Hilfe! 3 verhaltensauffällige Grundschüler

  • Hallo,
    zu diesem Thema gab es zwar schon etliche Threads. Ich bin aber so fertig und verzweifelt, dass ich nochmal ein neues starte.
    Ich habe gerade eine Festanstellung an einer Grundschule bekommen. Mit meiner eigenen Klasse bin ich auch wunschlos glücklich. Leider muss ich aber Religion, Kunst und Textil in einer 4. Klasse unterrichten, die mich völlig fertig macht. Dort gibt es einen Jungen, der bereits wegen Verhaltensauffälligkeiten die Schule gewechselt, nun bei uns einen Neuanfang macht, sich aber wieder so schrecklich benimmt. X( Zwei weitere Kinder der Klasse, die ebenfalls in diese Richtung tendieren, finden das grandios und lassen nun (oder auch schon immer?) ebenfalls die Sau raus: dazwischen quatschen, Arbeitsverweigerung, andere lächerlich machen, unflegliche Geräusche mitten im Unterricht von sich geben und versaute Wörter durch die Klasse schreien. Das stört nicht nur mich, sondern auch alle anderen Kinder der Klasse. Konzentrierter Unterricht in einer angenehmen Arbeitsatmosphäre ist nicht mehr möglich. Andere Lehrer haben auch das Problem mit der Klasse, kommen aber meiner Meinung nach etwas besser mit den Sch klar. Sie sind beide Mitte 50 und strahlen vermutlich auch noch mehr Autorität aus.
    Folgendes haben wir bzw. ich schon versucht:
    Gesrpäche mit den Kindern, Zusatzaufgaben (werden eh nicht gemacht), Gespräche mit den Eltern (sind ebenfalls hilflos), auf den Gang arbeiten lassen, Lob bei guten Verhalten. Nun tragen alle dort unterrichtenden Lehrer alle Vorfälle in ein Buch ein und die Klassenlehrerin hält täglich Rücksprache mit den Eltern. Evtl. soll er auf eine Schule für Erziehungsschwierige. Aber, das hilft mir nicht in meinem Unterricht. Jeder Tag, den ich in diese Klasse muss, ist eine Katastrophe, vor allem Religion. Zu alledem steht auch noch meine Beurteilung für die Verbeamtung aus. Wie sieht das aus, wenn die neu eingestellte Lehrerin mit der Klasse nicht zurecht kommt!? Vermutlich muss ich hier auch noch meine Lehrprobe halten!?
    Ich brauche ganz konkrete Tipps von euch, die mir den alltäglichen Unterricht erleichtern.
    LG Alema

  • hmmm,


    meine situation (neuanfang etc) ist deiner sehr ähnlich. ich habe sicher einen einfacheren "fall", aber dennoch ein ähnlich gelagertes problem (also einen schüler, der durch seine art die ganze klasse in unruhe bringt) - übrigens auch im fach religion. auch ich habe das gefühl, dass sich mein alter eher negativ auswirkt.


    also lass uns gemeinsam überlegen ... vielleicht finden wir ja etwas hilfreiches.


    meine idee wäre, zunächst die sozialen strukturen aufzubrechen. z.z. wird das verhalten des störers immer noch als "lustig, toll" von der klasse gespiegelt und dadurch natürlich verstärkt. das versuche ich derzeit immer wieder anzusprechen: "XXX, du störst uns bei der arbeit. schau mal, alle schüler wollen sich konzentrieren und ruhig arbeiten. das klappt eigentlich schon sehr gut, aber du machst uns das sehr schwierig." ich rede immer wieder von "wir" (die schüler sehen das sicher ganz anders, aber irgendwie wirkt das viel besser *lol*). gutes verhalten dagegen ständig loben. viel persönliche ansprache, etc.


    bei stillarbeit zieht das schon ziemlich gut, probleme habe ich aber noch im stuhlkreis, deshalb ist reli so schwer. strafarbeiten habe ich bislang nicht eingesetzt, da ich das gefühl habe, dass die zur zeit einfach nur verpuffen würden. ich habe da natürlich noch ein paar weitere maßnahmen, aber wollt das erstmal diese woche so weiterprobieren.


    mal schauen ... wie können uns ja hier weiter austauschen.

  • Schön, dass es anderen auch so geht. Wir können uns gerne austauschen. Ich werde wohl demnächst auch weiterhin, das System "Gutzureden und loben" benutzen, auch wenn es kaum zieht. Die Sätze, die du benutzt, verwende ich auch immer. Nur leider kommen oft solche Antworten: "Ja und, was stört mich das?" oder "Nee, stimmt doch gar nicht. Oder XXX, hast du etwa Lust dich zu konzentrieren? Ist doch voll uncool, ey." oder "Ist mir doch egal, was die anderen wollen." Er kontert sofort und reißt immer die anderen auffälligen Kinder sofort mit. Von Strafen halte ich selbst auch nicht viel, weil sich dadurch alles nur noch mehr hochschaukelt. Eine Auszeit im Notfall, bei der YYY am Unterricht einer anderen, möglichst ersten Klasse teilnimmt und seine Arbeiten dort erledigt, finde ich aber gar nicht schlecht. Nur leider ist kein anderer Lehrer bereit YYY freiwillig mit in den Unterricht zu nehmen.
    LG Alema

  • Die anderen Kinder haben doch ein Recht auf einen ungestörten Unterricht. Wer so stört, kann also nicht in der Klasse bleiben. Kannst du den Störer in extremen Fällen nicht zu einem anderen Lehrer in eine andere Klasse schicken, wo er dann den Lerninhalt der Stunde von einem Buch abschreibt? Das hilft sehr. Und hilfsbereite Kollegen, die schon mehr Erfahrungen haben, hast du doch bestimmt auch.

  • Na ja, das Kind auszgrenzen kanns doch nicht sein. Dieses Kind hat nämlich auch ein Recht auf Unterricht und vor allem auf Förderung. Ich habe auch ein Kind in meiner Klasse, das wirklich alles schmeißt. Gut, ich habe an einer Förderschule soz.-emotion. Entwicklung auch andere Arbeitsbedingungen, aber vielleicht dennoch ein paar Tipps.
    Diesem Kind schiebe ich nun immer etwas Verantwortung zu so nach dem Motto "Hilfst du mir mal da und da?" "Du bist jetzt für diese und jene Aufgabe verantwortlich." Dieses Kind erlebt das als Aufwertung, als Bestätigung seiner selbst und kann auch endlich mal ein anderes Verhalten zeigen.
    Ansonsten... Nicht ihn bestrafen, ermahnen etc, sondern die anderen Kinder verstärken, wenn sie es schaffen, ruhig zu bleiben. Z.B. mal ne Runde Bonbons.
    Vermutlich ist es für deinen kleinen Chaoten auch einfach zu viel verlangt, "ruhig zu arbeiten". handele mit ihm etwas aus, setz einen Vertrag auf nach dem Motto, in dem es um eine dir wichtige Regel geht. Darauf baust du dann ein Verstärkersystem auf.
    Such den Kontakt zu den Eltern - was ist da los, dass er so auffällig ist? Hast du schonmal über ein (neues Schulgesetz ;) ) AO-SF- Verfahtren nachgedacht. Wenn er wirklich so untragbar ist, kannst du dir und vor allem dem Kind doch auch Hilfe holen.
    Ich halte es für sehr wichtig, dass da auch Diagnostik anläuft, zumal das auffällige Verhalten ja sehr stabil und übergreifend zu sein scheint.
    Ich hoffe, ich bin dir jetzt nicht zu sehr auf die Füße getreten, nuzr mir legen diese Kinder sehr am Herzen. Ich hatte heute erst ein Elterngespräch, aus dem wieder mal ersichtlich wurde, was das für einen Druck für Kind und Eltern bedeutet, wenn ein Kind in einer Klasse als permanenter Unruhestifter abgestempelt wird. das nimmt auch dem Kind die Chance, sich anders zu verhalten.
    So, viel geschrieben...
    Liebe Grüße...

  • Was auch hilft ist ein Gespräch mit den Eltern, bei dem das Kind anwesend ist und sein Verhalten selbst erklären soll. Habe das mit meinen beiden auffälligsten uns einigen anderen Störern schon praktiziert. In dem Gespräch werden dann quasi kleine Verträge zum Verhalten geschlossen. Das wirkt sehr gut, auch wenn es evtl. nach einiger Zeit wieder nachläßt. Dann kann man das Gespräch wiederholen und je nach Verhalten die positive oder stagnierende Wirkung auswerten.
    Das Gute daran ist, daß die Eltern in so einem Gespräch meist feststellen, daß das Kind zuhause vielleicht was anderes erzählt anstatt sein Verhalten wirklich zu schildern, denn in diesem Gespräch rücken Kinder oft mit der Wahrheit raus.

  • Hallo,
    danke für eure Hilfe. Ihr habt alle gute Vorschkäge. Ich bin aber nicht die Klassenlehrerin und kann deshalb keine VOSF Verfahren einleiten. Die Klassenlehrerin weiß über alles Bescheid und steht auch schon im ständigen Kontakt mit den Eltern und dem Kind. Sie kümmert sich wirklich viel: handelt auch Verträge etc. aus. Zu Hause scheint alles in Ordnung zu sein. Für mich sieht es manchmal so aus, als hätte der Junge eine Nervenkrankheit und kann einfach keine Ruhe ertragen. Nur, was mache ich als Fachlehrerin, die nur Religion und Kunst dort unterrichtet? Vor allem, wie bekomme ich die anderen zwei "auffälligen Kinder" dazu, dass sie nicht diesem kleinen Chaoten erliegen, sondern bei meinem Unterricht mitziehen?
    LG Alema

  • Hallo alem,


    deine Formulierung:


    "Zu Hause scheint alles in Ordnung zu sein..." ist genau richtig.


    Ich als erfahrene Mutter eines ADS-Kindes kann da nur sagen, dass zu Hause auch Probleme bestehen, wenn auch nicht immer so ausgeprägt wie z.B. in der Schule, aber ganz problemlos wird es da nicht gehen.


    Meines Erachtens müsste erst einmal durch die Eltern bzw. vielleicht auch durch den Schulpsychdienst ergründet werden, wieso das Kind so ist wie es ist.


    Waren die Eltern jemals in einer Beratung, sei es EZB oder Förderzentrum, Schulpsychdienst?


    Wenn nein, dann wurde an diesem Jungen viel versäumt.


    Gut finde ich das mit dem Heft und den Vorfällen. Lobenswert sind auch die regelmäßigen Gespräche.


    Das Sonderschulverfahren ist ja nicht unbedingt einfach und erfordert die Einschaltung vieler Stellen, vielleicht ergibt sich hier, was mit dem Kind ist.


    Vielleicht kann man dem Kind helfen.


    Sollte das Kind nämlich ADS haben, dann muss ein umfangreiches Programm gestartet werden.


    Wenn das Kind zudem nicht lernschwach sein sollte, wäre eine Sonderschule der völlig falsche Weg.


    Die Mitläufer, die muss man natürlich auch ermahnen und vielleicht auch abklären, wieso es Probleme gibt.


    Da sollte die Eltern im Interesse der Kinder mitarbeiten.


    Aber dein Sorgenkind, lobe es weiter, wenn es wirklich einen Grund gibt, sage ihm, wenn Du etwas nicht ok findest.


    Ich wünsche Dir viel Glück und vor allem für das Kind, dass ihm geholfen wird, denn es leidet sicher.


    Gerne macht es das sicher nicht.


    Doris

  • Hallo,


    Bravo, Frau Bounty!!! Dein Beitrag hat mir sehr aus dem Herzen gesprochen. Was AO-SF-Verfahren ist, weiß ich allerdings jetzt nicht.


    Aus eigener Erfahrung weiß ich, welcher psychischen Belastung ein Kind und die ganze Familie ausgesetzt ist, wenn es erst einmal zum Störenfried der Klasse abgestempelt ist. Die psychischen Schäden sind kaum wieder gutzumachen. Ich wünsche diese Erfahrungen (http://www.emgs.de/downloads/erfahrungsberichterika.pdf )meinem ärgsten Feind nicht.


    Bei uns zu Hause lief übrigens auch alles harmonisch bis zu dem Zeitpunkt, als die Lehrerin mir am Ende der 1. Klasse mitteilte, mein Sohn sei sehr verhaltensauffällig. Mich traf fast der Schlag. Die Verhaltensauffälligkeiten verlagerten sich dann aber ziemlich rasant auch nach Hause und es kam die Hölle auf Erden, mein Sohn wollte lieber tot sein. Nach dem Schulwechsel ging es dann langsam aufwärts. Eine Lehrerin wie Bounty, die mein Sohn sehr gebraucht hätte, gab es aber auch dort leider nicht.


    Viele Grüße
    Erika

    "Die Lehrer bezeichnen Lesen, Schreiben und Rechnen als Grundlagenfächer. In Wirklichkeit handelt es sich aber bei diesen Lehrstoffen bereits um sehr komplexe Prozesse, die sich nur bei einer einwandfreien geistigen Verarbeitung der durch die Sinnesorgane aufgenommenen Wahrnehmung erlernen lassen." A. Jean Ayres

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