Schulpraxissemester in BaWü

  • Hi,


    ich mache gerade mein SPS in Baden Württemberg an einem großen Gymnasium und dachte, ich schildere mal meine Eindrücke.


    Zunächst: das SPS ist eine Art "vorgelagertes erstes Ref-Halbjahr"; seit ein paar Jahren müssen das alle LA-Studenten, die Sek2 unterrichten wollen, hier durchführen. Das spart dem Land sechs Monate Referendarsgehalt (wir kriegen keinen Cent), da dieses Semester dann beim Referendariat gekürzt wird. Sinn der Sache ist offiziell, dass wir mal 30 Stunden in einem einigermaßen frühen Studienstadium unterrichten, um die Berufseignung zu testen.


    Die Betreuung an der Schule ist relativ vorbildlich, wir haben einen klaren Hauptverantwortlichen als Ansprechpartner, der gut erreichbar und sehr kooperativ ist. Die Lehrer sind großteils willig, uns an ihrem Unterricht teilhaben zu lassen und Teile übernehmen zu lassen. Selten kommt sogar die Initiative von Seiten der Lehrer (z.B. wenn die durch Fortbildungen o.ä. ein Weilchen ausfallen und die Stunden an uns abgeben wollen); wenn man selber fragt, darf man auch fast bei allen ein paar Stunden "abhaben".


    Die Lehrer sind buntgemischt, wie man das sicherlich aus dem eigenen Kollegium kennt; es gibt erstaunlich viele engagierte, vernünftige und gute Lehrer, aber es gibt freilich auch die ganz üblen Fälle, die man selbst schon in der Schule schrecklich fand ... ich habe das Glück, nur in einer Klasse bei so jemandem gelandet zu sein; da fragt man sich ernsthaft, was man da als Praktikant (und als Schüler?!) lernen soll, wenn aus dem Lehrer die pure Lustlosigkeit und Schulverdrossenheit spricht. Aber es schadet als Warnung sicher nichts, wenn man das mal gesehen hat. Ansonsten habe ich entweder viel Glück gehabt, oder die Mehrzahl der Lehrer ist wirklich mit dem Herz bei der Sache.


    Begleitend zur Schulpraxis finden bei uns eine Reihe von Seminaren statt, die fast alle ganztägig ausfallen, sodass man also an diesen Tagen nicht in die Schule kann. Dadurch ist bei mir fast die Hälfte meiner Englischstunden in den bisherigen sechs Wochen ausgefallen - das ist blöd gemacht! Noch dazu wirkt der Großteil dieser Veranstaltungen wie die reine Zeitverschwendung - mehrmals waren sie einfach miserabel, weil sich der Dozent nicht vorbereitet hat. Das hat dann in den betreffenden Fällen zu 8-stündigen Frontalunterricht-Sitzungen geführt. Vielen Dank! Auch ansonsten habe ich nicht das Gefühl, irgendeinen Gewinn daraus gezogen zu haben; bis auf die wenigen theoretischen Vorschläge zur Unterrichtsplanung kam da nichts, was ich in der Schule hätte umsetzen können. (Und auch das ist in der uni-internen Fachdidaktik alles schonmal vorgekommen...)


    Durch das hochgradig undurchsichtige Bewerbungsverfahren (offiziell 'First-come-first-serve', wird aber vielfältig von den Schulen unterlaufen) in BaWü kann es leicht passieren, dass man für sein SPS an den Arsch der Welt muss. Ich fahre jeden Morgen 1,5 Stunden durch die Gegend, bis ich vor der Schule stehe. Da ich ziemlich häufig zur ersten Stunde da sein muss (ca. 4 von 5 Werktagen), schlägt mir das mittlerweile spürbar auf die Energiereserven. Zudem ist es extrem anstrengend, wenn man nach dieser Anreise dann auch noch einen vollen Stundenplan hat, ein zwei Stunden selbst unterrichtet, drei vier fünf Stunden hospitieren soll ... ich sitze regelmäßig mittags im Zug und bin völlig geschafft.


    Nun soll das SPS eigentlich dazu dienen, sich der eigenen (Un)Eignung zum Lehrberuf klar zu werden. Das findet aber leider garnicht statt!


    Freilich: wenn es "garnicht" geht, dann wird das ein Ausbildungsleiter oder ein Fachlehrer bemerken. In meinem Fall sieht es nun so aus, dass ich von den Lehrern, deren Meinung ich für beachtenswürdig halte, und von meinem Ausbildungsleiter durch die Bank so gut wie nur positives Feedback bekomme. Ich nehme deutlich wahr, dass meine Mitpraktikanten (oft zurecht) sehr viel kritischere Rückmeldungen zu ihren "Präsentationsstunden" erhalten.


    Die eigentliche Entscheidung muss aber natürlich ich treffen, und da tue ich mich deutlich schwerer. Ich fühle mich oft vor dem Unterricht unwohl, werde manchmal (eigentlich grundlos, was soll mir eine sechste Klasse schon antun?) wahnsinnig nervös, komme aus Unterrichtsstunden völlig geschafft raus oder sitze morgens im Zug und würde vor Unruhe am liebsten wieder heimfahren. Andererseits: in der Zeit, in der ich vor einer Klasse stehe, habe ich wieder das Gefühl, dass mir das total liegt, dass die Schüler mich mögen, dass ich sie mag, dass sie mir auch (im Rahmen der Möglichkeiten :D ) folgen (können, wollen) ...


    Was mir jedenfalls schwer im Magen liegt, ist die gefühlte "Endgültigkeit" des Studienganges. Mit Latein, Englisch und Geschichte wird es nach dem Examen wenig andere Möglichkeiten geben, als an der Uni zu bleiben oder eben in die Schule zu gehen. Man möge mich nicht völlig falsch verstehen: es macht mir durchaus Spaß, an der Schule zu unterrichten. Aber die Gefahr, das vielleicht in zehn Jahren anders zu sehen, wenig Alternativen zu haben, im schlimmsten Fall nur irgendwo in der Prärie eine Stelle zu bekommen, fühlt sich eben nicht sonderlich gut an.

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