Den Artikel habe ich auch mit sehr gemischten Gefühlen gelesen. Einerseits denke ich natürlich auch, dass man Kinder mit einer Rechenschwäche früh und gezielt fördern sollte. Und sicher ist es toll, wenn in diese Richtung geforscht wird und überlegt wird, auf welchen Wegen man Grundlagenkenntnisse vermitteln kann. Und ich glaube auch, dass Schule da ganz viel kaputtmachen kann. Ist das Mathetrauma erst mal da, dann ist das offenbar nicht mehr zu reparieren.
Andererseits bringt es mich immer wieder in Rage, wenn mathematische Grundkenntnisse als irgendwie entbehrlich angesehen werden und die Mathelehrer als Monster erscheinen, die völlig überzogene Ansprüche stellen. Wie kommen nur Jugendliche mit einer Beton-5 in Mathe dazu, einen Schwerpunkt auf Technik oder Wirtschaft legen zu wollen? Wird man diskriminiert, wenn man mit einer 5 in Mathe für ein Medizinstudium nicht zugelassen wird? Oder geschieht das nicht eher zum Wohl der Menschheit? Die Koketterie, mit der Leute sich schmücken, die in Mathe "ja immer schlecht" waren, ist noch lange nicht ausgestorben. Und das in einer Welt, die immer mehr am Tropf der Mathematik hängt - keine politische Entscheidung lässt sich ohne Aein qualifiziertes Interpretieren von Zahlen fällen.
Der Vergleich mit Musik hinkt überhaupt nicht. Die Note in einem Fach spiegelt einerseits Fleiß und Disziplin - aber eben auch Talent. Das gilt für alle Fächer. Wenn jemand z. B. kein räumliches Sehen hat, was sich ja auch ärztlicherseits attestieren ließe, ist er in Sport und auch in Kunst definitiv benachteiligt. Soll man da jetzt auch die Note streichen? Ist so jemand benachteiligt, weil er vom Pilotenberuf ausgeschlossen wird und nicht mal Taxifahrer werden kann? Ist es nicht überhaupt schrecklich ungerecht, dass manche stinkfaulen Schüler auf Grund ihrer schnellen Auffassungsgabe bessere Noten bekommen als andere, die sich furchtbar anstrengen, ohne jemals auf einen grünen Zweig zu kommen?
Ich finde es schwierig, und ich finde es auch schwierig, bei dem Thema nicht zynisch zu werden.