Das ist natürlich ein Argument. Und man eröffnet ihnen damit Perspektiven, die im Elternhaus nie entstehen würden, das ist klar.
Wenns darum geht, Kindern aus sozial schwachen und vielleicht bildungsfernen Familien Facetten der Welt zu zeigen, die sie nicht von zuhause kennen, ist das sicher eine sinnvolle Sichtweise. Dazu würde für mich aber auch gehören (und wäre kostengünstiger), z.B. kostenlose Schüler-Theaterabos zu verteilen und so die persönlichen Erfahrungsspielräume zu erweitern. Naja, das ist alles ein weites Feld und wirklich Chancengleichheit wird es nie geben.
Mich stört am Thema Klassenfahrten einfach, dass in den letzten Jahren die Ziele immer ferner liegen müssen, die immer höheren Kosten als selbstverständlich angesehen werden und viele Eltern daran wirklich zu knabbern haben, sich aber keine Blöße geben wollen. Ein Punkt ist aber auch, welches Signal wir damit an die Jugendlichen senden: Nämlich dass es völlig normal ist, ans andere Ende der Welt zu fliegen, um etwas Englisch zu lernen; dass man mithalten muss, sonst ist man außen vor.
Das Sprachargument halte ich eh für einen Witz: in zwei Wochen, zumeist in deutscher Gesellschaft deutsch redend, gibt es keinen nenneswerten Sprachzuwachs. Dazu muss man schon sich mutterseelenallein und ohne deutsche Kontakte mindestens X Monate in einem englischsprachigen Land durchwursteln. Und selbst DANN kommt nicht jeder mit dem gleichen Sprachzuwachs zurück. Oft aber mit gut aufgebautem Selbstbewusstsein, was ja auch ein nettes Ziel ist. Nichtsdestotrotz: diese 1-3wöchigen Austausche mit Sprachzuwachs zu begründen ist Augenwischerei.
Neue Eindrücke, Begegnung mit einer "anderen" (naja, in Zeiten der Amerikanisierung ist Amerika sooo anders auch nicht) Kultur, etc - okay. Nix gegen Reisen. Reisen bildet. Je mehr man in einer Reisegruppe aus dem eigenen Land eingebunden ist, desto weniger, das ist inzwischen auch bekannt - aber egal: Spaß macht es auch. Man kann Kontakte knüpfen. Das ist immer gut.
Schulen sollten meines Erachtens nur das anbieten, was sie garantiert allen Schüler irgendwie möglich machen können. Heißt: wenn Austausch oder Studienfahrt, dann gut geplant, mit Ansparplänen und einem sehr großzügigen Förderverein & Sponsoren, guter Beratung zum Thema Unterstützung seitens der Ämter, Hilfe beim Beantragen des Bildungs&Teilhabepakets o.ä., großer Diskretion und Umsicht was die Familien angeht, die dabei Hilfe brauchen, etc etc. Das ist nicht ganz einfach und nicht jeder Kollege/jede Schule reagiert angemessen.
Insgesamt nervt mich dieses höher/weiter/teurer aber auch enorm. Das zeichnet sich nicht nur bei Klassenfahrten ab, sondern auch bei den Abiparties (jetzt wirds ein bisschen OT): müssen die denn jetzt wirklich im Marriott oder Interconti ausgerichtet werden? Unter den Schulen gibt es da einen regelrechten Wettbewerb - was bei einigen Schulen zu absurden Verrenkungen mit Vorfinanzierungsparties führt (das Wort KANNTE ich als Abiturientin gar nicht, und ehrlich, mir wars schnurzegal ob wir in der Aula oder ner miefigen Turnhalle feiern: Hauptsache ne gute Band und alle Freunde haben Abi - und nen Sekt zum Anstoßen...), die die "Abifinanzierungskomittees" (schon DAS Wort wieder!!) eineinhalb Jahre vorher beschäftigen - und den halben Jahrgang gleich mit.
Das nächste Thema wäre das Kleid, das man zum Abiball kaufen "muss" (gab's bei uns auch nicht - was Kurzes, normal Ausgehtaugliches - und gut war's) - das wird auch schon Monate vorher diskutiert und zum Teil "angespart" etc. Meine sarkastischen Bemerkungen, dass ich finde, dass es sich lohnt, das Kleid gleich in Weiß zu kaufen, damit man es wenigstens bei der Hochzeit nochmal tragen kann, werden nur von einigen mit Kopfnicken und Grinsen begegnet, die anderen sind der Meinung, das sei aber doch soooo wichtig, dass das Ganze einen noblen Rahmen und ordentlich Glamour habe. Echt jetzt? Ich dacht immer, es geht beim Abi eher um Inhalte ... also ne gute Band, gute Stimmung, gute Redner, gutes Programm. Bei uns wird der Hype zum Glück von den Kollegen und der SL nicht unterstützt und immer wieder drauf hingewiesen, dass Aula und Schulequipment gerne zur Verfügung stehen, womit man das Geld eher für besseres Programm oder Essen ausgeben kann - und dann heißt es "Aaaaber die XY Schule und die AB Schule feiern im ZZ Hotel oder in der und der tollen Halle...!" Das ist vieeeel trendiger als unsere Cafta/Aula...") *stöhn*. Meist endet es aber wegen nicht ausreichender Vorfinanzierungseffizienz doch in der Aula. Was schlussendlich echt nett ist. Aber der Hype vorher! Muss das sein? Und muss eine Abiturfeier wirklich um die 19.000 Euro kosten (siehe Artikel unten - kein Einzelfall! )?
Das ist kein hessisches Phänomen - ich höre das von Bekannten (und deren Kindern) in allen möglichen Gegenden. Endgültig absurd wird's, wenn nicht immer ganz koschere Anbieter auf den Edel-Abi-Party-Zug aufspringen: http://www.morgenpost.de/berlin/article…n-Abi-Ball.html Etwas ironischer die Süddeutsche: http://www.sueddeutsche.de/karriere/zeugn…teuer-1.1109976
Die Tickets für den Abiball kosten hier in der Gegend so um die 20-40 Euro pro Nase, je nach Schule. Pro Familienmitglied! Das macht mit Mama&Papa&Bruder&Schwester mal locker 100-200 Euronten. Die Kleider kosten oft um die 300. (Die Jungs leihen sich ganz entspannt mal den Anzug vom Vater/großen Bruder). Ich habe nicht selten von Schülerinnen mit großen Familien und kleinen Einkommen gehört, dass sie sich den (eigenen!) Abiball nicht leisten können. Das finde ich sowas von nicht in Ordnung. Und viele (ex-)Schüler sehen das ähnlich: http://www.haefft.de/Forum/index.ph…ad&threadID=643
Man kann halt den Schülern (leider?) auch nicht vorschreiben, wie sie diesen letzten Abend zu feiern gedenken... Ich für meinen Teil sage halt, wie viele Kollegen, meine Meinung dazu und auch, dass ich selbst wenig Lust habe, im Marriott oder Maritim im Abendkleid aufzulaufen... viele Kollegen gehen dann auch ganz konsequent nicht hin. Und viele Kollegen ermutigen SchülerInnen, die nicht der Glamour-Prom Fraktion angehören, ins Abikomittee zu gehen, am besten in höherer Gruppenstärke, um diesem Druck etwas entgegenzusetzen... das scheint aber leider irgendwie schwierig. 
OT off: Und, ganz ehrlich: ich mag Kursfahrten und finde, sie beinhalten (meist) unheimlich viele schöne Momente - aber ich halte sie nicht für die pädagogische Essenz des Schullebens. Vielleicht könnte man sie sinnvoller durch gute kostenfreie/günstige Projekte vor Ort ersetzen.