kanäle ausgeweitet wird (z. B. private Adresse, E-Mail), könnte es sinnvoll sein, das nochmal neu zu bewerten.
Vergleichbares habe ich wie gesagt nicht erlebt – aber ich glaube, viele Lehrkräfte könnten Geschichten erzählen, in denen sie (teils Jahre später) mit Projektionen oder Vorwürfen konfrontiert wurden, die sie nicht mehr einordnen konnten. Deine gelassene Haltung ist da vermutlich das Beste, was man sich selbst und dem Absender gegenüber bewahren kann.
Ich bin gespannt, ob noch andere ähnliche Erfahrungen teilen – und wünsche dir, dass es entweder irgendwann aufhört oder der Absender doch noch einen besseren Weg findet, mit seinen Themen.