Ich möchte, nachdem ich mich nun 30 Seiten rausgehalten habe, diese Zeilen mal als Aufhänger nehmen. Ihnen haftet ein wichtiger Denkfehler an.
Bevor ich das tue, möchte ich aber mal auf die persönliche Ebene gehen. Ich bin männlich, heterosexuell und lebe mit Frau und 3 Kindern in klassischen kleinfamiliären Strukturen. Ich habe kein Problem mit Homosexualität, solange ich sie nicht leben muss. Die Vorstellung, mit einem Mann sexuell motivierte Zärtlichkeiten auszutauschen wirkt bei mir gelinde gesagt eher wie kuschelweich, denn wie Viagra. Das geht wahrscheinlich vielen Leuten so und sollte für niemanden ein Problem darstellen. Gefährlich wird so etwas nur, wenn man dieses persönliche Befremden auf eine allgemeine Ebene bringt, zum Beispiel so (Achtung Übertreibung und nicht meine Meinung): was ich für mich nicht will, ist nicht normal, es ist krankhaft, eklig und die Leute, die sowas machen sind so widerlich wie mein Kopfkino. Dann sind Diskriminierung und Respektlosigkeit vorprogrammiert.
Spätestens wenn man Respekt vor anderen Menschen, Diskriminierung, das Vermeiden von verletzten Gefühlen und dergleichen mehr in den Blick nimmt und über eine liberale - manche sprechen von einer großzügigen - Gesinnung hinausgeht, ist jede Diskussion hinfällig. Es gibt nur noch eine richtige, weil den Menschen wertschätzende Meinung.
1. Homosexualität ist weder besser noch schlechter als Heterosexualität, es gibt sie einfach. Sie ist weniger häufig als eine sexuelle Orientierung auf das andere Geschlecht, aber das macht sie nur zahlenmäßig unterlegen.
2. Weil alles, was weniger häufig als anderes auftritt als Ausnahmefall und dann von Einigen als jenseits der Norm empfunden wird, ist es nötig, dass man es als normal darstellt, damit zukünftige Generationen vor dem Menschen Wertschätzung zeigen, unabhängig davon, ob er auf Männlein oder Weiblein steht.
3. Aufgrund meiner sexuellen Orientierung möchte ich nicht diskriminiert werden, auch wenn die Wahrscheinlichkeit für einen Heteromann wie mich dabei eher im homöopathischen Bereich liegt. Ich möchte als Person nicht wegen meiner sexuellen Orientierung auf dem Prüfstand stehen, das ist für mich eine Frage der Menschenwürde und des Respekts vor meiner Person. Warum sollte dies bei einem homosexuellen Mann anders sein?
4. Die meisten Homosexuellen die ich kenne, wünschen sich eigentlich, dass man ihre sexuelle Orientierung unaufgeregt zur Kenntnis nimmt, wenn halt mal das Gespräch auf dieses Thema kommt. Man kann sich das ungefähr so vorstellen, wie bei Vorlieben und Abneigungen von Lebensmitteln: "Ich esse keine Tomaten." - "Ok, dann mache ich den Salat halt ohne sie. Gurken magst Du?"
5. Die Häufung von Homosexualität als Thema im Unterricht ist ambivalent zu sehen. Einerseits sind homosexuelle Partnerschaften in unserer Gesellschaft normal, also haben sie auch jede Daseinsberechtigung in Schulbüchern. Wäre dies nicht so, würde ihr Weglassen streng genommen schon eine Diskriminierung darstellen. Andererseits können Kinder mit Schwul sein noch nichts anfangen. Hierbei ist die spannende Frage, ob sie dann eine Familie mit zwei Vätern in einem Schulbuch als normal ansehen und einfach ihren Horizont dadurch erweitern, dass sie eine weitere Spielart des Zusammenlebens kennen lernen oder ob es sie verwirrt. Also Vater von drei Kindern und nach 10 Jahren im Lehrerberuf ist meine persönliche Einschätzung ersteres.
Für Jugendliche gelten geringfügig andere Spielregeln: in jeder Klasse sitzen ein paar Schüler, die homosexuell sind (bei einer Klasse von 30 Kids und einer Normalverteilung von 10%, sind das 3 Kinder pro Klasse!). Diese merken, dass sie irgendwie anders sind. Zum Beispiel so: Wo ihre Kumpels sich hinter vorgehaltener Hand über die Brüste von Klassenkameradinnen austauschen, können sie (bleiben wir mal bei Jungs...) mit der Relevanz des Themas nichts anfangen. Dafür machen sie andere Beobachtungen beim gleichen Geschlecht und finden diese genauso spannend wie ihre Kumpels die oben erwähnten Brüste. Das verunsichert sie. Sie fühlen sich nicht normal. Welches Signal brauchen sie dann um glücklich zu werden? Eindeutige Antwort: ein positives! Egal ob Du auf Männlein oder Weiblein stehst, ich nehme Dich so an wie Du bist, ich mache keine Witze über Deine sexuelle Orientierung, ich zettele keine sinnlosen Diskussionen darüber an, ob Homosexualität erwünscht ist, oder ob sie besser oder schlechter als Heterosexualität ist. Ich bediene mich nicht den in anderen Beiträgen beschriebenen rhetorischen Mitteln des Ausgrenzens, sondern ich nehme diese jungen Menschen genauso an, wie alle anderen auch. Ich habe Respekt vor den Menschen, die ich vor mir habe. Menschenwürde ist nicht nur eine Worthülse aus Sonntagsreden von Politikern, sondern Handlungsmaxime!
6. Jeder möchte glücklich werden, jeder möchte seine sexuelle Orientierung so ausleben, dass es ihm gut geht. Das einzige, was Homosexuelle heutzutage daran hindert, ist die Intoleranz (und damit ist immer noch nicht gemeint, dass man Homosexualität lobpreisen soll!!!!!) stark konservativ geprägter Leute, die aus welchen Gründen auch immer die Differenzierung zwischen eigenem Befremden und dem Leben außerhalb ihres Kopfkino nicht auf die Kette kriegen.
Der Denkfehler von Claudius besteht also darin, dass er denkt, dass seine Meinung noch durch das Grundgesetz gedeckelt ist. Es gibt kein Pro-Con an dieser Stelle, es gibt keine sinnvolle Diskussion, es gibt nur die Erkenntnis, dass man, wenn man Art. 1 GG ernst nimmt, so nicht argumentieren darf, Meinungsfreiheit hin oder her.