Guten Morgen
Ich möchte von meinem Theorieschreibtisch in der Hochschule aus
gern etwas zu IGLU sagen.
IGLU (und wie die anderen Schulleistungsstudien alle heissen) dienen NICHT der Rückmeldung über die Leistungen einzelner Schüler. Sie sind vielmehr Massnahmen des sogenannten "Systemmonitorings" - quasi der obersten Stufe von Evaluation im Bildungswesen. Mithilfe von diesen Schulleistungsstudien soll nicht die Leistung des einzelnen Schülers im Vordergrund stehen, sondern die gesammelten Daten geben Aufschluss über den Stand des Bildungswesens in einem bestimmten Land. Dabei ist IGLU die deutsche Fassung von PIRLS ("Progress in International Reading Literacy Study"), einer Studie, an der u.a. wie bei PISA viele OECD-Staaten teilnehmen.
Daten, die in solchen Schulleistungsstudien gesammelt und ausgewertet werden, eignen sich aus verschiedenen Gründen nicht für Rückmeldungen an Lehrpersonen zum Leistungsstand der eigenen Klasse. Ein Grund ist, dass das Bildungssystem - und nicht der Einzelschüler, die Einzelklasse, die Einzelschule - im Blickpunkt der Studien steht, woraus sich dann die statistischen Berechnungsmethoden ergeben. Diese sind andere als die "diagnostischen Verfahren", die ein Lehrer in seiner Klasse anwendet, um den Stand einzelner Schüler zu überprüfen (z.B. "Hamburger Schreibprobe").
Technisch wäre es natürlich möglich, den Schulen den Datensatz ihrer Schüler zu übermitteln, aber du erhältst dann Daten, mit denen du mit grosser Wahrscheinlichkeit nichts anfangen kannst. Es wimmelt dann nur so von Zahlen wie ".9" und Symbolen wie Sigma, du liest etwas von Kovarianzen und Strukturgleichungsmodellen neben logistischen Regressionen und kriegst F- und t-Werte nach verschiedenen Hypothesentests. Ich bezweifle, dass diese Daten irgendeinem Lehrer als Tendenzen und Hinweise für seine weitere Unterrichtsarbeit nutzen.
IGLU selbst ist nicht so angelegt, dass die Bundesländer Rückmeldungen erhalten, die Daten fliessen in einen gesamtdeutschen Bericht. Es gibt jedoch Bundesländer, die selbst Untersuchungen anschliessen - vielleicht auch deshalb die 180 min Dauer? Übrigens: habt ihr an IGLU oder an IGLU-E teilgenommen? IGLU-E erfasst noch naturwissenschaftliche Bereiche.
"Vorarbeiten" ist für Schulleistungsstudien unnötig bzw. vergeudete Unterrichtszeit. Unter dem Stichwort "teaching to the test" haben sich Dutzende (wenn nicht sogar Hunderte) von Schulleistungsforschern Gedanken über die Konstruktion von Aufgaben gemacht, die eben solche Effekte ausschliessen können.
Die Lehrperson soll deshalb nicht beim Ausfüllen der Bögen "helfen", weil man ja den Ist-Zustand erheben will und nicht den Soll-Zustand.
"Wer den ganzen Kram nachguckt" - das sind Leute wie ich, die an Hochschulen arbeiten und sich "wissenschaftliche Mitarbeiter" nennen
. Bei IGLU ist ein Institut in Hamburg beauftragt, die Daten zu erfassen und aufzubereiten, sodass am Ende Herr Bos, Frau Lankes, Herr Köller & Co. aus den Zahlen Sätze bilden können, welche schliesslich verständlicher als die Zahlen in den Schlussbericht fliessen.
Aussagekräftig ist es schon, weil alle Bundesländer teilnehmen und man eine grosse Schülerzahl hat. Zudem werden bei solchen umfänglichen Untersuchungen sogenannte "Pre-Tests" veranstaltet, deren Ergebnisse Hinweise liefern, inwiefern die Aufgaben überarbeitet werden müssen.
Hier kann man sich übrigens über den Zeitplan inklusive Pre-Test und andere interessante Dinge informieren.
Liebe Grüsse aus der Schweiz (die nicht an PIRLS teilnimmt
)
das_kaddl.
PS: Bezüglich Beschwerden würde ich mich übrigens eher an die KMK wenden, die hat die Teilnahme Deutschlands an IGLU/PIRLS beschlossen.