Ich habe es im Kern nicht bereut, Lehrer geworden zu sein. Meine Motivation war die Freude an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und das Vermitteln der Inhalte der Fächer, für die ich mich besonders interessierte.
Ich habe zwischendurch zum Teil bereut, Lehrer geworden zu sein, weil ich unterschätzt hatte, wie einen dieser Beruf auffrisst und wie schwierig es ist, gegen die Mechanismen, die dafür verantwortlich sind, anzukämpfen.
Der im direkten Vergleich zu anderen Berufen entscheidende Vorteil unseres Berufs ist, dass man seine eigenen Kinder aufwachsen sieht und verhältnismäßig viel Zeit für sie hat. Darüber hinaus sind Elternzeit, Teilzeit etc. im Vergleich zur freien Wirtschaft deutlich leichter möglich (- zumindest von der formalen Umsetzbarkeit her. Die tatsächliche Umsetzbarkeit vor Ort ist natürlich mitunter eine Katastrophe.)
Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten oder in Zeiten der Rezession ist es für die Psychohygiene ein nicht zu unterschätzender Faktor, dass man sich um sein Einkommen nicht sorgen muss. Letzteres hat mich als Student nachhaltig geprägt, so dass ich auch heute noch immer sehr genau über meine Finanzen Bescheid weiß.
Kommen wir nun zu den entscheidenden Aspekten:
Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastung.
Über beides ist in diesem Forum ja schon sehr, sehr viel geschrieben worden, daher versuche, das Ganze einmal stark zu verdichten und zu vereinfachen:
In unserem Beruf sind wir faktisch selbst für unsere Arbeitszufriedenheit und unsere Arbeitsbelastung verantwortlich - weil es sonst niemand tut.
Dies sorgt dann für eine Vielzahl an "Unwuchten", die sich in der Arbeit der KollegInnen zeigt - sowohl bei den Over- als auch bei den Underachievern.
Und die beiden Faktoren Zufriedenheit und Belastung haben mir zunehmend und schleichend in den letzten 14 Jahren das Leben schwerer gemacht, bis ich zumindest temporär die Reißleine gezogen habe.
Da, wo ich jetzt arbeite, sorgt man aktiv für mehr Arbeitszufriedenheit und für eine weitgehend begrenzte Arbeitsbelastung. (Ich bin selbst in "Stresszeiten" selten bei 50% des Belastungslevels des aktiven Schuldienstes.) Gleitzeit ist einfach geil! Manchmal denke ich darüber nach, alles daran zu setzen, dort zu bleiben.
Noch kurz zur Arbeitszufriedenheit und Arbeitsbelastung:
Wer nicht zufrieden ist oder zu belastet ist, der ist halt selbst schuld. Das ist die Botschaft des "Systems" und es ist die Botschaft, die man auch hier in diesem Forum lesen kann. Richtiger und weniger moralisierend wäre vermutlich: "Wer nicht zufrieden ist oder zu belastet ist, darf nicht darauf hoffen, dass dies von Außen geändert oder verbessert wird." Mit dieser Erkenntnis lässt es sich freilich auch nicht per se besser arbeiten. Aber man gibt sich auch nicht mehr irgendwelchen Illusionen hin.
Ich weiß wohl, dass mich meine jetzige Tätigkeit langfristig nicht glücklich machen würde. Ich vermisse die Arbeit "an der Front", was die Arbeit mit den SchülerInnen angeht, vor allem im musikalischen Bereich. Was ich nicht brauche, sind die gesundheitlichen Einschränkungen, die ich im Zuge der 14 Jahre an der Front entwickelt habe. Was ich nicht brauche, ist "Verwaltungsonanie" (den Begriff habe ich in der Behörde das erste Mal gehört. Er steht für Verwaltungshandeln ob des Verwaltungshandelns). Was ich nicht brauche, ist ein System, das darauf abzielt, durch subtile Maßnahmen hinreichend Druck aufzubauen, dass das Kollegium noch mehr macht - sei es wegen der immer als gefährdet dargestellten Anmeldezahlen oder wegen der strahlenden Kinderaugen. Und wenn ich eins festgestellt habe, dann das: Die Kinderaugen strahlen auch ohne den ganzen Schnickschnack - bzw. sie strahlen auch trotz des Schnickschnacks nicht, wenn ich als Lehrerpersönlichkeit diese Augen nicht zum Strahlen bringe.
Ich kann verstehen, wenn es Menschen gibt, die dem Beruf endgültig den Rücken kehren. Erschreckend daran ist, dass es niemanden im Schulsystem gibt, den das ernsthaft interessiert dergestalt, dass aktiv dagegen etwas unternommen wird.