Theoriedidaktiksenf

  • Im Forum von referendar.de ist eine Diskussion entbrannt über mögliche Reformen der Lehrer-Ausbildung. Heike und Melosine haben interessante und bedenkenswerte Beiträge geschrieben, die ich hier mal konserviere (da bei referendar.de ein Relaunch - auch und v.a. des Forums - ansteht, ist nicht gesichert, daß die Beiträge da auch erhalten bleiben).




    Da kommen diskussionswürdige Ansichten zutage, auf die ich gerne bei Gelegenheit mal eingehen würde. Im Moment hab ich aber leider keine Zeit dazu. :(


    demnächst mehr... ;)
    gruß, ph.

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

    • Offizieller Beitrag

    Ich muss noch sagen, dass ich eben nicht unter dem von mir angegebenen Link fündig geworden bin.
    Werd bei Gelegenheit (erstmal steht noch ein Ub an), den Aufsatz der Forschergruppe mal raussuchen, der sehr interessant war.


    LG,
    M.

    Für mich gibt es wichtigeres im Leben als die Schule.


    (Mark Twain)


    Auf dem Weg zur Weltherrschaft! :teufel:

  • So, jetzt reiche ich mal - gerafft - meine Überlegungen nach:


    1. Zur Rekapitulation: Heike macht sich für die Fachwissenschaft stark (im Forum von referendar.de hatte ihr Beitrag ja auch die Überschrift Die Rettung der Fachwissenschaft) und wünscht sich - sozusagen als Schmankerl ;) - vermittlungstechnische Zusatzkurse; wie mache ich aus Fach-Thema XY eine Unterrichtsreihe/-stunde etc. Dies schwebt ihr als Alternative zu erziehungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Seminaren vor. Im Grundtenor: Mehr (Schul-)Praxis, weniger (graue) Theorie. Die Theorie-Praxis-Dichotomie kommt auch bei Melosine vor, allerdings räumt sie ein, daß ihr die Theorie auch in der Praxis nützlich war - nämlich zur Legitimation alternativer Unterrichtsmethoden. Gleichwohl findet sie auch, daß die Ausbildung praxisnäher ausfallen sollte. - Habe ich das so korrekt wiedergegeben?


    2. Mein (Theoriedidaktik)Senf: Ich war mir meiner Lehramtsausbildung auch nicht hochzufrieden, da - insbesondere in NRW - der Praxisanteil des Studiums verschwindend gering ist. Eine Verzahnung von Studium und (Schul-)Praxis ist ganz ohne Zweifel sinnvoll. Aber wäre das nicht die Aufgabe des Referendariats? ?( In der Praxis ist ja leider so, daß die 2. Phase der Lehrerausbildung von Bildungsbürokraten als zu plünderndes Reservoir billiger Arbeitskräfte genutzt wird. Aber eigentlich wäre das ja eine Lernphase, die nur leider grotesk fehlgesteuert ist, was dazu führt, daß die theoretische Ausbildung in den Studienseminaren mit den Anforderungen des Schulalltags nicht mithält - so zumindest ist es aus den Beiträgen des besagten threads bei referendar.de herauszulesen.


    3. An dieser Stelle würde ich aber gern mal für den Theoriedidaktiksenf Stellung beziehen & fordere ein Bleiberecht für die Theorie in der universitären Lehramtsausbildung (1. Phase). Ein Verzicht auf theoretische Reflexion zugunsten praktischer Anleitung wird längerfristig der Schaden der Lehrer sein. Der Vorwurf der Praxisferne läuft gegenüber der Erziehungswissenschaft läuft insofern ins Leere, als das Wissenschaft eben nicht praktisch ist, sondern theoretische Modelle entwickelt, anhand derer man sich die Praxis begreiflich machen kann. Und die hier geforderte Fähigkeit zur Metakognition ist immens wichtig - gerade für Lehrer, die unterrichten, erziehen, beurteilen, beraten und innovieren (!) sollen. Beschränkt man sich auf den Drill vermittlungstechnischer Rezepte (à la "Wie unterrichte ich Goethes Faust handlungsorientiert?") und läßt die theoretische Reflexion ("Warum soll man überhaupt handlungsorientiert arbeiten?") aus, fürchte ich, führt das längerfristig zu einer Entmündigung der Fachlehrer gegenüber den sog. "Experten" und der Bildungsbürokratie, die in regelmäßigen Abständen eine neue didaktische Sau durchs Dorf treibt. Um diese "didaktischen Säue" ;) in ihrer Bedingtheit (auf welchen theoretischen Annahmen fußen sie? welchen reformpädagogischen Hintergrund haben sie ggf.?) zu erkennen und ihre Relevanz einschätzen zu können, bedarf es eben theoretischer Kenntnisse in diesem Bereich. Und da würde ich in der Lehrerausbildung auch so Veranstaltungen wie "Die Rolle der Reformpädagogik in der Entwicklung zur kommunikativen Fremdsprachendidaktik" oder "Der lernpsychologische Wert der Kategorisierung von Sprechakten" ein gewisses Recht einräumen.


    Übrigens wird in NRW im Rahmen der Reform der Lehrerausbildung bereits über ein konsekutives Modell nachgedacht, das der Rettung der Fachwissenschaft, wie Heike sie kurz skizziert hat, dient: Ein rein fachwissenschaftlicher Bachelor + ein darauf aufbauender Didaktik-Master (freilich im Schmalspurformat & mit integriertem Kurz-Ref.! 8o ). Dieses Modell wird allerdings für sich sicherlich keine besseren Lehrer hervorbringen, denn es ist v.a. im Hinblick auf Studieneffizienz und Kostendruck hin konzipiert, also nichts anderes als ein Sparmodell. Wenn man böse sein wollte, könnte man diese Umwertung der Didaktik zum bloßen Aufbaukurs als Institutionalisierung des Quereinsteiger-Modells begreifen.


    gruß, ph.


    BTW: Vertiefte Kenntnisse der Geschichte der Reformpädagogik könnten auch dazu beitragen zu verstehen, wie bestimmte Entwicklungen im Alternativschulwesen (Waldorf, Montessori) zustande kommen, um dann gedanklich die Spreu vom Weizen trennen zu können. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

  • Ich "rette" (= zitiere) mal wieder einen Beitrag aus einer interessanten Diskussion bei referendar.de (Ich habe dort auch einen Antwortbeitrag gepostet, der aber irgendwie verpufft, weil diese Baumstruktur fürchterlich unübersichtlich ist und alte threads auch mit neuen Antworten nach unten rutschen.):


    Kati schrieb dort:


    Zitat

    ES IST TRAURIGE REALITÄT, dass die Lehrerausbildung selbst im Referendariat mit Praxis und Pragmatik nicht viel zu tun hat (oder warum soll ich mich bei Unterrichtsstörungen, wie im Seminar besprochen, erst auf die "mentale Ebene" des Störenden begeben, bla bla bla, ...Ich habe Lehrer kennengelernt, die absolute Disziplin in ihren Klassen haben, allerdings mit gut strukturiertem Unterricht, Konsequenz und transparenten Regeln und Maßnahmen, die z.T. durchaus hart waren und mit dergleichen Härte umgesetzt wurden (Sonderaufgaben, Klassenbucheinträge, Rausschmeißen mit ner Standpauke, Elternbriefe) DAS FUNKTIONIERT UND SORGT FÜR die für guten Unterricht in den Hauptfächern NÖTIGE RUHE BEI SCHWIERIGEN THEMEN. All das lernt man aber nicht im Seminar, da wäre es wohl eher ein Todsünde, sich zu solchen Maßnahmen zu bekennen. EIN GROSSTEIL DER ACH SO INFORMIERTEN zumeist schon seit längerem schulfernen (6 Stunden pro Woche an der Schule steht für mich gleich mit schulfern) DIDAKTIVER UND PÄDAGOGEN DER STUDIENSEMINARE SIND DOCH GELTUNGSSÜCHTIG, KARRIEREORIENTIERT UND WOLLEN uns INDOKTRINIEREN.


    Quelle: http://www.referendar.de/forum/messages/22831.html


    Zusammengefaßt kommt darin wieder die o.g. Theorie-Praxis-Dichotomie zur Sprache: Im Seminar gibt's nur (graue) Theorie, die in der Praxis nicht (sofort) fruchtet. Allerdings gibt's in diesem Beitrag auch Zwischen- und Nebentöne, die ich hochinteressant (aber auch ein wenig erschreckend) finde.


    Was ist für Kati das Nonplusultra in der Praxis? - Ein "gut gemachter Fachunterricht", in dem die (wichtigen) Themen behandelt werden - und zwar abgesichert durch "absolute Disziplin", die über einen Strafenkatalog hergestellt wird. Denn das "funktioniert". Und sie beschwert sich darüber, daß sie offenbar im Seminar nicht richtig lernt, wie man straft. Irgendwie scheint mir da unterschwellig durchzuscheinen, daß sie die Schüler eher als 'Störfaktoren' ihrer 'guten' Unterrichtsplanung ansieht - und nicht so sehr als die eigentlichen Adressaten des Unterrichts.


    Bin ich der Einzige, dem das zu dürftig ist? Ich finde einen (durchs Seminar & hoffentlich auch durchs Studium) 'theoretisch vorbelasteten' Lehrer, ehrlich gesagt, nicht schlecht. D.h. einen Lehrer, der sich durchaus auch auf die "mentale Ebene" des den Unterricht störenden Schülers begeben kann und nicht sofort mit dem Klassenbuch wedelt. Mithin ein Lehrer der INNOVIERT und nicht nur qua aemulatio das nachmacht, was die "alten Hasen" schon von je her machen. (Nicht falsch verstehen: Nicht alles Hergebrachte ist schlecht, aber es ist nicht schon etwas deswegen gut, weil es schon existiert.)

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

Werbung