• Umgs. ist der Gebrauch dieses Wortes wohl nicht mehr zu verhindern, so ist Sprache eben ! Ich würde aber natürlich in jedem Fall darauf aufmerksam machen, dass es in geschriebener Form in 99 % aller Fälle fehl am Platz ist.

  • Mal ganz ernsthaft gefragt - was ist denn an "geil" so bubu, bzw. so "schlimm", um den Hörzu-Leserbriefjargon zu gebrauchen?


    Eigentlich ist das ein schönes altes Wort, das auch noch ein sehr kraftvolles sprachliches Bild ausdrückt: wenn man "geil" als einen quantifier verwendet, beschreibt es ein Konzept als maßlos wuchernd, überbordend, alles und jeden ansteckend. Im Grunde schließt das doch nur den Kreis zur ursprünglichen Wortbedeutung.


    Der sexuelle Aspekt der Wortbedeutung tritt interessanterweise mehr und mehr an den Rand. Eindeutig ist er nur noch in Phrasen wie "geil sein", "geil auf etw. sein" und im Kompositum "notgeil". Die Mehrzahl der Anwendungen ist ganz klar entsexualisiert: "das ist so eine geile Karre" z.B. ist inhaltlich sinnlos, wenn man eine sexuelle Wortbedeutung annimmt; in solchen Fällen kann "geil" eine positive Haltung des Sprechers ausdrücken, als Suffix kann es eine starke Kritik ausdrücken: "machtgeil", "geldgeil". Dieses interessante Spannungsfeld des Begriffs zeigt sich m.M. an der interessanten Diskussion um den Slogan "Geiz ist geil". Einerseits funktioniert der Werbespruch und hat eine klare, emotional gefärbte Aussage. Andererseits funktioniert auch die die andere Variante; wer den Slogan verwendet, ist geldgeil. Letzlich hat sich offensichtlich die zweite Interpretation durchgesetzt. Spannend, wie gesagt.


    Aber nochmal gefragt, warum eigentlich ein potenziell sexualisierendes Wort wie "geil" als obszön empfunden wird? Interessanterweise sind es oft Fremdworte, trotz identischer Metaphorik, viel weniger anstößig: eine potente Lösung, ein phallisches Auftreten; oder in anderen Beispielen kann eine jungfräuliche Landschaft auch im metaphorischen Schriftdeutsch brutal vergewaltigt werden.


    Wie gesagt - richtig verständlich ist für mich das ganze Problem nicht; ich habe eher den Eindruck, dass so eine tradierte Überzeugung ist. "Geil" darf man nicht sagen, weil das so ist. Ich sehe das eher als Registerfrage.


    Die Alternativen? Nunja, eine gut gepflegte Carrera-Bahn von 1979 ist nuneinmal nicht "toll" sondern "geil". Das sind unterschiedliche Dinge. Wenn ich eine saftig druckvolle Invektive brauche, weil mir ein Backstein auf den Fuß fällt, sage ich ganz bestimmt nicht "verflixt" sondern "Scheiße!" Die Ersatzvorschläge sind nuneinmal recht dünnflüssig. :)


    Nele

  • PS: das Lied von Deichkind (Leider geil) ist echt gut :>


    Gerade läuft es auch bei mir im Radio, so ein Zufall. Das Lied ist zwar nicht mein Musikgeschmack, aber ich denke es ist eben so, dass sich Sprache verändet und Wörter in den Gebrauch über gehen. Dabei müssen sie ja nicht so wie früher verstanden werden. Die Beeinflussung der Medien ist sicher nicht aufzuhalten.

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