Märchen im Nationalsozialismus - Hausarbeitsthema

  • Ich habe heute eine Gespräch mit einer Schülerin über ihr Hausarbeitsthema (12. Klasse) geführt. Nachdem sie zuvor etwas über "die Schulbücher im Nationalso ziali smus" schreiben wollte, kam sie nun mit dem Thema ca. Märchen als Sp iegel der Gesel lschaft und wollte in ihrer Arbeit von dem historischen Märchen über die Interpretation, die Weiterentwicklung in anderen Kulturen, das Märchen im Nati onals ozialismus, im Film, in der Kunst, in der Schule, in der Jugendsprache und Bedeutung für Kinder behandeln. Ich habe ein urlanges Gespräch mit ihr geführt, in der es mir nur mit viel Mühe gelungen ist, ihr verständlich zu machen, dass eine solche Arbeit in ihrer Heterogoneität auf eine 5 hinauslaufen muss bei einem Umfang von 12 Seiten.
    Der "Vorteil" ist natürlich, man piekst mal hier, mal da hin.
    Ich habe ihr nun den Auftrag gegeben, sich einen Schwerpunkt zu suchen und sie tendierte leicht zum M ärchen im Na tionalsozialismus.


    Ist euch irgendwie eine Arbeit oder Quelle bekannt, die sie zu dieser Fixierung auf das Thema bringen könnte? Ich habe irgendwie ein komisches Gefühl, zumal sie sich auch überhaupt nicht überzeugen lassen wollte.

  • Das klingt wirklich ein bisschen merkwürdig... Und da ich vor zwei Wochen mit meinem GK Geschichte in der 12 genau an der gleichen Stelle der Vehandlungen war, kann ich deine intuitiven Zweifel gut verstehen.


    Wie kann man auf solch ein Thema kommen? Ich nehme an, dass es sich um eine Facharbeit für Geschichte handelt, oder? Habt ihr vielleicht Pädagogik als Fach bei euch in der Oberstufe? Vielleicht ist daher eine Anregung gekommen.


    Mein spontaner Gedanke war aber die bekannte Kinder- und Jugendbuchautorin Gudrun Pausewang ("Kinder von Schewenborn"), die ausführlicher mit dem Themenkomplex Kinder- und Jugendliteratur im Nationalsozialismus auseinandergesetzt hat:


    Gudrun Pausewang: Die Kinder- und Jugendliteratur des Nationalsozialismus als Instrument ideologischer Beeinflussung, Frankfurt am Main: Lang, 2005 (ISBN 3-631-54163-5)


    Solch einen Titel könnte eine interessierte Schülerin ja durchaus auch in der Stadtbibliothek finden.


    Aus dem Internet ein passendes Fundstück, bei dem es sich aber nur um das Inhaltsverzeichnis einer wissenschaftlichen Arbeit handelt, die aber passt wie die Faust aufs Auge:


    http://www.agi-imc.de/intelligentSEARCH.nsf/alldocs/CBC5FB16C72C8267C12571D80047A38A/$File/000000016433187.PDF?OpenElement


    Zufällig gefunden habe ich beim Recherchieren auch noch dies hier:


    Valerie Hader: Märchen als Propagandainstrument im Nationalsozialismus. Kommunikationshistorische Studie zur Bedeutung der Gattung Märchen innerhalb der faschistischen Kinder- und Jugendliteraturpolitik, Wien: Univ., Dipl.-Arb., 2000


    Solche nicht gedruckten Quellen sind natürlich für den Durchschnittsschüler kaum zugänglich, aber... Ich muss da immer an einen "Fall" an meiner Schule vor drei Jahren denken, als ein Kollege ein recht abseitig wirkendes Thema genehmigte und sich dann mit einer höchst wissenschaftlich geschriebenen Arbeit konfrontiert sah, die bei weitem auch die Leistungen sonst sehr guter Schüler übertraf... und das von einem Kandidaten, der sonst um seine 3 kämpfte. Alles Zweifeln und Recherchieren blieb fruchtlos, denn man konnte nichts finden oder nachweisen, also wurde die wirklich sehr, sehr gute Facharbeit mit 15 Punkten bewertet.


    Ich habe noch guten Kontakt zu meiner ehemaligen Zeitgeschichte-Professorin, und neulich kam bei einem Treffen das Gespräch eher zufällig darauf, ob die vorgeschriebenen Facharbeiten den Unis Vorarbeit leisten, was die Vorerfahrungen der Erstsemester im wissenschaftlichen Arbeiten/Schreiben angeht. Ich habe diese Geschichte eher als Anekdote berichtet und war überrascht, als meine ehemalige Professorin meinte, das Thema komme ihr doch bekannt vor, darüber habe sie doch...


    Tja, eine Woche später meldete sie sich und erzählte, dass eine ihr gut bekannte Professorin ihr einmal auf einem Kongress von einer tollen Magisterarbeit erzählt habe. Sie habe den Verfasser unbedingt zum Promovieren überreden wollen, aber der habe kein Interesse gehabt, weil er als "mature student" im Ruhestand nur seinen Uni-Abschluss für den eigenen Ehrgeiz nachholen wolllte. Also wurde die Arbeit nie veröffentlicht oder erweitert. Komisch - das Thema unserer Facharbeit ähnelte einem Teilaspekt dieser Magisterarbeit doch sehr. Der ehemalige Klassenlehrer des betreffenden Schülers erinnerte sich, dass der Junge in den Ferien früher häufig zu Verwandten in just diesen Uni-Ort gefahren sei. Und ein Blick in alte Schulakten ergab, dass der (sehr gängige) Mädchenname der Mutter unseres Ex-Schülers (inzwischen längst mit Abitur versehen) sich zufällig mit dem des Verfassers der Magisterarbeit deckte.


    Auch wenn wir die Energie hätten, hier einen Nachweis anstreben zu wollen... belegen ließe sich wohl nichts. Aber mich hat das zu mehr Vorsicht gemahnt. Ehe ich Facharbeitsthemen annehme, lasse ich mir von den Schülern (nachdem ich ihnen erklärt habe, wie man internationale Bibliothekskataloge online nutzt) immer eine Liste mit mindestens drei relevanten Titeln zu ihrem gewünschten Thema vorlegen, die ich dann auch fotokopiere. Das schreckt von den ganz exotischen Themen doch eher ab.

  • Hallo frewen,
    es handelt sich um eine Arbeit im Fach Deutsch! Ich habe ihr gestern auch immer wieder gesagt, dass ich den Bezug zu Deutsch brauche und dass ihre Arbeit sehr stark in Richtung Soziologie, Geschichte oder was auch immer geht.
    Die Schülerin konnte mir auch nicht sagen, wie sie überhaupt auf dieses Thema gekommen ist, als ich ihr sagte, dass sie ja auch noch eine Einleitung mit Aufgabenstellung und Co schreiben müsste - nicht dass wir einen kompletten Workshop zum Thema Facharbeit gehalten hätten - war ganz großes Erstaunen da.
    Den Link konnte ich nicht öffnen. Ich muss mal gucken, ob ich da über googeln auch hin komme.
    Ich weiß jetzt nicht so recht, wie ich weiter verfahren soll. Die Schülerin soll mir, denke ich, zumindest erklären können, wie sie auf ihr Thema gekommen ist - abgesehen davon, dass es ja auch noch nicht steht....

  • Hallo Aktenklammer,


    ich habe den Link in meinem ersten Beitrag repariert. Jetzt müsste die Weiterleitung eigentlich funktionieren. Es handelt sich um eine offenbar sehr interessante Untersuchung von Cornelia A. Endler mit dem Titel: Es war einmal... im Dritten Reich. Die Märchenfilmproduktion für den nationalsozialistischen Unterricht, Frankfurt: Peter Lang 2006


    Antiquarisch ist das Buch (allerdings zu einem stolzen Preis) auch über amazon.de noch erhältlich, dazu ganz sicher (ohne dass ich jetzt recherchiert hätte) über Fernleihkataloge der wissenschaftlichen Bibliotheken. Enthalten ist laut Inhaltsverzeichnis, auch wenn es hauptsächlich um Märchenverfilmungen zu gehen scheint, sehr viel an Information zur Rolle dieser Literaturgattung in der Zeit des Nationalsozialismus.


    Spannend finde ich diesen Teilaspekt des Themas Märchen allemal (aber ich bin ja auch eher historisch interessiert), besonders wenn man den Aspekt der Instrumentalisierung von Märchen im Rahmen natioalsozialistischer Erziehung herausgreifen würde. Ein wenig Literatur wäre hier wohl auch mit ein bisschen Hilfestellung zu finden, so dass ich das Projekt für eine ansonsten gute Schülerin schon als machbar empfinden würde, auch im Rahmen einer Facharbeit. Sicher wäre es weniger ausufernd als das ursprüngliche Vorhaben...


    Aber genau das ist das eigentliche Problem, das ich mit Facharbeiten in der gymnasialen Oberstufe habe: Es wird von Jugendlichen, die bislang mit wissenschaftlichem Arbeiten nur sehr begrenzt in Berührung gekommen sind, eine zumindest wissenschaftsähnliche Leistung verlangt. Vorbereitungsseminare haben wir zur Vorbereitung der Facharbeiten auch, aber der praktische Effekt lässt leider meistens zu wünschen übrig. Häufig verschätzen sich die Schüler völlig, was die Machbarkeit bestimmter Themen auf begrenzter Seitenzahl angeht. Vielleicht ist das auch hier passiert: Als du das urspüngliche angedachte Monsterthema abgelehnt hast, hat die Schülerin eben einfach irgendetwas ausgewählt, was ihr bekannt vorkam. Und "Märchen im Nationalsozialismus"... naja, das klingt eben griffiger als z.B. "Märchen im Biedermeier".

  • Danke für die Reparatur.
    Ich finde das Thema auch interessant und könnte mir vorstellen, dass etwas Interessantes herauskommt. Ich fürchte aber ,dass ein Schüler hier wenig "Eigenleistung" bringen kann, sondern eher eine Übersicht über die Literatur geben kann.
    Das Thema der Einschränkun hat sich ein wenig herauskristalisiert, als ich sehr mühselig und gebetsmühlenartig sagte, dass der gedachte Aufbau viel zu heterogen ist, das Thema zu allgemein ist und man es deutlich einschränken müsste. Es war schon regelrecht nervig, weil die Schülerin es einfach nicht akzeptieren wollte. Mich interessiert eben auch, wie sie auf das Thema gekommen ist.


    Es ist insgesamt sehr schwierig ... eine andere Schülerin eiert auch bei der Themensuche herum, sucht sich was aus, weiß aber nicht, was sie genau herausfinden will, bei meinen Erklärungen, was ein geeignetes Thema ausmacht oder bei Themenvorschlägen fragt sie sich, was sie "so lange schreiben" soll ... Die Schüler haben glaube ich noch keinen Blick dafür, wie erschöpfend man sich mit einem Aspekte beschäftigen kann und was es heißt nicht nur mal kurz mit dem Fingernagel dran zu kratzen... :)

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