Beiträge von Ilse2

    Ich sehe es leider auch so wie Rotherstein. Ich arbeite als Sonderschullehrerin im Gemeinsamen Unterricht an der Grundschule und empfinde die Bedingungen gruselig, vor allem für die GU-Kinder, aber auch die Klassenlehrer. Die Förderung, die die Kinder mit Sonderpädagogischem Förderbedarf brauchen kann ich so nicht leisten, die Klassenlehrer auch nicht, obwohl die meisten bemüht und engagiert sind. Das ist so schlicht nicht machbar. Dass das Ganze langfristig ne absolute Milchmädchenrechnung ist, hier an dieser Stelle der Förderung zu sparen, dass braucht man eigentlich keinem normal denkenden Menschen erzählen. Auf lange Sicht werden die Kosten, die diese schlecht geförderten Menschen voraussichtlich verursachen werden, sicherlich nicht die Ersparnis ausgleichen, die da jetzt am Anfang betrieben wird (auch wenn das jetzt bitterböse klingt, tut mir leid).
    Susannea, es gibt Kinder, die auf jeden Fall zusätzliche Förderung benötigen, wo das "Standartprogramm" einfach nicht ausreicht. Das kann man zwar verleugnen, aber zu behaupten dass alle Kinder in unserem Schulsystem zurecht kommen, das ist eine glatte Lüge. Inklusion kann nur dann funktionieren, wenn ALLE Schulen personell, materiell, finanziell und räumlich optimal ausgestattet sind. Dass das bis zur Einführung der Inklusion passieren wird, ist utopisch. Inklusion kann funktionieren, bei kleinen Klassen, großen Räumen mit viel Platz für reichlich Material und dauerhafter Doppelbesetzung. Das wird aber so nie geschehen.
    Und ganz ehrlich, hätte ich ein Kind mit sonderpädagogischem Förderbedarf, ich würde es in die Förderschule schicken....

    Das ist zwar jetzt alles schon etwas am Thema vorbei, aber vielleicht kann es auch nicht schaden, mal die rosarote Mittelschichtsbrille abzunehmen und sich z.B. mal an einer Schule im sozialen Brennpunkt umzuschauen. Es ist leider (!) schlicht Fakt, dass die Bildung in einem sehr großen Maße von dem Engagement der Eltern abhängt, da muss man sich doch wirklich nichts vormachen. Das ist nicht gerecht, das ist unfair, die Kinder können nichts dafür. Und dennoch ist es so. Ich bin derzeit an einer Schule, an der so ziemlich alle Kinder aus der sogenannten Unterschicht kommen. Auch hier gibt es einige wenige Elter, die sehr interessiert an der Förderung ihrer Kinder sind. Aber die sind hier klar in der Minderheit. In unsere ersten Klassen kommen Kinder, die quasi nichts von dem können und wissen, was sie alls durchschnittliches Schulkind können sollten. Bei unseren zukünftigen Erstklässlern werden wir 14 Anträge auf Überprüfung des sonderpädagogischen Förderbedarfs stellen/ schon jetzt dem Kompetenzzentrum melden. 22 Kinder zeigten sich im Schulspiel dahingehend auffällig, dass sie viele Aufgaben nicht lösen konnten/ massive Unterstützung benötigten/ die deutsche Sprache nicht ausreichend beherrschten. Ganze 9 Kinder waren unauffällig. 3 Kinder sind positiv aufgefallen. Ich finde das erschreckend.
    Bei VERA versagen unsere Schüler kläglich, einfach, weil so viele Grundlagen fehlen und wir es nicht leisten können, den Kindern diese in 3 Jahren zu vermitteln, vor allem dann nicht, wenn die Eltern nicht mitziehen... Dabei leisten wir viel, wir fördern sehr individuell, holen die Eltern in Form von Rucksack-Projekten ins Boot, haben Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Sonderpädagogen an Bord, engen Kontakt zum Jugendamt und und und... Aber wir können die Defizite in den Elternhäusern nicht vollständig ausgleichen. Und als dank müssen wir dann dem Schulrat erklären, was wir alles so falsch machen, weil, das darf ja gar nicht sein, dass wir nicht auf einem Niveau mit den anderen Grundschulen im Kreis sind :X: .

    Kogitive Förderung von Kindern finde ich auch wichtig und richtig. Allerdings denke ich auch, dass das Vorarbeiten von schulischem Stoff da wirklich mehr als nur ein bisschen ungeschickt und ungeeignet ist. (Außer wenn es sich tatsächlich um ein sehr schwaches Kind handelt, dem die Wiederholung gut tut). Einem sehr fitten oder auch durchschnittlich begabten Kind schon vorher Unterrichtsinhalte beizubringen führt doch dauerhaft dazu, dass das Kind anfängt, sich in der Schule zu langweilen. Natürlich könnte man dann mit Differenzierungsangeboten kommen, die man bei einem sehr fitten Kind vermutlich ohnehin braucht, aber langfristig ist das Vorgreifen auf den Schulstoff für alle Beteiligten frustrierend.
    Es gibt viel bessere Möglichkeiten, sein Kind kognitiv zu fördern als die nächste Seite im Mathebuch!

    Ja, das werden wir hier sicher nicht lösen können ;) ... und ich bin schlicht kein Experte, ich schätze, du hast gerade bei gehörlosen Menschen mehr Ahnung als ich! Aber im Sinne der Inklusion werden sich fast alle Förderschulen mehr oder weniger auflösen und die, die bestehen bleiben eher zu sowas wie "Restschulen" (das klingt böse... sorry) werden, die von den Kindern besucht werden, die anders überhaupt nicht mehr beschult werden können. Von gymnasialem Niveau kann man da langfristig mit Sicherheit nicht sprechen. Ob das jetzt gut oder schlecht ist ist nochmal ein völlig anderes Thema, zu dem ich mich jetzt lieber nicht äußere :X:
    VG

    Du hast ja grundsätzlich recht, es ist absolut sinnlos, gehörlose Kinder ohne jeglichen Zugang in einer Sprache zu unterrichten, die sie nicht verstehen. Das könnte man sich auch gleich sparen. Aufgrund des medizinischen Fortschritts gibt es aber immer weniger Kinder, die gar nicht hören können. Dazu kommt die Inklusion, die kommen wird. Die betrifft alle Bereiche. Auf lange Sicht werden selbstverständlich auch gehörlose, schwerhörige Kinder verstärkt die Regelschulen besuchen, gerade die, die kognitiv fit sind, das ist ja jetzt schon so.
    Und gerade der Förderschwerpunkt "Hören und Kommunikation" ist besonders im Bereich der Gehörlosen in meinen Augen extrem schwierig zu integrieren, eben weil die Kommunikationsmglichkeiten fehlen... Gebärdensprache war lange Zeit das Mittel der Wahl, im Moment wird diese oft kritisch gesehen, warum kann ich nicht genau sagen. Aber wie gesagt, "Hören und Kommunikation" ist nicht mein Schwerpunkt, weshalb meine Kenntnisse da eben nicht besonders tiefgehend sind...

    Soziale Integration ist gerade für gehörlose Kinder/Menschen quasi ein Ding der Unmöglichkeit, wenn sie sich gar nicht lautsprachlich verständlich machen können bzw. Methoden erlernen, mit nicht-gehörlosen menschen zu kommunizieren.Das ist ein gewaltiger Unterschied zu Schülern, die beispielsweise gelähmt sind.
    Ich schließe mich da Plattenpieler an, es wird immer weniger Kinder geben, die tatsächlich gehörlos sind, schwerhörige Kinder wird es auch weiterhin viele geben. Schwerhörige Kinder haben aber oft "nebenbei" auch noch andere Entwicklungsverzögerungen, z.B. im Bereich Sprache. Oft ist genau wegen dieser "Nebenerscheinungen" die sonderpädagogische Unterstützung erst notwendig.Das Arbeitsfeld von Sonderpädagogen, auch im Bereich der Sinnesgeschädigten wird sich im Zuge der Inklusion (und die wird kommen, da braucht man sich nichts vorzumachen) verändern, da bin ich sicher. (Wobei Hören und Kommunikation auch nicht mein Schwerpunkt ist und meine Kenntnisse daher nicht sonderlich vertieft).
    Das Niveau an Förderschulen mit dem Förderschwerpunkt Hören und Kommunikation ist absolut unterschiedlich, da es hier unter anderem ja auch die Bildungsgänge Lernen und Geistige Entwicklung gibt. Ich vermute allerdings, dass nur eine sehr geringe Minderheit der Schülerinnen und Schüler auf gymnasialem Niveau unterrichtet werden. Die meisten, die das Potential haben befinden sich vermutlich schon im Gemeinsamen Unterricht...
    AVWS = Auditive Verarbeitungs-/Wahrnehmungsstörung

    Das Kind müsste dann erstmal in therapeutische Behandlung, bis es wieder beschulbar ist. Kein anderer Berufsstand setzt sich solchen Risiken aus. Wie gesagt, selbst Psychologen verweisen aggressives, oder beleidigendes Verhalten auf die Straße zurück. Die einzigen, die verpflichtet sind sich damit abzugeben, sind Psychiatrien und Notaufnahmen von Krankenhäusern. Was die im Notfall für Rechte haben, hatte ich ja mal erwähnt.


    Man könnte ja mal versuchen, einen Krankenwagen zu rufen, wenn ein Schüler mal wieder den Unterricht stört... :whistling:
    Aber mal im Ernst, ich hab es ja schon mal gefragt, hast du dich schon einmal mit dem Thema Inklusion auseinandergesetzt? Das wird definitiv in den nächsten Jahren auf alle Schulen zukommen und das bedeutet zwangsläufig, dass es auch am Gymnasium nicht mehr reicht, Unterrichtsinhalte zu vermitteln.Die pädagogische Arbeit wird zunehmend wichtiger werden, auch wenn die Ausbildung erstmal nicht darauf ausgerichtet ist. Was machst du denn mit dem hochbegabten Schüler, der sonderpädagogischen Förderbedarf ES hat und in deiner Klasse sitzt? So einfach der Schule verweisen geht nicht, er hat einen Anspruch auf Beschulung und zwar dort, wo seine Eltern es wünschen. Der hält dir unter Umständen tatsächlich die Klasse auf Trab, rausschmeißen kannste den aber auch nicht, weil er dann das Gebäude abfackelt oder so. Die Integrationskraft ist auch nur für ein paar Stunden bewilligt, der Sonderpädagoge hat so 2 Std/Woche Zeit für den Schüler...Schwierig, weil man als Lehrer tatsächlich wenig Möglichkeiten hat... Und so bereits lange Realität an Grund- und Hauptschulen...

    Nur mal so als Gedanke, man könnte doch auch Lernbehinderte und Hauptschüler in einer Schule zusammenstecken. Die absolute Differenz an Leistung wäre auch nicht größer, als man sie innerhalb eines Gymnasiums vorfindet.
    Warum fördert man nicht in dem Maß, wie man die Schwachen fördert, auch die Elite? Warum ist das so negativ besetzt? Typisch Deutsch?
    Jeder Leistungsbereich braucht adäquate Förderung und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es nach oben hin kaum Angebote gibt. Das finde ich schade in Deutschland. In Amerika ist das zum Teil anders, zumindest wenn ich den Berichten von Verwandten aus Übersee glauben kann. Dort ist es zum Teil selbstverständlich, dass es Elitenförderung gibt.

    Sag mal, hast du dich schon einmal mit dem Thema Inklusion beschäftigt? Falls du das noch nicht getan hast, würde ich dir das dringend empfehlen, denn in den nächsten Jahren werden zunehmend auch lern- und geistigbehinderte Kinder/ Jugndliche an den GYMNASIEN beschult werden. Ob das jetzt gut oder schlecht ist sei mal dahingestellt, es ist allerdings Realität, mit der du dich als zukünftiger Gym-Lehrer auch zu befassen hast. Und diese Kinder kann man nicht einfach mal woanders hinschicken...
    Und selbstverständlich gibt es auch Schulen für Hochbegabte.

    Ich glaube, in der Tat, wir reden aneinander vorbei. Natürlich wird hier niemand bei klarem Verstand behaupten, die fachlichen Inhalte in der Oberstufe sind genauso komplex, wie die fachlichen Inhalte der Grundschule. Natürlich ist das Quatsch.
    Dennoch bin ich nach wie vor der Meinung, dass die Arbeit (nicht die Unterrichtsinhalte), die wir alle in allen Schulformen tagtäglich erledigen in der Komplexität vergleichbar ist. Jede Schulform hat eigene Schwerpunkte und Schwierigkeiten, deswegen ist aber die eine nicht mehr oder weniger werrt als die andere.
    Glaubt ihr denn im Ernst, die Grundschulleute haben an der Uni in den Fächern auch nur die Inhalte der Grundschule gelernt?
    Ich meine, ich habe Sonderpädagogik mit Förderschwerunkt Geistige Entwicklung und das Unterrichtsfach Deutsch studiert. In meinen Deutschseminaren musste ich exakt die gleichen Scheine wie die angehenden Grund-, Haupt- und Realschullehrer machen. Und auch diese Inhalte gingen deutlich über das LK-Niveau hinaus.

    Liebe Ilse, dann arbeite Dich doch ein bisschen in die Quantenmechanik ein, wenn dazu jeder in der Lage sein sollte. Die Aufgabe war:
    "Wie lauten die einzelnen Summanden des Hamiltonoperators eines Spinsystems zweier Protonen"
    Gerne kannst Du mir auch eine pädagogische Aufgabe stellen.

    Ich hatte geschrieben wenn man muss... Und natürlich gehört Physik jetzt nicht zu meinen favorisierten Fächern und ad hoc kann ich das nicht. Wenn ich es aber müsste und entsprechende Vorbereitungszeit hätte, behaupte ich, ohne es beweisen zu können und zu wollen, dass ich mir die Thematik auf Schulniveau erarbeiten könnte. Ich erhebe ausdrücklich nicht den Anspruch, mich selbständig ohne Unterstützung auf Uniniveau fortbilden zu können.
    Aber vielleicht könntest du mir Unterstützung dabei bieten, wie ich einem Viertklässler mit einer Lernbehinderung ein Verständnis für Zahlen und Mengen im Zehnerbereich angedeihen lassen könnte. Das ist momentan meine Baustelle, an der ich nicht weiterkomme.

    Aber ergibt sich die Komplexität der Aufgabe, Kindern fachliche Inhalte zu vermitteln nicht weniger aus den Inhalten, als viel mehr aus der Frage, wie man das genau anstellt? Je kleiner die Kinder sind, desto komplizierter und komplexer ist die Vermittlung der fachlichen Inhalte. Während natürlich andersrum die fachlichen Inhalte komplexer werden, je älter die Kinder werden.
    Aber jetzt mal im Ernst, die meisten von uns haben studiert. Und wenn man wirklich muss, dann sollte man in der Lage sein, sich in schulische, fachliche Inhalte einzuarbeiten. Das müssen wir doch alle, täglich.

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