Beiträge von Rudolf_Fischer

    Zitat

    Original von neleabels:


    Eine Kategorisierung von Esperanto als "normale" oder als Kunstsprache über einen logischen Schluss aus dem Schwierigkeitsgrad oder der ästhetischen Qualität der Sprache ist linguistisch fehlerhaft und etwas verwirrend aus dem Munde eines Hochschullehrers.

    Reines Missverständnis! Die Begründung für die Beschreibung als "normale Sprache" bezog sich allein auf den 2. Teil meines Satzes: "und wird seit 5 Generationen gesprochen".


    Zitat

    Original von neleabels:
    Persönlich gebrauche ich eine Unterscheidung zwischen künstlichen und natürlichen Sprachen nicht wertend sondern deskriptiv;

    Deskriptive Kategorisierungen in der Sprachwissenschaft haben ihre Tücken. Meist gibt es sehr unangenehme Grenzfälle. Wenn Ihnen 5 Generationen nicht ausreichen, wie viele dann? Ab wann würden Sie denn deskriptiv die Kategorie "natürliche" Sprache anerkennen? Und bedenken Sie, wie viele im Allgemeinen unbestritten "natürliche" Sprachen Sie auf einmal unter "künstlich" einordnen müssen, je länger Sie den Zeitraum festlegen.


    Zitat

    Original von neleabels:
    Ich kann ja verstehen, dass im Furor der Verbandsarbeit so manche Pferde durchzugehen drohen; Nele

    Was für ein Furor? Ich beschäftige mich mit möglichst vielen Plansprachen (Interlinguistik), daher auch meine Kenntnisse über Klingonisch und Sindarin.

    Zitat

    Original von Nananele
    Ihre wissenschaftliche Analyse in allen Ehren, aber es bleibt dadurch eine Kunstsprache, dass sie "erfunden" wurde und sich nicht selbstständig entwickelt hat. Selbst wenn sie hundert Jahre alt wird, wird Esperanto eine Kunstsprache bleiben.

    Mal ehrlich: da reden Sie doch nur von Ihren Überzeugungen, nicht aus der Erfahrung und nicht auf Basis der einschlägigen wiss. Literatur. Keine Sprache hat sich "selbstständig entwickelt", das haben ihre Sprecher gemacht, und die heutigen Hochsprachen sind ausnahmslos "Kunstsprachen", weil sie Ausdruck einer festgelegten Norm sind, die durch das jeweilige Bildungssystem verbreitet wird. Allerdings sind sie nicht "Plansprachen", weil die Festlegung der Norm nicht einer umfassenden Planung mit dem Ziel, gewisse Optimalitätskriterien zu erfüllen, unterlag.


    Der Entwurf des Esperanto ist zu einem bestimmten Zeitpunkt (1887) von einem Initiator (L.L. Zamenhof) als Sprachsystem auf der Basis existierender Sprachen zusammengestellt worden (etwa wie das Hochdeutsche auf den deutschen Dialekten aufgesetzt wurde). Die geschichtlich punktuell einsetzende Existenz durch gezielten Eingriff bekannter Einzelpersonen und -instanzen gilt in abgeschwächtem Maße auch für manche Nationalsprache, etwa die beiden norwegischen Hauptsprachen, Indonesisch, usw. Entscheidend ist, dass die Sprechergemeinschaft nach 1887 durch den schriftlichen und mündlichen Gebrauch das Esperanto "in natürlicher Weise" ausgebaut hat, bis es sich in allen Kommunikationssituationen bewährt hatte und damit eine "richtige" Sprache war. Ich gebe gern Literatur zum Sprachwandel im Esperanto an.

    Mein voriger Beitrag bezog sich als Antwort auf die Bemerkung des Moderators Neleabels ...


    Ich gebe regelmäßig Esperanto-Kurse an der Universität Münster und biete auch A2-Prüfungen an. Studenten kommen nach meiner Erfahrung in 14 Doppelstunden auf einfaches Sprechniveau.


    Ein kostenloses Lehrwerk von mir findet sich unter
    http://www.esperanto.de/lehrbuch


    Neben der Netzversion lässt sich das Ganze auch als Papierversion ausdrucken. In 5 Lektionen lernt man die gesamte Grammatik und den wichtigsten Grundwortschatz. Ich entwickele zurzeit weitere 5 Lektionen bis zum B1-Niveau des Europäischen Referenz-Rahmens.

    Esperanto, Klingonisch und Sindarin sind nicht nur vom Sprachsystem, sondern auch von der Zielsetzung her völlig verschieden.


    Esperanto funktioniert als (relativ) leicht erlernbare internationale Verständigungssprache und wird seit 5 Generationen gesprochen. Es ist daher inzwischen eine "normale" Sprache, keine Kunstssprache mehr.


    Klingonisch ist eine Fantasiesprachprojekt, das (als Kriegersprache) absichtlich scheußlich klingen soll, vom inkorporierenden Sprachtyp, allein deshalb schon nur sehr schwer erlernbar. Angeblich soll es Sprecher in den USA geben.


    Sindarin ist ebenfalls eine Fantasiesprachprojekt. Das Sprachsystem lässt sich aus Texten von Tolkien nur unvollständig erschließen. Ich zitiere aus Pesch, Helmut W. (2004): Elbisch. Lern- und Übungsbuch der Elbensprachen von J.R.R. Tolkien, S. 8f:


    "Noch ein Wort der Warnung: Nicht alles kann man auf Elbisch sagen. Mitunter versagt der Wortschatz, vor allem in Alltagssituationen. Tolkien selbst hat einmal in einem Fernseh-Interview auf die Frage, ob Elbisch als Geheimsprache für eine Kult-Gemeinde dienen sollte, gesagt: 'Nein, das war nie meine Absicht. Teegeplauder auf Elbisch kann ich mir nicht vorstellen. Dazu ist die Sprache auch viel zu schwierig.' Und mit einem Schunzeln fügt er hinzu: 'Ich habe sie nie zu Ende gebracht.'"
    (Zitatende)


    Insgesamt sieht man also, dass man Esperanto, Klingonisch und Sindarin nicht in einen Topf werfen darf. Wenn Sie Klingonisch und Sindarin lieber lernen wollen als Esperanto, kann das nur bedeuten, dass Sie an einer alltagstauglichen Verständigungssprache nicht interessiert sind.


    Oder war Ihr vergleichendes Werturteil nur eine flapsige Bemerkung?

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