Schülerzentrierung

  • Liebe Fachleute,


    nachdem ich also mein Arbeitsziel für die nächsten Monate lokalisiert hab, brauch ich mal Theorie- und Praxisnachhilfe: Wie bringt man Schülerzentrierung mit Lehrplan und Lehrprobe übereinander?


    Wenn ich das richtig verstanden habem heißt Schülerzentrierung, die SuS ihre Fragen selbst finden zu lassen, sie Dinge ausdiskutieren zu lassen usw. Ist prima, nur a) m.E. nicht vorhersagbar und b) auch schwer auf ein sicherungsadäquates Ergebnis für LP und nächste Klausur hin zu lenken. Das hört sich für mich so an, als müsste ich sie geschickt-manipulativ dahin lenken, dass sie das erforschen, was ich grad haben will, und zu den Ergebnissen kommen, die ich brauchen kann. Find ich in meinen Fächern ein großes Problem. Und wenn ich eh schon weiß, wo sie ankommen sollen, kann ich Ihnen doch auch gleich sagen, wo's hingeht, oder? Bitte um Klärung!


    Ein immer wegen seines Niewaus gelobter, aber wegen mangelnder schülerzentrierung kritisierter (wohlgemerkt, nicht fehlende SuSorientierung - spannend finden sie das alles schon)
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

  • Hallo armer Wolkenstein,


    da wird von dir die Quadratur des Kreise verlangt.


    Zumindest mir ist es im Referendariat nicht gelungen, Lehrplan mit Lehrprobe und Schülerzentrierung zu vernetzen.


    Kein Problem ist das mehr seit die Lehrproben wegfallen und daher brauche ich mir glücklicherweise nun keine GEdanken mehr darum zu machen.


    Die Zeit meines Referendariats habe ich nur mit geschickter Manipulation überstanden. Ich kannte meine beiden Vorführklassen in und auswendig und konnte einigermaßen planen, wie sie reagieren, wenn ich sie dahin lenke, wohin ich sie haben wollte. In der Regel waren meine Vorführstunden auch so vorbereitet, dass die Schüler wussten, worum es in dieser Stunde gehen sollte. Ich habe das zwar nicht mit den Schülern abgesprochen, aber bei mir hat es glücklicherweise funktioniert, dass die Schüler dann schon so auf das gewünschte Thema geeicht waren, dass die von mir erwünschten Reaktionen kamen.


    Tja, das hilft dir jetzt wohl auch nicht viel weiter. ?(


    Na ja, ich hoffe mal, dass jemand, der fach- und schülermäßig näher an dir dran ist, konkretere Vorschläge hat...


    LG,
    Mia

    Man soll denken lehren, nicht Gedachtes.
    (Cornelius Gustav Gurlitt)

  • Moin good old Wolkenstein,
    ich fand das Dilemma auch immer schwer zu lösen. Allerdings heißt Meinungsbildung und diskutierne lassen ja nicht, dass die fajten beliebig werden - Orientierungswissen ist Grundlage für das eigene begründete Sachurteil bzw. Werturteil, beides lässt sich nur in Zielkorridoren planen, aber nicht festlegen, denke ich.


    Schülerzentrierung geht gut, indem man die moderation abgibt. Ich hab das in mehreren UB's gemacht und auch noch in der UPP. Gut klappt das bei Karikaturen, z. B.: Karikaturen auf verschiedenen Textgrundlagen zu einem Thema erstellen (-> Multiperspektivische Analyse). Je besser und genauer das Textverständnis, desto mehr Details und desto durchdachter die Karikatur. In der GA kommt mit der Erstellung der Kariaktur ein kreativer Anteil ins Spiel. Am Schluss selbstständige Auswertung der Karikaturen durch die SuS (-> Interpretation von Karikaturen vorher üben), wobei die "Hersteller" selbst moderieren. Je besser sie gearbeitet haben, desto eher kommen die Betrachter auf die Botschaft und den Sinn. Danach jeweils kurze Zusammenfassung der Textgrundlage.... ich mache nur die Methodenreflexion oder eine sachliche Vertiefung. Das habe ich bisher sowohl in Geschi als auch Latein gemacht und in den betreffenden Stunden kaum noch ein Wort sagen müssen. Man muss seine Schüler aber darauf trainieren. ..


    Meintest du sowas?!
    Grüße und sei mal ganz dolle gedrückt... Weihnachten (=Ferien!) kommt bestimmt!
    JJ

  • Hallo ihr,


    in diesem Thread lernt man ja fürs Leben äh Ref ;)!


    wolkenstein
    Drücke die Daumen, dass du einen gangbaren Weg zwischen diesen beiden Widersprüchen findest... Und den findest du...


    LG
    ML

    Was man zu verstehen gelernt hat, fürchtet man nicht mehr. Marie Curie

  • Philos Theorie-Rundumschläge, Neue Folge (03/12/2003) :P


    Schülerzentrierung & Lehrplan


    Wie wolkenstein und ihr andern schon richtig bemerkt habt, lassen Schülerzentrierung und Lehrplan sich nicht so ohne weiteres kurzschließen. Das ist nicht nur so, weil man so wenig Zeit hat (auch wenn das erschwerend hinzukommt) – es ist vielmehr m.E. notwendigerweise so: Lehrplan und Schülerzentrierung - wenn letztere ernstgenommen wird - gehören zu zwei didaktischen Paradigmen, die nicht ohne weiteres kompatibel sind.


    Ein Lehrplan (was soll woran gelernt werden?) ist stark inhalts- und zielbezogen. Eine Didaktik, die Inhalte und Ziele in ihren Mittelpunkt stellt, ist z B. die bildungstheoretische Didaktik (Wolfgang Klafki). Grundidee: Der Einzelne erschließt sich die Welt über Bildungsinhalte und wird über diese erschlossen (Sozialisation, Enkulturation, Personalisation). Das heißt aber auch: Es sollen ganz bestimmte Inhalte in bestimmter Weise thematisiert werden, ergo: Schülerzentrierung kommt in diesen Überlegungen allenfalls am Rande vor.


    Eine Didaktik, die sich die Subjektzentrierung auf die Fahnen geschrieben hat, ist die konstruktivistische Didaktik (Kersten Reich). Dies folgt aus der Grundüberlegung, daß Lernen nicht Ergebnis (Output) des Lehrens (Input) ist, sondern ein Konstruktionsprozeß des Lernenden, d. h. des Schülers. Diese durchaus sympathische Idee bezeichnet aber eine didaktische Utopie, denn Unterricht so wie er in der Schule abläuft, läßt sich nicht talis qualis damit verbinden. Das sagt Reich auch recht unverblümt. Die vier Grundpostulate seiner Didaktik sind:


    Zitat

    "1. Unterricht ist ein konstruktiver Ort möglichst weitreichender eigener Weltfindung.
    2. Didaktik hat die Aufgabe, die konstruktiven Akte des Aufklärens und der Reflexion an die Schüler und Lehrer in möglichst hoher Selbsttätigkeit zurückzugeben, anstatt vorzuschreiben, wie Aufklärung und Emanzipation stattzufinden habe.
    3. Eine Festlegung von Zielen, Inhalten und Wegen im Vorhinein soll unterbleiben. Vielmehr müssen die Themen und Inhalte mit dem Ziel der Selbst- und Mitbestimmung gemeinsam durch alle am Unterricht Beteiligten ausgehandelt werden.
    4. Deshalb muß die Neugestaltung der Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern Vorrang vor der Vermittlung von Inhalten erhalten."
    (Hilbert Meyer/Werner Jank: Didaktische Modelle, 5. Auflage, Berlin 2002, S. 296 f.)


    Nicht zufälligerweise gibt es praktisch keine konkrete Umsetzung der Reichschen Didaktik, also methodische Arrangements, die diese Postulate überzeugend in den institutionalisierten Unterricht einbringen.


    Um die didaktische Diskussion auf den Punkt zu bringen: „You can’t have the cake and eat it, too.“


    gruß, ph. Theorieschreck ;)

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()

  • Zitat

    Nicht zufälligerweise gibt es praktisch keine konkrete Umsetzung der Reichschen Didaktik, also methodische Arrangements, die diese Postulate überzeugend in den institutionalisierten Unterricht einbringen.


    Kleiner Nachtrag: Auf der Homepage von Kersten Reich (Prof. für Allgemeine Pädagogik in Köln) gibt's immerhin einen "Konstruktiven Methodenpool".


    Startseite: http://www.uni-koeln.de/ew-fak/konstrukt/didaktik/
    Überblicksseite: http://www.uni-koeln.de/ew-fak…/frameset_uebersicht.html


    Vielleicht findest du da ja was, was sich schülerzentrierungstechnisch in den trad. Lehrplanunterricht reinbasteln läßt.


    gruß, ph.

    Einmal editiert, zuletzt von philosophus ()


  • @ Heike & Justus: jetzt weiß ich doch wenigstens schon mal, wie ich anfangen kann. Und muss endlich anfangen, mir eine vernünftige Bildchensammlung anzulegen!


    @ Philo, das erste Bier geht Freitag auf mich. Jetzt kann ich ihnen doch wenigstens ein paar Theorien entgegenschleudern, wenn sie das nächste Mal meckern... und falls ich die eierlegende Wollmilchsau doch noch züchten kann, werd ich's posten.



    Etwas klarer sehend,
    w.

    Frölich zärtlich lieplich und klärlich lustlich stille leysejn senffter süsser keuscher sainer weysewach du minnikliches schönes weib

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