Psychische Probleme im Ref

  • Hallo in die Runde,


    die Beiträge auf dieser Seite haben mich sehr betroffen gemacht. Dass bei der Referendarausbildung etwas „faul ist im Staate Deutschland“ war mir durchaus bekannt, aber dass sich die Dinge so entwickelt haben wie bei Dir, Traurig 2013, tut mir aufrichtig leid. Nachdem Du eine schlimme Referendarzeit durchzumachen hattest bist Du auch noch an eine Schule gekommen, die ihre Lehrer und Lehrerinnen offensichtlich schön im Regen stehen lässt. marie 74 scheint es nicht besser erwischt zu haben wenn sie schreibt „Wir müssen uns alles gefallen lassen“ und „Kinder können sich alles leisten“. Soweit darf es an einer Schule nie und nimmer kommen! Ich habe 34 Jahre an bayerischen Realschulen unterrichtet (E/G) und ein Fall wie der gezeichnete Lehrer am Galgen mit Namensnennung wäre unweigerlich ein Fall für den Disziplinarausschuss gewesen und keinesfalls als „dummer Jungenstreich“ abgetan worden! Wir hatten einen vergleichbaren Fall. In einem Fall von besonders krassem Mobbing gegen eine Mitschülerin in meiner letzten Klasse als Klassleiter bekam die Haupträdelsführerin die Androhnung der Entlassung. Sie zog es allerdings vor, so wie wir es ihr geraten hatten, die Schule zum nächsten Schuljahrsbeginn zu wechseln. Meinen Informationen nach war ihr weiterer Schul- und Berufsweg dann unauffällig.
    Darf ich an dieser Stelle fragen, ob es an Euren Schulen Leitgedanken oder Schulverfassungen gibt, die von den Leitungen, Kollegien, Elternbeiräten und den Schülervertretungen abgesegnet worden sind und die das Zusammenleben und -arbeiten ganz klar regeln wie z. B. das Einhalten von Prinzipien wie der gegenseitigen Fairness, Wertschätzung, Rücksicht, Hilfsbereitschaft, Toleranz oder Pünktlichkeit? Hier besteht auch die Möglichkeit, eine Schulgemeinschaft zu definieren, in der nicht nur ganz naheliegend die Arbeit von Hausmeister und Reinigungspersonal bzw. die pflegliche Behandlung fremden Eigentums ihren Platz haben, sondern ebenso ein Verantwortungsbewusstsein über den Schulbereich hinaus für politisch- gesellschaftliche und globale Entwicklungen, Umweltfragen etc. Auch die Begriffe „Leistung“, „Disziplin“ und „Sauberkeit“ sollten ihren Platz finden. An unserer Schule haben wir z. B. über „Leistung“ geschrieben:
    „Leistung ist nicht alles im Leben, aber sie ist notwendig. Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer verstehen sich als Team mit gemeinsamen Zielen.“
    Ich möchte weiter fragen, ob außerplanmäßig Elternabende/-gespräche in oder vielleicht besser außerhalb der Schule organisiert werden können, um aufkommende Probleme zu lösen? Wie sieht es generell mit Hilfestellungen und der Unterstützung durch ältere, erfahrenere Kolleginnen und Kollegen beispielsweise in Klassenkonferenzen bei besonderen Schwierigkeiten in bestimmten Klassen aus? Gibt es Personalversammlungen ohne Beteiligung der Leiter, die dem Personalrat Verhandlungsaufträge gegenüber der Schulleitung zur Abstellung von Ärgernissen oder auch zur Einforderung der Fürsorgepflicht erteilen? Gibt es die Möglichkeit der Supervision, die mir konkret Hilfestellungen anbieten kann?
    Lieber Traurig 2013, liebe marie74, liebe Runde, vielleicht können die gestellten Fragen eine Anregung bieten, um Verbesserungen für Euch zu erreichen. Seid mir aber bitte nicht böse, wenn ich noch ein paar Fragen „auf Lager“ habe:


    - Bin ich mir sicher, dass ich das richtige „Handwerkszeug“ in meinem pädagogischen Koffer dabei habe, um von der ersten Stunde in meinen Klassen an,
    die Kinder und Jugendlichen für mich und unsere gemeinsame Aufgabe zu gewinnen?
    - Wie erhalte ich die nötige Ruhe und Disziplin, um in der Regel in Frieden arbeiten zu können?
    - Wie kann ich meine Klassen motivieren?
    - Wie kann ich einen Beitrag zu einer als human und sinnerfüllt erlebten Schule leisten?


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    Wenn ich an meine Referendarausbildung zurückdenke, dann war sie was Stress angeht auch nicht von schlechten Eltern. Im zweiten Jahr war ich im Einsatz an einer Augsburger Realschule für Jungen mit 20 Wochenstunden (dabei eine 7. Klasse mit 42 Schülern als Klassleiter) und hatte alle vier Wochen Seminartage mit Lehrproben. Als die Zeit vorbei war, hatte es mir wirklich gereicht!
    Aber, und hier komme ich auf Thamiel zurück, ich habe es auch so gesehen, dass Referendariat und Schulalltag voneinander zu trennen sind. Lehrversuche, Lehrproben – alles Dinge, die so nie wieder passieren würden. Man soll halt in der Ref.zeit einmal zeigen, dass man methodisch-didaktisch alles drauf hat. Diese Bausteine kann man dann im Alltag je nach Bedarf verwenden, mehr geht nicht. Ich kann auch Traurig 2013 gut verstehen, wenn er sagt, dass Referendare mit psychischen Problemen lieber aussteigen sollen. Aber Thamiel hat hier auch von anderen Erfahrungen berichtet (Bis hin zum Traumberuf - da es für mich glücklicherweise einer war, habe ich mein Handbuch auch „Traumberuf LehrerIn - Alltag und Vision. Das etwas andere Handbuch der pädagogischen Praxis“ genannt.) und ich denke schon, dass es im Referendariat eigentlich zu spät für eine solche Entscheidung ist; die müsste viel früher fallen, aber das ist eine andere Geschichte.


    Lieber Traurig 2013, ich habe aus Deinen Zeilen eine ursprüngliche Begeisterung für Deine Fächer und auch eine Zuneigung zu Deinen Schülerinnen und Schülern (auf Gegenseitigkeit!) herausgelesen. Ich würde mich riesig freuen, wenn Du daran wieder anknüpfen könntest, wenn ich Dir / marie74 / der Runde mit meinem Beitrag ein wenig helfen konnte.


    Für heute gute Nacht und alles Gute!


    Curt

    6 Mal editiert, zuletzt von Curt () aus folgendem Grund: Verbesserung Rechtschreibung, Trennungsstriche, Struktur

  • Ich denke, dass die oben genannten Punkte in einem Kollegium zum Standard gehören (sollten). Subjektiv wird das auch bei uns im Kollegium nicht jeder so sehen, dennoch bestehen die grundsätzlichen Möglichkeiten für jeden gleichermaßen.


    Das Referendariat ist eine harte Zeit - mir ging es zwischenzeitlich auch so, dass ich aufhören wollte - eben weil man das Gefühl hatte, dass der Fachleiter schizophren ist. Wenn man nach zwei Jahren Berufspraxis, nach dem Studium, plötzlich wieder wie ein Erstsemester behandelt wird, dann ist das sehr irritierend. Das in den Unterrichtsbesuchen die Performanz und nicht der Lernerfolg beurteilt werden ist wohl ebenso klar. Die Note konnte mir egal sein und meine letzte dienstliche Beurteilung sah deutlich besser aus. Für mich ist nach wie vor fraglich, ob die heutige Form der Lehrerausbildung, die den Aspekten "Verwalten" und "betriebliche Soziologie" kaum Aufmerksamkeit schenkt, für unseren Beruf zukunftsträchtig ist. Zunehmende Verwaltungsaufgaben, Bildung von Fächer- und Bildungsgangteams, etc. bedingen einen anderen Arbeitsstil und ein etwas anderes Berufsbild.

    Bei "selbst schuld" wird nicht gepustet!

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