Sprach- und Schreibvermögen - was ist noch normal?

  • Ich sitze gerade mal wieder völlig frustriert über den Deutscharbeiten meiner Siebt- und Neuntklässler. Jeden Satz muss man mindestens dreimal lesen, bevor man ihn versteht und für die vielen Korrekturen, die nötig wären, ist kaum genug Platz am Rand. Das ist völlig frustrierend, weil ich wirlkich fast jeden Satz verbessern bzw. anstreichen muss. Fast keiner meiner SuS ist dazu in der Lage einen grammatikalisch einigermaßen sinnvollen Satz zu schreiben. Von den vielen Rechtschreibfehlern mal ganz abgesehen.
    Bei den Siebenern ist genau eine wirklich gut lesbare Arbeit dabei (von 30). Bei den Neunern sind es ein paar mehr, aber auch da habe ich z.B. noch SuS sitzen, die z.B. am Satzanfang konsequent klein schreiben 8o Ich weiß echt nicht mehr, was ich mit denen machen soll. 95% meiner SuS haben null Sprachgefühl - und das sind nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund.


    Die Dritt- und Viertklässler aus meinem Grundschulpraktikum waren sprachlich wesentlich fitter. Meine SuS entwickeln sich eher zurück... ;(
    Ich soll sie auf zentrale Prüfungen vorbereiten und ihnhaltlich und sprachlich relativ anspruchsvolle Dinge mit ihnen bearbeiten aber andererseits befindet sich der Großteil der Klasse auf Grundschulniveau. Das kann nicht funktionieren und ich bin ziemlich ratlos, wie ich das anpacken soll.

  • Zitat

    Meine SuS entwickeln sich eher zurück.


    Ich habe seit einiger Zeit ganz ungewöhnliche Gedanken dazu. Ich
    denke, dass das übliche Unterrichten die Kinder sich zurückentwickeln
    lässt. Unterrichten heißt ja, dass der Lehrer vorgibt, was und wie
    gelernt wird. Alle Lebewesen, Menschen einschließlich und dazu
    gehören auch Schüler, möchten aber am liebsten eigenen Antrieben
    folgen, weil das ihrem physischen und psychischen Bedürfnis nach
    Selbstbestimmung entspricht. Über Jahre lernen Schüler, dass ihre
    eigenen Antriebe nicht gefragt sind, denn der Lehrer bestimmt, was
    gemacht wird. Dies könnte dazu führen, dass Schüler beim Betreten
    des Unterrichtsraumes eine erlernte Art des Verhaltens einnehmen, die
    man prinzipiell als passiv bezeichnen könnte.


    In der Grundschule tauchen erste ausgeprägte Merkmale dieses
    Verhaltens bei allen Schüler in der 3. Klasse auf. Anzeichen dafür, dass
    die ursprüngliche Lernfreude versiegt gibt es bereits nach wenigen
    Wochen in der 1. Klasse. Dies erleben Grundschullehrer.


    In der Sekundarstufe wird die Entwicklung dieses passiven
    Lernverhaltens weiter gefördert und gefordert. Dabei könnten Schüler
    den Eindruck gewinnen, dass Schullernen nichts mit ihnen zu tun hat,
    sondern eine mehr als überflüssige Pflichtübung ist. Entsprechend
    versiegt das Interesse an Lerninhalten und es ist mir vorstellbar – im
    Hinblick auf neurowissenschaftliche Forschungsergebnisse -, dass auf
    passive Weise Erlerntes leichter in Vergessenheit gerät, als das, was ein
    Mensch sich eigenaktiv aneignet.


    Manfred Spitzer beschreibt Lernen im Hinblick auf neurophysiologische
    Beobachtungen so: Lernen heißt, dass das Gehirn neue synaptische
    Verbindungen entwickelt. Dies geschieht aber nur, wenn das Gehirn
    durch Erproben des Neuen feststellt, dass es besser funktionieren kann.
    Daraus kann man ganz grob schlussfolgern, dass Aktivität des
    Individuums zum Lernen gehört.


    Ändern werden sich an Passivität gewohnte Schüler erst dann können,
    meine ich, wenn man Ihnen Raum zum eigenen aktiven Lernen gibt.
    Dies dürfte auch bei Deinen Schülern nicht mehr ohne Deinen Einsatz
    mit ihnen anders zu lernen, ermöglicht werden können.


    Monika :)

    Die Disziplin des Lernens unterscheidet sich von der Disziplin der Schule.

    Einmal editiert, zuletzt von Monika ()

Werbung