So aus der Ferne läßt sich wohl keine Diagnose à la "Nimm auf jeden Fall Französisch!" oder "Wähle auf jeden Fall Latein!"abgegeben.
Ich mache jedes Jahr für die fünften Klassen Schnupperstunden in Französisch (die Lateinkollegen tun dies natürlich auch in ihrem Fach) und da kommt auch immer wieder die Fragen: "Was ist denn leichter?", "Warum soll ich denn Französisch wählen? Ich will ja schließlich mal Arzt werden..."
Ich denke, dass das Berufsargument das schwächste unter allen ist, denn woher soll das Kind jetzt schon wissen, was es später wirklich machne wird? Die Tatsache, dass das Latinum in manchen Fächern gebraucht wird läßt sich ebenso anführen wie die Tatsache, dass man in der Zeitung in vielen Stellenanzeigen die Forderung nach 2 modernen Fremdsprachen findet.
Für mich würde viel mehr im Vordergrund stehen, wie das Kind derzeit mit der ersten Fremdsprache zurecht kommt. Hat es Spaß am Kommunizieren, am Briefe Schreiben, an Rollenspielen, an Liedern, etc. dann ist eher zu Französisch zu raten. Der moderne Französischunterricht ist genauso wie der Englischunterricht aufgebaut und auf Kommunikation in der Fremdsprache ausgerichtet. Die Vorgehensweise ist fast identisch.
Sollte das Kind eben genau an diesen Dingen keinen Spaß haben und eher in Richtung "Kulturfach" denn "Sprachfach" tendieren, ist wohl Latein die bessere Wahl.
Wohin der Weg später genau geht, liegt am Lehrplan des Bundeslandes. Aber tendenziell kommen nach dem Erwerb der Grundfertigkeiten in der Sprache immer mehr auch authentische Materialien zum Einsatz und das kompetente, eigenständige Nutzen der Sprache kommt mehr zum Tragen. Dies kann in den höheren Jahrgängen mit Lektüren (Romane, Kukrzgeschichten, Gedichte...) und der Auseinandersetzung mit (aktuellen) Sachthemen geschehen (Zeitungsartikel, Filme, Lieder...).
Die Englischlektüren, die Du angesprochen hast, zählen ja eher zum traditionellen Lektürekanon. Den gibt es natürlich auch im Französischunterricht, da im Lehrplan auch die Lektüre von Texten aus verschiedenen Epochen verlangt wird. Daneben gibt es aber auch ständig neues, aktuelles "Futter" aus Frankreich, das ich meinen Schülern auch gerne zum Lesen gebe. Immerhin handelt es sich um eine moderne Fremdsprache und da kann ich nicht nur mit Molière und Voltaire kommen.