Klar können IS Terroristen mit dem Flüchtlingsstrom kommen. Sie können aber auch - wie sie es schon früher getan haben - auf jedem anderen Weg und mit jedem anderen Grund kommen: Flugzeug, Bahn, Urlaub, Job. Meist sind sie eh Inländer. Meist haben sie den französischen, britischen, XXX Pass und werden über internet/handy von den Planern im Ausland ferngesteuert. Das können wir eh nicht verhindern. Außer die inländische Radikalisierung zu verhindern - auch hier gilt übrigens der ganze "sofortige Ausweisung!"squark meist nicht, denn wie gesagt: es handelt sich überwiegend um Inländer mit Staatsbürgerschaft. Die sind da. Und die bleiben. Um die müssen wir uns selber kümmern.
Wir können uns jetzt überlegen, was das konkret über die Flüchtlinge heißt: nehmen wir mal an, wir wollten wirklich 1 Million Menschen Unrecht tun, um 2-5 terroristische Täter draußen zu halten: wir lassen also keinen einzigen Flüchtling mehr rein.
Okay. Wie geht das konkret? Es stehen jeden Tag 1000X vor der Grenze. Sie wollen verzweifelt rein. Mit allen Mitteln. Wir wollen sie nicht reinlassen.
Das geht realistisch nur durch einen meterhohen Zaun von DDR-Qualität und Schusswaffen (und selbst da sind einzelne rausgekommen, weil sie es so dringend wollten...ihr wisst es ja).
Und durch Ersaufenlassen.
Dann sitzen die, die nicht ersoffen sind, vor dem Zaun. Jeden Tag 100-1000 mehr. Und dann? Warten, bis die Menge verhungert ist? Ins Meer fahren und auskippen? Beschießen? Rücktransporte mit eigenen Schiffen? Wohin genau? Und dann kommen die nicht direkt wieder, oder was? Diesen Fluchtursachen bekämpfen - Scheiß kann ich auch nicht mehr hören. Wie genau? Die kloppen sich da seit Jahrzehnten. Und wir stellen das nächste Woche ab? Not going to happen, sorry.
Jenseits von lückenlosen, soldatenbemannten Zaungrenzen um die 117.000 km und Schusswilligkeit auf Tausende gibt es wohl kaum Mittel und Wege, diejenigen vom Kommen abzuhalten, die unbedingt kommen wollen. Und selbst da zweifele ich an der konkreten Umsetzbarkeit.
Aus der sicheren Verwöhngesellschaft Deutschland, wo echte Not (kommt mir jetzt bloß nicht mit den Obdachlosen, die über Jahrzehnte keine Sau interessiert haben und erst dann herhalten müssen, wenn es gegen Flüchtlinge geht!) - ganz besonders unter den meist verbeamteten Lehrern - nicht eine Erfahrung ist, die man selbst schon gemacht hat, ist der Leidensdruck der Flüchtlinge nur eine sehr theoretische Vorstellung. Und damit auch die Idee, man könne irgendwie "Grenzen dicht" machen oder die Millionen, die vor Terror und Krieg fliehen, mit irgendwelchen Registrierungsspäßchen aufhalten. Die USA kriegen nicht mal die Mexikaner aufgehalten, die "nur" aus Armut kommen, und die haben den Zaun und die Schusswaffen. Der Druck ist bei Kriegsflüchtlingen noch erheblich höher als bei denen.
Also, ich frage mich immer: was soll das Grenzen dicht - Gejammer. Sie werden kommen. So oder so.
Ja, ich habe auch Sorge, dass wir die nicht alle (so wie wir's gerne hätten) integriert bekommen. Ich bin absolut kein Fan des Bahnhofs-Applaus-Gedöns, der eher ein Ausdruck einer Event-Feelgood-Mentalität ist, die schnell verrauscht. Ich bin vor allem kein Fan des Islam, und zwar auch des friedlichen nicht, weil ich kein Fan irgendeiner organisierten Religion bin und diese schon immer für eine super Grundlage für radikale oder steinzeitkonservative oder fortschrittverneinende Argumentationsketten halte (nein-nicht-jeder-denkt-so-aber-die,-die-es-tun-halten-ihr-jeweiliges-Buch-für-die-absolute-heilige-Grundlage-und-das-ist-gefährlich), außerdem für patriarchalische Männerbünde in den Führungsebenen. Darauf hab ich echt keinen Bock.
Aber: was ist denn das einzige (!!) Rezept gegen nicht-Intergration?
Freundlichkeit, Aufnahme, Angebote, Perspektiven. Und das ist so logisch, dass ich immer fassunglos dastehe, wenn ich irgendwelche Hirnis faseln höre, man müsste die deutschen Grundwerte (whatever the heck that might be - die der Rechtsaußen-Christenfraktion sind denen der Salafisten doch verdächtig ähnlich!) "mit größter Strenge einfordern".
Is klar. Durch strenges Einfordern (wie soll das gehen? Sie bekommen das Grundgesetz auf arabisch und ändern direkt am selben Tag ihre verwurzelten Einstellungen??) lassen sich Menschen von ihrer 20-30-40 Jahre gelebten und gelernten Weltanschauung nicht abbringen.
So blöd kann man eigentlich nicht sein, dass man das glaubt, dass das ohne Arbeit und Geld und Einsatz und Zuwendung und Geduld abgeht - sondern "mit größter Strenge" fix zu regeln ist.
Wenn man will, dass Menschen auf Dauer westlich, modern, offen und liberal denken, muss man zuerst mit ihnen sprechen: regelmäßig, oft, dauernd, freundlich, offen, liberal. Freunde werden, mit ihnen zusammen die westliche Welt in ihren positiven Seiten (er)leben. Zeigen, welche Chancen das birgt. Erklären. Werben. Die Chancen auch anbieten: Bildung, Sprache, Zugang zu Jobs, Zugang vor allem zu Menschen mit den besagten westlichen, liberalen Werten. Gilt auch für unsere Nazis in spe, by the way.
Ich selbst gebe Flüchtlingsunterricht. Ich unterhalte mich jenseits der deutschen Grammatik über alles Mögliche. Meine Freizeit (gehe als Frau alleine im Wald Laufen, Radfahren - für viele unvorstellbar), meine Ehe (50% alles: geteilte Verantwortung, geteiltes Leid, geteilte Mitbestimmung, geteilte Freude => für uns Ehekrisenfreiheit seit 15 Jahren), über meine Freunde und Freiheiten, Stellenwert meiner Arbeit, Vorstellung von Selbstbestimmung und Glück, aber auch Vorstellung von Pflichten und Prinzipien und Gebenwollen. Und stoße immer wieder erst auf Erstaunen und dann auf Reaktionen wie "Eigentlich stimmt das. So habe ich das nie gesehen". Immer öfter auch "Das will ich auch so haben/machen". Und ich stoße auf große Verwunderung, dass eine Atheistin solche festen Prinzipien hat und ein hohes Maß an Gebenwollen. Das wussten die nicht. So wird das dort oft nicht gelehrt. Das beeindruckt die. Es wird umgelernt. Bei jedem Gespräch. Genauso geht es mir übrigens: ich entdecke ganz vieles, das mir nicht bekannt war. Ich lerne. Und höre von vielem, das mich bescheidener und dankbarer werden lässt.
Integration geht nicht über "Verlangen". Vor der Forderung nach Anpassung muss die Möglichkeit dazu eröffnet werden. Und dazu gehört, dass ich niemanden nur belehre, ihm arabische übersetzte Grundgesetze vor die Nase halte, zack, fäddich. Dazu gehört, dass ich erst sein/ihr Vertrauen gewinne und dann zeige, wie es (auch) gehen kann. Und hoffe, dass unser Modell attraktiv genug ist. Was es ist, davon bin ich überzeugt. Und das erlebe ich auch täglich.
Wenn Menschen da hin gebracht werden: dass sie eingebunden sind, einen Grad der Zufriedenheit haben, Respekt und Sicherheit und eine Perspektive haben und das alternative Modell nicht als aufgezwungen, sondern als attraktiv erleben - dann radikalisieren sich auch weniger. Auf der Seite der Salafisten wie auf der Seite der Nazis.
Und die wenigen Psychopathen, die, die sich radikalisieren, weil sie einen Empathiemangel-Hirnschaden haben, Sadisten oder andere machtgeile kranke Irre sind, die hält kein Zaun ab. Kein Angebot, keine Zuwendung, gar nix.
Wenn die Anschläge verüben gilt das, was dieser sehr schöne Artikel sagt:
Zitat
New Yorkers learned after 9/11 that one of the most dangerous consequences of terrorism is the autoimmunity that sets in, as the organism, instead of turning upon the evil invader, turns on itself. (...) But there is also a will in France, familiar to New Yorkers, not to be annihilated, not to be turned by terrorism into a citizenry that can no longer recognize itself. New Yorkers learned that you can live your lives or your fears, and that it is always wiser to live your lives. http://www.newyorker.com/news/news-desk…trikes-in-paris