Robischon - freies Lernen in der Förderschule?

  • Hallo,


    ich möchte dem Thema noch etwas hinzufügen. Man muss sich nicht nur die Frage stellen, mit welchen Kindern man es zu tun hat und in welcher Struktur man arbeitet, sondern wenn ich über ein innovatives Konzept nachdenke ob es für mich passt muss ich in erster Linie über mich als Mensch nachdenken. Bin ich auch jemand der es schafft, sich und seine Besserwisserei, Belehrungssucht und solche Dinge zurückzustellen. Ich kann mir das trotal gut bei Herrn Robischon vorstellen. Er strahlt die Gelassenheit aus, den Dingen ihren Lauf lassen zu können. Ich habe diese Gelassenheit nicht (und ich kann mir nur schwer vorstellen, dass dieser Poster namens "Herr Neffe" sie hat, den er wirkt auf mich als eine sehr belehrende Persönlichkeit) und daran würde mein Unterricht scheitern. Ich könnte es nicht durchhalten. Ich habe einen Kontrollzwang.


    Und noch ganz wichtig: auch die Eltern spielen mit. Viele Schüler (schätzungsweise in meinen Klassen gut 70%) haben eine Lernhemmung besonderer Art. Sie heißt "Ach Frau X. erklären sie es mir nicht, ich will es gar nicht wissen, weil meine Mutter/mein Vater/mein NAchhilflehrer mir das heute Nachmittag sowieso noch einmal erklärt. Und wenn sie es mir jetzt nochmal erklären, dann hör ich nicht zu, denn wie gesagt, meine Mutte/Vater/NAchilfelehrer ja auch noch .....und das Arbeitsblatt das sie mir gegeben haben....na das macht meine Mutter/Vater/Nachhilflehrer heute bestimmt mit mir und wenn ich mir das jetzt selbst überlege mache ich vielleicht Fehler und meine Mutter/Vater/Nachhilflehrer kann das sowieso alles besser als ich".

  • Liebe mathefee,
    ich glaub einfach, dass man das lernen kann, wenn man es will: Kinder und Jugendliche selber lernen zu lassen.
    Das ist nicht den Dingen ihren Lauf zu lassen , sondern zu wissen, was sich da entwickelt.
    Aus der Kontrolle wird genauere Beobachtung und äußerste Neugier auf die Abläufe.
    Beispiel: ein kleiner Erstklässler hatte an die Wandtafel geschrieben 7+7=27
    Von Kindern wie ihm hab ich gelernt, dass ich mich beim Umgang mit dem Zehnerübergang (bei Erstklasslehrerinnen oft eher gefürchtet) darauf verlassen kann, dass diese kleinen Kindern 4 bis 5 verschiedene Verfahren finden oder erfinden um 8+9 zu ordnen.
    Eins davon ist z.B. 10 +10-2-1
    Wenn Du Dir vornimmst, nicht zu erklären, sondern ausschließlich Fragen zu beantworten (das dauert), wird die Arbeit in der Schule viel spannender.
    Wie die "Schüler" in Deiner Klasse reagieren, zeigt, wie sehr sie sich mit der Manipulation abgefunden haben. Traurig.

  • Zitat

    Original von Mathefee
    Bin ich auch jemand der es schafft, sich und seine Besserwisserei,
    Belehrungssucht und solche Dinge zurückzustellen. ... Ich habe
    einen Kontrollzwang.


    Wir Lehrer haben unter Kontrolle und Zwang als Schüler bzw. als Kinder
    unserer Eltern gelernt. Das ist zur Norm unseres Lernens geworden und
    deshalb erleben wir es als normal. Eltern und Kollegen sagen immer wieder
    zu mir: "Aber Kinder müssen doch … Ohne Zwang und Druck habe auch
    ich nicht gelernt." Fragt man nach, ob sie Zwang und Druck mögen, erhält
    man in der Regel die aufrichtige Antwort: "Nein."


    Aus diesem Widerspruch werden so gut wie nie Konsequenzen gezogen.


    Es gelingt Menschen nicht leicht, eigene Lernerfahrungen zugunsten eines
    neuen Lernkonzeptes einzutauschen, das so anders ist, wie Robischons.
    Ich meine, das dürfte mit den ganz anderen Lernerfahrungen von Lehrern
    zusammenhängen.


    Ich kann nur weitererzählen, was mir Mut gemacht, ein unterrichtsfreies
    Lernen zu beginnen.


      1. Ich habe mich als Schülerin im Unterricht nicht wirklich zum Lernen
      freischwimmen können. Das hat mir nie gefallen. Eigenständiges
      Lernen ist mir erst außerhalb der Schule gelungen.
      2. An allen Schülern, die ich je unterrichtet habe (Es waren so ungefähr
      200, die ich über Jahre begleitete.), konnte ich Lernunwilligkeit und
      -unfähigkeit ähnlicher Art feststellen.
      3. Erstklässler verlieren in der Schule innerhalb kürzester Zeit ihre
      Lernfreude.
      4. Unterrichten – gleich welche didaktische Modelle man verwendet –
      führt nie zum Erfolg aller Schüler.
      5. Der wissenschaftliche Mainstream heißt: Lernen anregen.
      6. Niemand möchte gezwungen werden zu lernen.
      7. Es in unserem Land die mehrheitlich getragene und grundrechtlich
      festgeschriebene Auffassung, dass die Freiheit und die Würde jedes
      Einzelnen unantastbar sind. Auf diese Grundwerte beziehen sich alle
      Bildungspläne.
      8. Unterricht fordert vom Lehrer restriktives Verhalten.
      9. Unterrichten ist eine Erfindung für Lernen aus obrigkeitsstaatlichen
      Zeiten: Gehorsam war einst die oberste Bürgerpflicht.
      10. Ich möchte niemanden zu etwas zwingen.
      11. Ich möchte die Lernimpulse meiner Schüler fördern.
      12. Ich möchte Eigenständigkeit ermöglichen, weil ich sie für
      lebenswichtig halte.
      13. Ich möchte, den Grundgedanken 'lernen fürs leben' – wie er
      auch in den Rahmenplänen meines Bundeslandes steht – umsetzen.
      14. Ich möchte, dass die Augen meiner Schüler vor Lernfreude glänzen,
      anstatt matt auf Anweisungen von mir zu warten.
      15. usw…


    Kurz gesagt: Ich mache mir immer wieder klar, was ich möchte. Ich verliere
    dabei nie die Bildungspläne aus dem Blick. Ich mache es nur nicht so, wie
    es im Unterrichten geschieht. Die Nachteile des Unterrichtens sind aus
    meiner Sicht zu schwerwiegend.


    Monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

  • Wenn wir genau hinschauen, müssten wir eigentlich erkennen:
    + Damit man Lehrer werden kann, muss erst mal eine Planstelle vakant sein. Als erstes ist also jeder Lehrer Planstellenausfüller.
    + Wenn man sich in die Planstelle eingefügt hat, ist man zweitens eingefügt.
    + Dann wird man darüber unterrichtet, was man zu tun hat, d.h. man bekommt von oben herab gesagt, wonach man sich unten zu richten hat.
    + Man hat den Auftrag, den Lehrplan zu vollziehen, handelt also als Lehrplanvollzugsbeauftragter.
    + Man hat den Auftrag, Unterricht durchzuführen, handelt also als Unterrichtsdurchführungsángewiesener.
    + Man hat den Auftrag, den Lehrnachweis zu führen, und man weist nach, was einem vorgeschrieben ist.
    + Man er"zieht" mit DRUCK. Dass ErDRÜCKung das Gegenteil von ErZIEHung bewirkt, wird ignoriert und die natürlichen Reaktionen gegen diesen Missbrauch werden als Auffälligkeit pathologisiert.
    +
    Das schreibe ich bloß beobachtend und nicht wertend.
    Lehrer haben sich auf diese Weise in der Kranheitsstatistik ganz nach oben an die Spitze hochgearbeitet. Sie werden immer noch kränker - und ziehen die Kinder in dieser Entwicklung nach.
    Die Grundweichenstellungen für sie sind schon verkehrt.
    Wir müssen endlich damit aufhören, immer vollautomatisch die Kinder zu fördern, wenn Lehrer und Kind nicht miteinander können.
    Wir müssen endlich einmal dem Lehrer helfen. Wirklich helfen. Zum Beispiel indem wir aufhören seine Vorschriften auf dem Papier immer noch sterlier zu perfektionieren.
    Es muss in unseren Schulen endlich wieder mal ein FEHLER gemacht werden dürfen ohne dass man gleich von Leuten, die es selber nicht können, belehrt und unter Druck gesetzt wird.
    Wir müssen endlich, wenn die Ergebnisse immer schlechter werden, die dabei angewandte Misserfolgspädagogik beenden und überprüfen. Und das lösungsinteressiert und ohne Abwertung des Menschen.
    Statt uns und andere immer mehr ins DU-MUSST hineinzunötigen sollten wir erst einmal den Zustand unseres eigenen ICH-KANN beachten und unser ICH-KANN und uns vor dem Kollaps bewahren.
    Lehrer sind - wie schon erwähnt - in der Kranheitsstatistik ganz oben. Wie sollen unsere Kinder von lauter kranken Erwchsenen Gesundheit lernen???
    Wie sollen Kinder frei lernen, wenn sich ihre Lehrer nicht für´s Lernen freigeben, weil man sie nicht freigegeben hat, weil ......?
    Ich persönlich habe auch nichts dagegen, wenn jemand etwas besser weiß. Wenn er den Weg konkret vorgeht und ich dabei sein Glück erleben, werde ich ihm interessiert folgen.
    Ich grüße freundlich.
    Franz Josef Neffe

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