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kleiner gruener frosch schrieb
Alterhase Der Hintergrund für diese "Kontrolle" ist eher, dass der Schulleiter kontrollieren will / muss [...]
Seine Aufgabe ist m.E. wesentlich komplexer als das bloße Kontrollieren von hochqualifizierten Mitarbeitern. Vielmehr hat er sich über deren Tätigkeit zu informieren und ggf. mit ihnen über seine Beobachtungen zu sprechen. Sagt jedenfalls die ADO:
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§ 22 Verantwortung für die Bildungsarbeit
(2) Die Schulleiterin oder der Schulleiter soll sich über die Arbeit in der Schule durch Einsicht in die Unterlagen der Klassen und Kurse einschließlich der Arbeiten zur Leistungsfeststellung, aber auch durch Unterrichtsbesuche informieren und deren Ergebnis anschließend mit den Betroffenen erörtern.
Vergleichbarkeit, Einheitlichkeit und Herstellung von Transparenz im Sinne der Schüler lagen im geschilderten Fall offenbar aber offenbar überhaupt nicht im Fokus des Interesses, sondern halt lediglich die verspätete Rückgabe der Klassenarbeiten. Hier noch einmal die entsprechende Verwaltungsvorschrift zu § 6 APO S I:
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6.1.2 Schriftliche Klassenarbeiten werden soweit wie möglich gleichmäßig auf die Schulhalbjahre verteilt, vorher rechtzeitig angekündigt, innerhalb von drei Wochen korrigiert, benotet, zurückgegeben und besprochen. Sie werden den Schülerinnen und Schülern zur Information der Eltern mit nach Hause gegeben. Erst danach darf in demselben Fach eine neue Klassenarbeit geschrieben werden.
Unterstellt man einen Konsens in der Frage, dass die Bestimmung aus der Regelung "Soweit wie möglich" selbstverständlich nicht in der Weise zu verstehen ist, dass hier nach eigenem Gutdünken des Lehrers der genannte Zeitraum ohne einen nachvollziehbaren Grund verlängert werden darf, müsste ein Schulleiter natürlich auch die Gründe erörtern, warum eine Rückgabe innerhalb der genannten Frist eben nicht möglich war. Aber nicht nur das. Gemeinsam sind natürlich auch Überlegungen anzustellen, wie hier künftig für Abhilfe gesorgt werden kann, und zwar auch mit Hilfe des Schulleiters (z.B. Koordinierung der Terminierung der Klassenarbeiten entsprechend ihrer Anzahl und Dauer im Hinblick auf die beteiligten Kollegen, Entlastung bei Korrekturspitzen etc.).
Ein Ergebnis könnte je nach personeller Besetzung der Schule allerdings auch darin bestehen, dass Schüler tatsächlich länger auf die Rückgabe warten müssen, weil eine richtlinienkonforme Rückgabe im Hinblick auf die zeitliche Vorgabe tatsächlich nicht möglich ist. Das passt dann u.U. aber auch zu der lückenhaften und von den Vorgaben der APO ebenfalls abweichenden Stundentafel und der Nichterteilung bestimmter Fächer, mit der beispielsweise seit Jahren in meiner Schule Unterricht erteilt wird.
Insofern sind die Wahrnehmung der Aufgaben eines Schulleiters komplexer und anspruchsvoller als sie der beschriebene SL erfüllt, insbesondere im Bereich Personalführung. Für die bloße Kontrolle eines Laufzettels, auf dem er versäumte Fristen abliest, ist ein Schulleiter sicherlich nicht nötig, mindestens aber überbezahlt.
Im Übrigen halte ich weder die Totalerhebung sämtlicher Klassenarbeiten einer Schule noch die beschriebene "Zettellösung" mit Angabe lediglich des Themas der Arbeit und des Notendurchschnittes dafür geeignet, pädagogische Ziele im Hinblick auf die Vergleichbarkeit der gestellten Klassenarbeiten zu erreichen. Inwiefern sich der SL die vorgelegten Klassenarbeiten überhaupt angesehen hat, kann wohl bezweifelt werden. Im Falle einer gut gefüllten Gesamtschule kämen allein in den Kernfächern innerhalb eines kurzen Zeitraumes etwa 500 bis 600 Arbeiten zusammen, die er irgendwie begutachten müsste, plus des beigefügten Anhangs.
Das macht natürlich kein Schulleiter, insofern stellen die beiden dargestellten Lösungen m.E. lediglich dar, wie man die Verantwortung für die Bildungsarbeit an einer Schule lediglich simulieren kann.
Etwas OT:
"Alter Hase" beschreibt m.E. die von ihm vermuteten Vorgaben durch die Bezirksregierung als Ursache für das Schulleiterhandeln durchaus nachvollziehbar, allerdings hat das mit ´Stasi 2.0´ nichts zu tun. Vielmehr habe ich den Eindruck, dass hier noch verwaltungsinterne Vorgaben der Vorgängerregierung wirksam sind, die insbesondere darauf abzielten, dass Schulleiter ihre Dienstvorgesetztenfunktion nachdrücklich wahrnehmen, auch wenn ihnen manche Instrumente hierfür offiziell überhaupt noch nicht übertragen waren. Neben der hier erörterten Problematik von Klassenarbeiten umfassten die Vorgaben auch die Präsenzpflicht in der letzten Ferienwoche der Sommerferien, die Reglementierung jeglicher Veranstaltung, die zu Unterrichtsausfall führen könnte (Elternsprechtag, Betriebsausflug, Fortbildung etc., die Einführung von Bereitschaftsstunden). In all diesen Fragen sind mittlerweile aber durchaus Veränderungen im Sinne von Aufweichungen zu erkennen.
Eine möglicherweise weitergehende Änderung ist in jüngster Zeit zu beobachten:
Zu Beginn dieses Schuljahres sollten in NRW eigentlich sämtliche Schulen, die noch keinen Beschluss zur Übertragung der Dienstvorgesetztenfunktion auf den Schulleiter beantragt und dementsprechend selbstständige Schule geworden waren, kraft Gesetz auch ohne einen solchen ausdrücklichen Antrag zu einer selbständigen Schule mutieren. Aus meiner Sicht offenbar weitgehend unbemerkt wurde diese Frist stillschweigend um ein Jahr verlängert, weil sich die Schuleiter/Innen hierzu noch nicht fit genug fühlten, trotz zahlreicher Schulungen. Ein etwa zehnjähriger Schulversuch würde dadurch scheitern. Aus meiner Sicht auch zurecht.
Mein Tipp: In einem Jahr wird das Projekt "Selbstständige Schule" in NRW endgültig begraben, weil keine Schule mehr einen entsprechenden Antrag stellen wird. Offenbar bestehen seitens der Schulleitungen auch überhaupt keinerlei Ambitionen mehr, einen solchen Status überhaupt zu erhalten. Die wichtigsten Verbände haben darüber hinaus bereits einen entsprechenden Antrag eingereicht, diesen Versuch zu beenden, was zur Folge hat, dass Lehrerräte eben lediglich für u.a. Jubiläen und Geburtstage zuständig sind (bleiben), aber eben nicht für mitwirkungspflichtige oder gar mitbestimmungspflichtige Dinge, die dementsprechend durch die gewählten Personalräte wahrgenommen werden.
Mit freundlichem Gruß
Anton Reiser