Interessante Diskussion.
Ich bewege mich (durchaus schwankend) so zwischen den Extrempositionen hier.
Als Personalrätin plädiere ich natürlich dafür, dass die Kollegen nur so wenig wie möglich zeitfressenden Schwachsinn mitmachen - und das ist hier in Hessen immer noch so viel, dass man nur im Idealfalle zu gründlichen Unterrichtsvorbereitungen kommt.
Und natürlich setze ich mich in dieser Funktion auch oft und heftig für das Veheizen von jungen Kollegen, Teilzeitkräften und Referendaren oder ältere Kollegen, die zu pflegende Familienmitglieder haben, ein, und lege mich nicht selten mit denen an, die meinen "da geht noch was.". In Hessen, vielleicht (?) vor allem in Hessen am Gymnasium, geht nix mehr, was Arbeitszeit angeht. Fortbildungszwang, Dokumentationswahn, Materialien für Uplus erschaffen wenn man krank ist, Massen an Förderplänen, selbstverständliches Ausschöpfen der drei Mehrarbeitsstunden, die für den Notfall gedacht sind, chronische Unterbesetzung, Überstunden als Normalfall, Korrekturvorschriften, die die Positivkorrektur noch überholen - hier gibt es bei einigermaßener reiner Pflichterfüllung auch als Nebenfachlehrer nix mehr unter 50 Stunden die Woche (für wie viele werden wir nochmal bezahlt? 41?), außer für die wenigen ganz Abgebrühten, die dann Mehrarbeit für die Kollegen produzieren.
Persönlich reicht mir reine Minimal - Pflichterfüllung aber nicht. Die eingesparten Stunden führten nicht zur Berufszufriedenheit. Ich langweile mich mit dem Miniprogramm.
1. Ich kommuniziere mit und begene den Schülern und (den meisten) Kollegen gerne auch jenseits des Unterrichts. Das belastet mich nicht. Also bleib ich halt noch ein bisschen und rede mit ihnen.
2. Ich bilde mich gerne fort. Wenn die FoBi kein Sprechsteinscheiß ist. Natürlich mache ich das auch nachmittags, wenns denn da angeboten wird. Ich mag in keiner (auch nicht in nichtberuflichen) Hinsicht stagnieren. Ich habe auch ein Lernbedürfnis! Das tausendste Mal die Frage nach Macbeths Schuldigwerden zu diskutieren oder die Geheimnisse des Gerundiums, lastet mich geistig nicht aus.
3. Ich mag meine Arbeit. Auch und gerade die Zusatzarbeit als Beratungslehrerin und Personalrätin und Zuständige für die externen Fremdsprachenzertifikate. Ich bin ihr nicht verfallen, sie ist nicht das einzig Gute in meinem Leben, aber ich mag sie. Und - in Kenntnis der Lage meiner arbeitslosen Akademikerfreunde in anderen Berufen - ich weiß sie zu schätzen! Was ich mag und schätze, möchte ich gerne wenigstens gut machen. Perfekt geht eh nicht in unserem lachhaften System, aber gut wär schon wichtig. Das kriege ich im Moment auch noch ganz akzeptabel hin. Melden mir Schüler und Eltern.
4. Ich habe ein Privatleben. Etwas knapper als bei den meisten Arbeitnehmern, die ich kenne - aber auch nicht nicht-existent. Und dieses pflege und hege ich.
Sprich: Meiner Meinung nach ist es wichtig zu versuchen, den Dreh zu finden zwischen "bloßem Übrleben im Job" und "die Welt an 24 Stunden am Tag zu retten versuchen und dabei sang- und klanglos unterzehen".
Keine Schulentwicklungsarbeit zu übernehmen, weil das ja "Zusatz" ist, heißt eben auch keine neuen und spannenden Aufgaben zu haben, nix außer den ausgetretenen Pfaden zu sehen. Schnarch!
JEDEN angebotenen Job zu übernehmen, heißt, jeden der zu vielen Jobs schlecht zu machen. Darüber müssen sich die hyperengagierten auch klar sein - viel ist nicht gleich viel gut!
"Seine" Nische zu finden, den Beitrag gut zu leisten, den man auch wirklich leisten kann, ist der Trick. Es langsam angehen lassen. Nicht gleich am Anfang in die Steuergruppen hüpfen! Die Balance zwischen Belastung (ja, ich kann schaffen, wie ein Ackergaul) und Entspannung zu finden (ich kann ebenso intensiv alle 5e Gerade sein lassen, wenn ich merke, es muss sein) ist wichtig. Jobs annehmen, sie in harten Zeiten aber auch wieder abgeben können muss gelernt werden. Andere zur Mitarbeit motivieren. Abgeben, delegieren können. Unter den hyperengagierten Kollegen gibt es ja auch immer wieder die "Alles, was ich nicht selber mache, wird nix !"-Größenwahnsinnigen. Ich habe mal selber dazugehört, da war ich aber noch anderweitig beruflich tätig.
Prioritäten setzen: Gute Beratungsgespräche mit Schülern führen ist wichtiger als noch einen noch eleganteren Begriff in der Positivklausur zu finden. Wenn die Schüler einem als Mensch und Lehrer vertrauen, und man generell meist gute Arbeit macht, verzeihen sie einem eher auch mal schlappe Stunden, wenn halt mal nix mehr geht. Also geht Gesamtqualität vor Detailverliebtheit. Nehm ich halt den zweitbesten Text, den bring ich aber mit Begeisterung an!
Ich bin seit 9 Jahren dabei: habe 2 Korrekturfächer, habe fast nur Oberstufe und fast nur LKs - ich bin Tutorin, Klassenlehrerin, PR und Beratungslehrer und biete Cambridge Advanced Kurse an: und ich arbeite nicht mehr, wie in den ersten 2 Jahren, 60 - 70 Stunden/Wo. Auch nicht nur 40 und eher immer noch zu viel - aber doch so, dass ich meinen Mann noch erkenne, wenn er die Treppe runterkommt und meine Eltern und Freunde regelmäßig sehe. Und ich weiß auch, wie ein Kino von innen aussieht und ein Theater und ich mache Sport...
Vielleicht liegt's daran, dass ich einige Jahre selbstständig war. Organistaion IST wichtig - das hab ich da gelernt. Und vielleicht ist das Vetrauen darin, dass jeder diese Balance finden kann, auch wichtig. Ich halte aber, gerade aus PR-Sicht, nix davon, Kollegen, die komplett am Rad drehen, vorzuwerfen, sie seien unfähig sich zu organisieren. Das ist unfair. Die ersten Jahre sind brutal hart. Und danach muss man sehr hart um diese Balance kämpfen. Und manche von uns sind langsamer und manche sind schneller - wie bei den Menschen eben. Wir sind nicht alle gleich begabt. Und vor allem: nicht alle haben die Bedingungen, das auch erfolgreich zu tun (i.e. die Balance zu finden). All denen muss man helfen und sie nicht runtermachen. Ich bin für ganz starke Netzwerke in der Schule!!! Wir in der OS koordinieren unsere Arbeit sehr eng. Bis hin zu den Einzeltexten, Tests, Erwartungshorizonten, Abitraining, Methodentage, etc. Wir planen gemeisnam, wir teilen Material, wir trösten und wir nehmen auch mal Korrekturen ab, wenn nix mehr geht.
Das kenne ich aus der Mittelstufe, in die ich abgeordnet bin, anders: da behindert man sich eher gegenseitig und kaum einer lässt sich in die Karten schauen. Die Arbeit ist langsam und zäh - und oft führen koordinative Unfälle zur Mehrarbeit. Das Rad wird täglich neu erfunden. Zum Glück bin ich da nur noch mit 6 Stunden:
Der Unterschied in der Arbeitseffizienz und auch Qualität ist massiv. Massiv!
Daher plädiere ich immer wieder dafür, sich unter den Kollegen zu stützen, für Koordination, für Teamarbeit, Materialpools, Think-Tanks und auch soziale Netzwerke. Ja, ich weiß, dass wir dann die paar Faulen mitbedienen und die davon profitieren. So what. Denen gratuliert aber trotzdem keiner zum Geburtstag!
Liebe Grüße
Meike