Das mit dem "Fliegenschiss" habe ich aber übrigens auch anders verstanden, als es immer gerne unterstellt wird. Damit sollte, das denke ich doch, ausgesagt werden, obwohl ich ja die AfD ungern verteidige, dass die deutsche Geschichte, wenn man so will, die "große deutsche Geschichte" aus mehr besteht als aus 12 Jahren Nazidiktatur, nämlich aus weiteren gut 1000 Jahren, wenn wir 919 als Beginn ansetzen (Wahl Heinrichs des Ersten zum König). Ich finde gar nicht, dass damit die 12 Jahre per sé kleingeredet oder verharmlost werden. Das tut die AfD oder das tun manche in der AfD womöglich an anderer Stelle durchaus, aber diese Aussage sagt eben nur, den 12 Jahren - für mich - des schlimmsten Kapitels deutscher Geschichte stehen gut 1000 andere Jahre gegenüber - wobei die natürlich auch nicht immer "Glanzleistungen" waren, nur eben auch sehr viele tolle deutsche Leistungen in Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft enthalten. Das alleine ist für mich noch keine Verharmlosung der Nazi-Diktatur. Ich finde, da wird einfach künstlich eine Aussage verdreht, fehlinterpretiert und aufgebauscht.
Selbst wenn das so gemeint gewesen sein sollte, was ich nicht glaube, dann zeugt das doch von einem merkwürdigem Geschichtsverständnis.
Halten wir mal dagegen: Wo sind denn effektiv die 1.000 Jahre großartiger Geschichte der Deutschen? Was sind denn die "Highlights"?
- der verlorene Investiturstreit sowie die Wahl der römisch-deutschen Könige, die die Zentralmacht bis zum Ende des alten Reichs so schwächte, dass es ca. 750 Jahre später eines französischen Hegemons bedurfte, um da mal aufzuräumen?
- die Reformation und die anschließenden Auseinandersetzungen, bei der im Namen der Religion abertausende Menschen zu Tode kamen?
- der Aufstieg Preußens (und der des Militarismus), dessen Kontinuitäten (aber eben nicht Automatismen) bis 1933 nachwirkten?
- die Überforderung der deutschen Revolutionäre von 1848, die Einheits- und Freiheitsfrage gleichermaßen zufriedenstellend zu lösen?
- die "Erfindung" des Kommunismus und seiner politischen Pervertierung durch die Bolschewisten und, sofern sie sich denn durchgesetzt hätten, durch Luxemburg und Liebknecht?
- und schließlich nach dem "Fliegenschiss" die kollektive Amnesie und der Verweis auf das eigene mitunter zweifellos erfahrene Leid während und unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg?
Fürwahr, wir Deutschen können stolz auf unsere Geschichte sein - auf unseren "langen Weg nach Westen".
Und was meines Erachtens noch schwerer wiegt: Gerade WEIL es so viele "tolle deutsche Leistungen" in Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft gab, lässt sich der Zivilisationsbruch des Volkes der Dichter und Denker noch weniger erklären und wirkt somit noch erschreckender. Adorno sagte einmal sinngemäß, dass das oberste Ziel von Erziehung sei, dass Auschwitz sich nicht wiederhole. Wenn heute in den (a)sozialen Netzwerken wieder die Vergasung von Flüchtlingen oder kriminellen Ausländern gefordert wird, hat die Erziehung offenbar in diesen Fällen versagt.