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Original von klöni
Hallo,
heute hatte ich mal wieder eine weinend-wütende Schülerin nach der Mitteilung der Semesternote zu beschwichtigen. Trotz ausdifferenzierter Kriterienliste und regelmäßigem Feedback während des Semesters wollte die Schülerin die Note nicht einsehen ('nur' eine 2 keine 1).
Ihr schriftlichen Leistungen sind top, so auch die Qualität der Fremdsprache. Auch die Referate sind toll.
In Diskussionen (SEHR heterogener LK) hält sie sich jedoch meistens vornehm zurück und runzelt missbilligend die Stirn sobald sich ein schwächerer Schüler äußert und dabei Fehler macht oder Sachverhalte wiederholt.
Sie kann so natürlich selbst keine neuen Impulse setzen geschweige denn kontinuierlich mitarbeiten, was m.E. für eine 1 schon dazu gehört.
Ihrer Meinung nach werde sie durch die "schlechten Schüler" und ihre "sinnlosen und sich wiederholenden Beiträge" demotiviert.
Ad hoc würde ich sagen, dass die Schülerin eine verzerrte Wahrnehmung von ihrer Leistung hat, vor allem, wenn sie ihre phasenweisen "Aussetzer" durch das Verhalten anderer Schüler begründet.
Andererseits stellt sich die Frage, ob das von Dir beschriebene Verhalten bei Diskussionen nicht eher kopfnotenrelevant wäre und weniger hinsichtlich der Mitarbeit.
Sich hinzustellen und zu behaupten, die schwächeren Schüler würden sie durch ihre Beiträge demotivieren, finde ich schon sehr arrogant und selbstgerecht. Ein wirkliches Argument für ein Anheben der Note ist das nicht.
Ich entnehme Deinen Aussagen ferner, dass die Schülerin schriftlich 1 steht. Die "Semesternote" ist nehme ich an die Halbjahresnote. Wenn die Schülerin schriftlich 1 steht, dann hättest Du sie mündlich deutlich abwerten müssen, um ihr insgesamt eine 2 zu geben. Da stellt sich dann die Frage, ob das wirklich gerechtfertigt ist.
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1. Wie geht ihr mit solchen Schülern um? Wie bewertet ihr solche Leistungen? (meine Kollegen meinen, ich solle konsequent bleiben und mich nicht emotional unter Druck setzen lassen. Die "Altersmilde" komme später.)
Ich sage meinen Schülern, dass ich sie regelmäßig beobachte und mir regelmäßig Notizen mache und sie im Unterricht sich selbst und andere gar nicht so intensiv (und vor allem ständig) wahrnehmen und evaluieren können. Ich bin dann bereit die Note entsprechend zu ändern, wenn die Schüler mich argumentativ auf der Basis ihrer eigenen (!) Leistung überzeugen - und das kommt mitunter durchaus vor.
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2. Wie unterrichtet ihr in äußerst heterogenen Lerngruppen? (Ich habe nicht das Gefühl, dass die Stärkeren von den Schwächeren profitieren können, sondern das Tempo tatsächlich verlangsamt bzw. das Kursklima verschlechtert wird.) Meine Oberstufenkoord. hatte den Vorschlag, ich solle einen zweiten Raum suchen und dann die Gruppe (25 SuS)aufteilen. Ich sehe hier aber nur Mehrarbeit und mehr Stress auf mich zukommen.
Die Theorie, dass die Stärkeren von den Schwächeren profitieren ist meines Erachtens zu einem nicht unerheblichen Teil pädagogisches Geschwätz, das gut klingt, aber in der Praxis nicht immer funktioniert.
Da jeder Schüler um seine eigene Note kämpft, ist er auch nur zu einem bestimmten Maße daran interessiert, sich für andere einzusetzen. Die Stärkeren könnten für gewöhnlich ja nur dann von den Schwächeren profitieren, wenn sie ihnen helfen und dadurch indirekt in eine "Lernen durch Lehrern" Rolle versetzt werden.
Dies verlangt gerade von den Stärkeren ein höheres Maß an Selbstlosigkeit, das einige eben nicht bereit sind aufzubringen, zumal es sich ja auch nicht in der Note bemerkbar macht.
Zwei Gruppen stigmatisiert den Kurs und führt zu Ressentiments zwischen den Starken und den Schwachen - insbesondere die Schwachen dürften sich abgestempelt vorkommen.
Ich habe auch einen sehr heterogenen LK, bei dem ich bei Diskussionen ähnliche Probleme habe. Ich habe phasenweise die guten Leute sich bestimmte Themen selbstständig erarbeiten lassen und eine Zusatzaufgabe gegeben. Die Schüler arbeiteten dann in der Bibliothek, während ich mit den anderen das Thema "normal" erarbeitet habe. Es zeigte sich aber hier, dass dennoch viele Schüler von sich aus nicht mitgearbeitet haben, bzw. dadurch die Schwächeren nicht in dem Sinne stärker wurden. Natürlich hatten sie mehr von der Stunde, weil wir kleinschrittiger vorgegangen sind.
Auf Dauer war das aber auch keine Lösung, weil ich kein Fan von Zweiklassengesellschaften bin.
Bislang habe ich auch noch kein Patentrezept gefunden, denn wenn ein Kurs heterogen ist, dann hängt das ja eben mit der Leistung der Schüler zusammen, auf die ich natürlich Einfluss habe (und auch nehme), aber eben nur bis zu einem gewissen Maße. Wer partout nicht mitarbeiten will (oder kann), dem ist ab einem bestimmten Punkt nicht mehr zu helfen - gerade in der Oberstufe.
Langfristig kann man nur auf gegenseitiges Verständnis auf beiden Seiten hoffen und die Starken hin und wieder mit einem "Zückerli" fordern sowie die Schwachen mit entsprechend gestellten Aufgaben fördern und ihnen das Gefühl geben, dass sie keinesfalls minderwertig sind und auch etwas können.
Gruß
Bolzbold