Schade, dass auf meine Frage ("Was empfinden Lehrer als Karriere") nicht eingegangen wurde, sondern vielmehr wieder die gleichen Diskussionspunkte aufflammen, die schon in xy anderen Threads bis zur Ergebnislosigkeit beackert wurden. (Danke an Wolkenstein!)
Ich finde es falsch, immer alles auf die "praxisfernen Theoriedidaktiker" in den Institutionen der Lehrerbildung zu schieben bzw. zur Lösung allen Übels eine ständige Veränderung der Lehrer(erst)ausbildung zu predigen.
Mit Studium und Referendariat habe ich das deutsche Lehrerbildungssystem, dem Praxisferne vorgeworfen wird, kennengelernt (also sowohl Theorie in der Uni, als auch Praxis im Referendariat). Hier in der Schweiz bin ich an einer Institution der Lehrerbildung beschäftigt. Die Schweizer Primar- und Sek-1-Lehrer wurden bis vor wenigen Jahren an so genannten "Seminaren" ausgebildet, die sehr schulisch, aber sowohl für Studierende (die man "Schüler" nannte) als auch Dozierende sehr familiär angelegt waren. Die steten Rufe nach Professionalisierung und Veränderung der Lehrerbildung schallen jedoch auch in der Schweiz von Tal zu Tal, obwohl sie mit der seminaristischen Lehrerbildung eine - wie in Deutschland stets geforderte - praxisnahe Ausbildung hatten. Nur waren die Zugangsvoraussetzungen zu den Seminaren
: man brauchte keine Matura, sondern ging mit 16 Jahren für 5 Jahre ins Seminar. Danach konnte man entweder Lehrer sein oder mithilfe des Seminarabschlusses etwas anderes studieren (Seminarabschluss als Matura-Ersatz). Das führt jetzt jedoch zu weit.
Also, die praxisnahe Ausbildung hat sich in den diversen Schulvergleichsstudien nicht niedergeschlagen - die Schweiz rangiert in manchen Studien noch unterhalb Deutschlands (bei Gelegenheit editiere ich das Posting und füge Quellen an). Also kanns doch die Praxisnähe allein nicht sein, oder? Das Bild des Lehrers ist in der Schweizer Gesellschaft positiver als das des deutschen Lehrers in der deutschen Gesellschaft. Das kann's also auch nicht sein. Jetzt hat man die Schweiz auf Pädagogische Hochschulen umgestellt, der erste Durchgang hat im Oktober 05 begonnen und die Lehrpersonen, die aus dieser Lehrerbildungseinrichtung hervorgehen, werden sich den gleichen (Vor-)Urteilen gegenüber stehen sehen, die auch in der Wertung der seminaristischen Lehrerbildung angeführt wurden. Ähnlich ist es mit der Einführung der BA/MA-Strukturen in der deutschen Lehrerbildung.
Lehrerbildner an Hochschulen machen sich sehr wohl einen Kopf um die Studierenden. Das erlebe ich in der Schweiz sehr viel deutlicher als in Deutschland: in jeder Institutskonferenz mahnt unser Institutsleiter verschiedene Dozenten ab, die irgendwas Studierendenunfreundliches getan haben (z.B. Abgabe von Hausarbeiten vorverlegt), es gibt für Studierende die Möglichkeit, nach Prüfungen "Rekurs" einzulegen (dafür gibt es Rekurskommissionen) und insgesamt wird der Studierende sehr ernst genommen.
Zu den "praxisfernen Theoriedidaktikern" (ich hoffe, man sieht in mir keinen getroffen-bellenden Hund): welchen Weg gäbe es denn in der Ausbildung zum "idealen Lehrerbildner" in der Vorstellung derjenigen, die stets auf die Theoriedidaktiker der Unis hinweisen?
Lehrerbildung findet nun mal an Hochschulen statt und beinhaltet bestimmte fachwissenschaftliche, fachdidaktische, pädagogische, psychologische Lehrinhalte. Warum muss denn ein Fachwissenschaftler "gestandener" Lehrer sein?
Oder, um die Vorstellungen, die vielleicht auf mein Posting folgen werden, vorwegzunehmen: welcher Lehrer kommt freiwillig aus einem Beamtenstatus mit den bekannten Vorteilen mit den hehren Motiven, jetzt endlich "gute Lehrerbildung" machen zu wollen, freiwillig in eine Uni, schlägt sich dort mit Drei- bzw. einem Fünfjahresvertrag herum und wenn er nicht das Glück hat, dass seine Stelle eine "LfbA"-Stelle (Lehrkraft für besondere Aufgaben) wird, stellt er nach 12 Jahren an der Hochschule fest, dass er seine Zeit, die laut Hochschulrahmengesetz bleibt, bis man einen Lehrstuhl hat (eben 12 Jahre inklusive Diss & Habil bzw. habil-gleiche Leistungen) verdaddelt hat?
Ich finde, dass dieses System zu kompliziert ist, um einfach mal "druff uf die blöden Theoretiker da oben" zu hauen und dass viele systemische Irrungen und Wirrungen in der Diskussion berücksichtigt werden müssten. Im Übrigen würde ich gern das gleiche Recht für die Hochschuldiskussion einfordern, das Lehrer in der Lehrerdiskussion (zu Recht!) fordern: nicht jeder, der früher mal zur Schule gegangen ist, kann dieses System in seiner Gänze bewerten.
Liebe Grüsse
das_kaddl.