Falsche Schule?

  • Hallo Timm,


    ohje - das klingt nach Desillusion und beginnendem Burnout.


    An deiner Beschreibung sieht man, wie unterschiedlich Schulen sind. ich bin auch gerade dabei zu wechseln und mir gehen ähnliche Dinge durch den Kopf. Als verbeamteter Lehrer kann man nicht so einfach kündigen und gehen - dafür kann man aber auch nicht gekündigt werden.


    Ob dich woanders was "Besseres" erwartet? Es könnte sein, dass du eine Schule findest, an die Schüler leistungsstark sind. Aber ganz ehrlich - das, was du beschreibst, ist Alltag an den meisten Schulen.
    Jetzt wieder eine Versetzung würde meiner Ansicht nach dein Problem nicht lösen.
    Ich denke, du hast Probleme hiermit:

    Zitat

    Mein Problem: Ich bin mal mit so viel pädagogischem Ideal gestartet und jetzt brauch ich mich kaum noch vorbereiten, weil eh egal, Unterricht zum Einschlafen. Es ist nur noch ein Job geworden und das wollte ich nie.


    Natürlich ist der Lehrerjob kein Job wie jeder andere. Er verlangt viel, aber man bekommt auch viel zurück. Und das sollte man sich erhalten.
    Im Moment arbeitest du so, dass nichts zurück kommt.
    Es ist wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung - du unterrichtest und weißt vorher schon, dass das alles unbefriedigend ist. Und so wirst du an keiner Schule glücklich - es sei denn, du bist an einer Elite-Schule und auch da wirst du Dinge bemängeln.
    Der Start mit vielen Erwartungen ist gefährlich, denn die Ideale können ja gar nicht aufrecht erhalten werden. Meistens bekommt man ja im Ref auch ein völlig falsches Bild von Schule und Unterricht und wacht dann erst in den darauffolgenden Jahren auf - oft frustriert und desillusioniert.


    Mein Tipp: Mache aus dem, was du hast, das Beste.
    Überdenke deine Ansichten und deinen Respekt vor Schülern.
    Du musst keinen Unterricht mehr vorbereiten? Das glaube ich dir nicht!
    Probiere neue Methoden aus, setze es dir zum Ziel, die Schüler fit zu machen. Wenn sie merken, dass da jemand ist, der sie nicht schätzt und evtl. sogar unterschätzt, dann merken sie das. Und dann wirds langweilig.
    Mach Wandertage und Exkursionen mit Klassen, fahr auf Klassenfahrt, binde neue Methoden und Inhalte, die die Schüler von sich selbst erzählen lassen, ein. Lerne deiner Schüler kennen und stempele sie nicht ab als dumm und faul. Sie können nichts dafür, dass sie in diese komische Zeit hineingeboren wurden und vielleicht kein Glück mit ihren Eltern oder ihrem sozialen Umfeld hatten.
    Und lass ihnen auch ein bisschen die Gelegenheit, dich kennenzulernen. Eine gute Arbeitsatmosphäre ist immer ein Balanceakt, und wenn man das schafft, ist Unterricht für beide Seiten eine befriedigende Sache.


    Ich unterrrichte an einem Berufskolleg und habe viiiiiiele nicht-leistungsstarke Schüler:-) Ich bin auch gar nicht so scharf drauf, die zwei Kurse, die ich in unserem Abi-Bereich hatte, waren anstrengend und nervig - Leistungsdruck, Notengeileheit etc.
    Ich mag meine Berufsfachschüler lieber - sie sind um einiges kindlicher und weniger ehrgeizig, dafür aber natürlicher. Ich habe oft in den schwächsten Klassen den größten Spaß. Ich mag im Moment eine Klasse gerne, die schriftlich einfach nur katastrophal schwach ist. Aber der Unterricht macht Spaß, die Schüler vertrauen mir wichtige Dinge an (Frau x, ich habe einen Ausbildungsplatz, was sagen Sie dazu?) und die Beteiligung ist trotz stinklangweiligem Thema super!


    Ich kann dir nur raten, mal wieder zu dir selbst zu finden und eine ausgewogene Lehrerpersönlichkeit zu entwickeln. Du bist mit hohen Zielen gestartet und nun holt dich der Alltag und die geballte Ladung Desillusion ein - das ist aber nicht selten, ich bin mir sicher, dass es vielen so geht.
    Ich bin seit 7 Jahren dabei und habe auch schlimme Phasen hinter mir - bei mir waren es eher Probleme mit Vorgesetzten, eine extrem hohe Korrekturbelastung und enorm viel Unterrichtsvorbereitung, die mich fertig gemacht haben. Wenn dann noch jemand undankbar war, war ich fix und fertig. Mittlerweile habe ich aber etwas an meiner Denkweise geändert und seither gehts mir trotz fast voller Stelle, einem frisch diagnostizierten, schon lange bestehendem ADHS und einem lebhaften Kleinkind zuhause wieder gut.


    Leider ist es so, dass man als Lehrer auch feststellt, dass man phasenweise immer wieder das selbe macht und jedes Jahr aufs Neue erzieht, bildet und thematisch immer weider das selbe macht. Das ist aber in fast jedem Job so. Und die Kunst, sich davon nicht fertig machen zu lassen, muss jeder leisten. Auch ein Lehrer. Viel Erfolg!

    2 Mal editiert, zuletzt von Micky ()

  • Dem kann ich nur zu stimmen. Aber was ist, wenn alle Vorsätze und Ratschläge nicht mehr greifen, wenn die Situation schon zu weit fortgeschritten ist? Trotz Engagement mit diversen Projekten, ehrenamtlichen Tätigkeiten, neue Freizeitgestaltung kam die Zufriedenheit nie bei mir an.
    Dann kam mein folgenschwerer Fahrradunfall im Mai 2008, der mich dazubrachte meine Erfahrungen und Erkenntnisse in meinem Buch `Schule macht krank - und dann!?´ zu veröffentlichen. Mit diesem Buch möchte ich erreichen, dass all die, die in einer ähnlichen Sphäre sind, mit Mut und Aufmunterung ihren Weg gehen und vielleicht gleichgesinnte finden, um auf diesem Wege Stärkung zu erfahren.
    Das Bildungssystem muss sich dem Wandel der Zeit anpassen, bevor auch Sozial- und Gesundheitssystem noch stärker davon betroffen sind.

  • Als ausgelernter Optimist (die fleißigen Leser hier wissen, was ich meine :D), was das System Schule betrifft, habe ich erkannt, dass folgende Dinge helfen:


    Die eigene Gesundheit hat oberste Priorität.
    Effizienz und Effektivität beim Unterrichten sind wichtiger als der neueste pädagogische Trend (der morgen sowieso wieder ganz alt aussieht...).
    An der Schule nur Zusatzaufgaben machen, die man wirklich selbst machen will (und sich in nichts hineindrängen lassen).
    Für mentalen und körperlichen Ausgleich neben der Schule sorgen: Freunde, Familie, Hobbies.
    Die Wochenenden freihalten.


    Wenn man nicht auf sich selbst achtet, wird einen das "System" aussagen und danach wie einen ausgelutschten Drops wieder ausspucken. Ich habe da in meinen (relativ wenigen) Dienstjahren schon genug Negativ-Beispiele an älteren Kolleginnen und Kollegen gesehen. Das muss man sich nicht antun. Zum Pensionsalter mit 67 ist es noch ein weiter Weg und die Pension, die einen dann erwarten wird, ist es wirklich nicht wert, von vorzeitiger Dienstunfähigkeit ganz zu schweigen.


    Gruß !

    Mikael - Experte für das Lehren und Lernen

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