Gesamtschule????

  • Differenzierst du in integrative und kooperative Gesamtschule?
    Da gibt es nämlich Riesenunterschiede...


    Wenn es um KGS geht, kann ich gerne mal ein bisschen berichten.


    Gruß,
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

  • Also um alle Grundlagen über das Gesamtschulwesen hier aufzuführen, fehlt mir leider die Zeit. ;)


    Daher nur kurz:


    IGS: Unterricht bis zur 10. Klasse im Klassenverband, Selektion in den Hauptfächern in verschiedene Kurse (entweder Grund- oder Erweiterungskurs oder A-B-C-Kurse),
    soweit ich weiß gilt an den IGS überall die 9jährige Gymnasialzeit


    KGS: 1 Schulverwaltung und 1 Gebäude(komplex) für die drei herkömmlichen Schulformen, die hier Schulzweige genannt werden: Gymnasialzweig, Realschulzweig, Hauptschulzweig.
    Ansonsten alles beim Alten.
    Durchlässigkeit ist erhöht, da bei einem Schulformwechsel die Schüler auf der gleichen Schule bleiben können und der Verwaltungsaufwand geringer ist.
    Entweder Eingangsklassen ab Klasse 5 oder Förderstufe und Selektion in die verschiedenen Schulformen ab Klasse 7. Wobei aufgrund der verkürzten Gymnasialzeit die Förderstufe in Zukunft bei den meisten KGS wegfallen wird.


    Meine Erfahrung an der KGS sind nicht besonders positiv. In meinen Augen eine Reform, die in den Ansätzen stecken geblieben ist und daher alle möglichen Kinderkrankheiten aufweist.
    Bei uns ist die KGS eher eine Art Restschule. Schüler aus sozial besser gestellten Elternhäusern oder mit interessierten, engagierten Eltern werden auf das "richtige" Gymnasium geschickt. Zu uns kommen nur die Gymnasiasten "zweiter Klasse". Entsprechend ist das Leistungsniveau deutlich niedriger und die selbsterfüllende Prophezeihung, dass Gesamtschulen ein niedrigeres Leistungsniveau haben, ist eingetreten.


    Für die Schüler untereinander führt die Selektion, die sie täglich vor Augen haben, oft zu Frustration. Schüleraustausch gibt es z.B. nur für Realschüler und Gymnasiasten wie auch besondere Angebote im Computerraum.
    Wobei das sicherlich ein Problem ist, was durch das Kollegium und die Schulleitung verstärkt wird. Damit könnte man auch anders umgehen.
    Wenn es so läuft, wie bei uns, bin ich jedoch eindeutig gegen KGS, obwohl ich Integrationslehrerin bin.


    Gruß,
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

    Einmal editiert, zuletzt von Mia ()

  • Der entscheidende Nachteil der Gesamtschule, der eigentlich gar nicht ihr Nachteil, sondern sozusagen der Nachteil der Umstände ist, ist der so genannte "creaming effect", der darauf zurückzuführen ist, daß die Gesamtschule mit einem dreigliedrigen Schulsystem konkurrieren muss.


    In diesem Vortrag von Renate Valtin (Professorin für Grundschulpädagogik an der Humboldt Universität zu Berlin) wird das - sehr knapp - erläutert:


    Zitat

    ...dass die Leistungsfähigkeit der Gesamtschüler, d. h. ihre Ergebnisse in Schulleistungstests, verglichen mit denen anderer Schularten nie besser, meist schlechter oder höchstens gleich gut waren. Meiner Meinung hat dies auch damit zu tun, was man (verräterisch) als „creaming“ effect („Absahnen“) bezeichnet: Bei freier Schulwahl entscheiden sich viele Eltern für das Gymnasium, so dass die Besten abwandern (Deutschlands Bildungselite war ja schon immer „erste Sahne“).


    Wichtige, wenn auch etwas ältere Literatur in diesem Zusammenhang:
    Fend, Helmut: Gesamtschule im Vergleich. Bilanz der Ergebnisse des Gesamtschulversuchs. Weinheim 1982

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

    • Offizieller Beitrag

    Auch ich bin an Erfahrungswerten interessiert, da ich mich auch an einer Gesamtschule beworben habe und morgen u.a. ein Vorstellungsgespräch an einer Gesamtschule habe. Ich habe jetzt ein bisschen gegoogelt, um noch etwas mehr über Gesamtschulen zu erfahren, aber mir ist noch nicht viel Aussagekräftiges begegnet. Hier ist aber ein guter Link für ein Referat: http://www.bildungsportal.nrw.…n/Gesamtschule/index.html
    Mia: Das, was du sagst, habe ich schon von mehreren (integrierten) Gesamtschulen gehört. Ich habe von Referendaren und Kollegen bisher eher Negatives gehört: riesige Schulkomplexe mit mehr als 1000 Schülern, meist viele schwache Schüler. Ich habe von einer Referendarin an einer Gesamtschule gehört, dass sie heftigste soziale Probleme und Konflikte haben (Zitat der Referendarin: "Prostitution, sehr viele Drogenprobleme, Selbstmordversuche auch während ihrer Dienstzeit..."). Die Schule liegt in der selben Stadt wie meine Realschule, wir haben auch einiges an Problemen, aber so krass ist es bei uns nicht. Ich habe auch von vielen Seiten gehört, dass die Grundschullehrer die schwächeren Schüler an die Hauptschulen empfehlen, aber wenn die Schüler nicht nur schwach sind, sondern auch viele soziale Probleme im Umfeld, dann werden sie an die Gesamtschule geschickt, da es dort ja immer auch eine Nachmittagsbetreuung gibt.
    Andererseits haben Gesamtschulen auch mehr räumliche, organisatorische, personelle und pädagogische Möglichkeiten, die man an einer kleinen Realschule so meist nicht vorfindet (wir haben an unserer Realschule zur Zeit nur eine AG, keinen Förderunterricht, keinen Schüleraustausch, keine Aula... ).
    Es soll wohl auch einzelne Gesamtschulen geben, die wirklich gut wären (Beispiel Europagesamtschule), aber das ist angeblich leider nur die Minderheit.
    Wie seht ihr das? Gibt es hier im Forum außer Mia keine Gesamtschullehrer?
    Welche Probleme und Vorteile seht ihr noch? Wie ist das mit den Arbeitszeiten im Ganztagsbereich, hat man viele Freistunden, gibt es Räume, in denen man in den Freistunden in Ruhe korrigieren kann, unterrichtet man auch fachfremd...?

  • Zitat

    Wie ist das mit den Arbeitszeiten im Ganztagsbereich, hat man viele Freistunden, gibt es Räume, in denen man in den Freistunden in Ruhe korrigieren kann, unterrichtet man auch fachfremd...?


    Ich denke, deine Fragen kann man gesamtschulspezifisch verallgemeinernd nicht beantworten. Nicht jede Gesamtschule ist Ganztagsschule. Meine z.B. auch nicht, so dass ich da keinen Erfahrungsbericht liefern kann.
    Auch die Räumlichkeiten sind natürlich von Schule zu Schule komplett verschieden, genauso wie es jeder Konrektor mehr oder weniger gut auf die Reihe kriegen wird, Freistunden zu vermeiden bzw. das hat nun auch wiederum mit den Kollegen zu tun, d.h. welche Fächerkombinationen vorhanden sind, wieviele Kollegen Teilzeit haben und was da halt sonst so alles dran hängt...
    Ob man fachfremd unterrichten muss bzw. darf, hängt ja auch so ziemlich zu 100% an der Stellensituation an der jeweiligen Schule und natürlich auch wieder von der Schulleitung ab.


    Bei uns unterrichten die Hauptschullehrer in der Regel sehr gerne fachfremd und dürfen das dann auch. Die Gymnasiallehrer dürften bei uns auch, aber die wollen in der Regel nicht. Ich habe bislang nicht mitgekriegt, dass jemand fachfremd unterrichten muss, aber ich krieg ja auch nicht alles mit. :D


    Ich kenne übrigens auch eine KGS, die versucht hat, das Beste aus den Ausgangsbedingungen zu machen und vom Hörensagen soll diese Schule das wohl auch sehr gut hingekriegt haben. Ich denke, da hängt unglaublich viel an der Schulleitung, den Kollegen und dem Konzept, das diese gemeinsam auf die Beine gestellt haben.
    Deswegen möchte ich aufgrund meiner schlechten Erfahrung gar nicht mal alle kooperativen Gesamtschulen verteufeln...


    Von den integrierten Gesamtschulen hier in der Region habe ich bislang allerdings nur Gutes gehört. Aber ich kenne die Schulen zu wenig, um berichten zu können, was diese für Konzepte haben.
    Diese Schulen haben den schlechten Gesamtschulruf auch (zumindest aus der Ferne beurteilt) überwunden und ich würde sie nicht mehr als Restschule bezeichnen. Allerdings liegen sie oft in Einzugsbereichen, die eine eher linksorientierte Elternschaft haben.
    Das spielt natürlich auch eine unheimlich große Rolle.


    Meine KGS sitzt inmitten eines schwarzen Nestes und hatte von Anfang an mit unheimlich großen Widerständen zu kämpfen. In solchen Einzugsgebieten sind Gesamtschulen einfach zum Scheitern verurteilt, denke ich, erst recht, wenn es dann so halbe Sachen wie kooperative Gesamtschulen sind.


    Referendarin: Schau dir die Schule einfach an wie jede andere Schule. Letztlich ist nicht das Schulsystem ausschlaggebend, ob das Kollegium engagiert ist und ein Konzept fährt, mit dem du dich identifizieren kannst.
    Und genauso wie es große Unterschiede bei verschiedenen Haupt-, Realschulen und Gymnasien gibt, gibt es diese bei Gesamtschulen. Da vielleicht sogar noch mehr... ;)


    Übrigens sind nicht alle Gesamtschulen riesige Komplexe, wenngleich das bei diesem Schulsystem natürlich gehäuft vorkommt. Hier im benachbarten Stadtteil gibt es z.B. eine schnuckelige IGS mit allen Vor- und Nachteilen einer kleinen Schule. ;)


    LG
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

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