Zitat
Original von ellipirelli1980
Hallo,
eigentlich müsste man für jedes Lehramt und Fächerkombination mal eine Umfrage zur Lehrerausbildung machen. Die Ausbildungsmodalitäten sind ja schon innerhalb eines Bundeslandes so unterschiedlich das man keine pauschalen Aussagen machen kann. Prinzipiell finde ich meine Ausbildung an der Uni eher mangelhaft.
In meiner Studienordnng steht als Ziel geschrieben, dass ich zum selbstständigen Unterrichten befähigt werden soll.
Für meine Ausbildung in den Grundschuldidaktiken Deutsch, Mathe und Englisch kann ich das auch bestätigen. Da uns wirkliche Fachkräfte für Ethik und Sachunterricht fehlen, gibts dort eben nur so etwas wie Pflichtveranstaltungen, die wenig ertragreich sind. Die Ausbildung in Psychologie und Erziehungswissenschaften ist einfach nur peinlich und ein Witz und geht an der Schulwirklichkeit vorbei.
Ich mache grade Staatsexamen und habe mehrfach von Lehrenden gehört: "Sie lernen nur für die Klausur, dannach können sie alles Gelernte vergessen!"
Die Studien- und Prüfungsordnungen klingen toll und sind aber nur eine Illusion. Da werden Scheine, die inhaltlich nichts mit Lehrerausbildung zu tun haben, passend umgeschrieben und damit ist die Uni ihrer Verpflichtung nachgekommen Lehrer auszubilden. Viele Lehrernde kennen die Situation und können nichts dagegen tun, weil schlichtweg finanzielle und personelle Mittel fehlen. Bei uns an der Uni werden Stellen einfach nicht neu besetzt und die Studenten haben dann so tolle 2 Tages Blockseminare, die inhaltlich absolut sinnlos sind.
Elli
Elli, ich bin schon mehrmals über Deine Auslassungen über Praktikas et al. gestossen und ich hoffe wirklich, dass Du in der Realität nicht alles glaubst, was Dir irgendwelche Menschen, mit denen Du kurzzeitig während Deiner Praktika in Berührung kommst, erzählen. Natürlich lernst Du nicht alles nur für "die" Klausur, sondern bist gefordert, die Themen, auf die Du Dich im Rahmen Deiner Prüfungen spezialisieren darfst (!) so herauszusuchen, dass sowohl Wissenschaftlichkeit gegeben als auch von Dir Nutzen darin gesehen wird (und beschränke sich "Nutzen" nur auf "Interesse am Thema"). Wieso gestaltest Du Dir Deine Scheine nicht so, dass Du den Eindruck hast, mehr in die Praxis mitzunehmen? (Die Frage habe ich Dir sinngemäss übrigens schon öfter gestellt, aber eine Antwort hast Du darauf noch nicht gegeben, schade!)
Gerade im deutschen Studiensystem des 1./2. Staatsexamens ist die Freiheit des Studierenden sehr gross. Man muss nur in der Lage sein, diese Freiheit zu erkennen und zu nutzen.
Die Widersprüchlichkeit Deines letzten Absatzes ist grandios: gesetzt den Fall, Eure Lehrende "kennen die Situation" (welche eigentlich?) und sie bieten trotzdem Lehrveranstaltungen an, die meinetwegen auch objektiv betrachtet überflüssig, nutzlos, was weiss ich sind - warum ändern sie den Inhalt ihrer Lehrveranstaltung nicht, wenn bei Euch an der Uni sowieso die Beliebigkeit zu herrschen scheint? Immerhin herrscht an Universitäten die sog. "Freiheit von Lehre (und Forschung", sodass man seine Vorlesungen und Seminare sehr frei gestalten und somit etwas "gegen die Lage" tun kann.
"Man müsste mal Umfragen zur Lehrerausbildung machen" - Elli, bediene mal eine Datenbank (z.B. ERIC) und füttere diese mit passenden Stichwörtern. Da kriegste ganz viele Ergebnisse, mit denen Du Dich nächtelang in Deiner Uni-Bibliothek beschäftigen kannst...
Und tu mir den Gefallen, verbreite bitte nicht diese Ammenmärchen "Man lernt nur für die Prüfung". Jedenfalls nicht als Allgemeingültigkeit.
Zum Artikel:
Ich dachte eigentlich, dass die "Wetterer" gegen das BA/MA-System in Deutschland inzwischen ruhiger geworden wären? Die Kritik der Prüfungszentriertheit bestand ja auch schon zu Zeiten des Systems 1./2. Staatsex. (wird ja durch Ellis Posting wunderbar bestätigt) - dort hat man ja wirklich am Ende und in 4 bis 5 Prüfungen alles gegeben und der Rest war eher egal. Ob man nun eine Hausarbeit nach wissenschaftlichen Kriterien geschrieben hat oder nicht, egal, zum Durchkommen hat es immer irgendwie gereicht. (Dass sich so ein Vorgehen bei der Examensarbeit rächt, zeigt sich ebenfalls hier im Forum.)
"Die" deutsche Lehrerausbildung bekomme ich nicht mehr mit, weil ich zu sehr in der Schweizer Primarlehrerausbildung stecke. Dort erlebe ich das BA/MA-System nach anfänglichen Punktefeilschereien ("Und wenn mein Abstract 12 Seiten hat statt 10, bekomme ich dann 3 Punkte, nicht nur 2? Ich brauche in Ihrem Bereich noch einen Punkt mehr.") als eher positiv: Die Studierenden beschäftigen sich intensiv und mehr als die pro Punkt errechneten Stunden mit einem Thema. Dadurch, dass eine recht grosse Themenfreiheit herrscht (die den einen erdrückt ob ihres Angebots und für den anderen gerade richtig zum "Entfalten" ist), können sie sich so vertiefen, dass es ihrer Ansicht nach "sinnvolle Beschäftigung" ist. Dafür, dass das Thema nicht gegen die Wand geht, bin ich als Dozentin eben eines Seminars/einer Vorlesung mitverantwortlich.
Bei uns an der Hochschule, aber es liegt in der Kompetenz jedes Dozierenden, wird den Studierenden sowieso vorgeschlagen, ihre Themen auch "forschend" zu verfolgen. Dies liegt aber wahrscheinlich auch mit daran, dass es in der Schweizer Primarlehrerausbildung "praktischer" zugeht als in der deutschen: dadurch, dass das Referendariat fehlt, ist die Integration der praktischen Ausbildungsanteile in die 3 BA-Jahre notwendig. Im Prinzip sind die Studierenden 1 Tag / Woche an einer Schule, mindestens aber einen Vormittag. Das, was sie dort erleben und tun, wird in sogenannten "Reflexionsgruppen" vor- und nachbereitet, die im Tandem von einem Hochschuldozenten und einer sog. "Praxislehrkraft" (Lehrperson einer Primarschule) geleitet wird. Je nach Interesse und Neigung der Studies, aber auch werden die Reflexionsgruppen als "nutzlose Labergruppen" oder als sinnvolle Bereicherung des Studiums empfunden. In den Semesterferien sind die Studies auch schwer beschäftigt; neben Blockpraktika müssen sie einmal während des 3-jährigen Studiums einen sog. "Sprachaufenthalt" in einer der 2 anderen Sprachregion des Landes vornehmen (entweder französisch- oder italienischsprachige Schweiz).
Interessant (für mich eine absurde, schwer gewöhnungsbedürftige Vorstellung!) ist, dass die meisten Studies, wenn sie von der PH (Pädagogischen Hochschule) sprechen, nur "Schule" sagen. Das mag daran liegen, dass sie z.T. wirklich wie Schüler behandelt werden: Einschreiblisten mit peinlichen Befragungen (je nach Neigung des Dozenten), wenn Student xy mehr als 2 x gefehlt hat, Erhalt eines vorgefertigten Stundenplans, sie bekommen Hausaufgaben (z.B. Text bearbeiten), die sie auch wirklich erledigen usw. usf.
Semesterferien im deutschen Sinn haben die armen Studies kaum, sie sind wirklich sehr beschäftigt mit dem Anfertigen von Arbeiten, Praktika usw. und haben auch in der Woche eine höhere Arbeitsbelastung (schon durch die tägliche Präsenzzeit von ca. 9 - 16 Uhr) als ich das aus meinem Studium her (Uni Erfurt, 1997 - 2001) kenne.
Dass ein anderes Ausbildungssystem keine besseren Lehrer formt, sieht man gut an den internationalen Vergleichsstudien; die Schweiz schneidet nicht (zumindest nicht signifikant) besser ab als Deutschland.
Ich finde, dass im Artikel verschiedene Ebenen miteinander vermengt werden: für das "Herauskomplimentieren aus Pflichtlehrveranstaltungen" ist nicht der einzelne Professor verantwortlich. Natürlich ist er damit konfrontiert, aber die Anzahl Seminare, die Zulassung usw. usf. sind Angelegenheiten, die in den Gremien der Universität geregelt werden. Dort müssen Zulassungsbeschränkungen durchgeboxt werden, nicht im Hörsaal. Dass ein einzelner Professor "regresspflichtig" wird, halte ich für unwahrscheinlich. Wenn ein Studi gegen die Hochschule aktiv wird, dann wird er die gesamte Uni verklagen, nicht nur Professor xy. Prüfungsordnungen (der Lehramtsstudiengänge) werden meist ebenfalls in der Fakultät ausgearbeitet und mithilfe des Justiziars und dem Gang durch die entsprechenden Untergremien im Senat einer Uni abgenickt. Zu der Zeit, als die Uni Erfurt ihre Studiengänge auf BA/MA umgestellt hat, war ich im Senat als studentische Vertreterin, ausserdem noch im sog. "Ausschuss für Studium und Lehre". Wir hatten manchmal 8-stündige Ausschuss- oder Senatssitzungen, weil so viele Studien- und Prüfungsordnungen zu beanstanden waren, die aus den Fakultäten einfach mangelhaft eingereicht wurden. Prüfungsformen, -inhalte etc. legen diejenigen fest, die eine Prüfungsordnung entwerfen. Wenn man als Professor der Meinung ist, in seinem Fachbereich gäbe es "aberwitzige Prüfungsformen", dann ist es höchste Zeit, die Prüfungsordnungen zu überarbeiten.
Mir ist klar, dass so etwas nur in den Grenzbereich professoraler Tätigkeiten fällt. Was aber ganz klar mehr und mehr in den Kompetenzbereich der Lehrenden fällt, ist die inhaltliche und methodische Ausrichtung von Lehrveranstaltungen. Es erscheint mir daher paradox, weshalb ein Professor *so* einen Artikel verfasst.
LG, das_kaddl.
PS: Ein "Durchschleusen" sind die BA/MA-Studiengänge übrigens nicht. Wir haben zahlreiche Studierende, die nach dem 2. Semester aussteigen müssen und anschliessend schweizweit für Lehramtsstudiengänge der gleichen Zielstufe gesperrt sind, weil sie eine Wiederholungsprüfung nicht bestehen.