Beiträge von Maylin85

    Ich weiß nur aus meinem Freundeskreis, dass viele Eltern über das Ende der Grundschulzeit froh sind, weil sie meinen, dass die Schule ihren Kindern gar nicht mehr gerecht wird. Für stärkere Schüler ist die Trennung nach 4 sicherlich vorteilhaft.

    Aber es ist doch besser, diejenigen, die den Rest behindern, gesammelt irgendwo "aufzubewahren", als eine permanente Störung und Behinderung der breiten Masse systemisch hinzunehmen. Zumal dort ja bestenfalls auch bedürfnisgerecht gefördert werden sollte.

    Ist nicht ganz korrekt, sehe ich auch so. Letztlich sind aber doch insgeheim alle froh und dankbar für diese Sprengung, die uns vor monatelangem Entscheidungseiertanz bewahrt hat. Da kann man Dinge schonmal pragmatisch abhaken (was das Gericht getan hat) und muss nicht bis zum Letzten ausverhandeln.

    Ich sehe trotzdem nicht, inwiefern das die "Schuld" der Gesamtschule als solcher sein soll. Wenn man als Schule feststellt, dass man im Niveau absackt, wieso ändert man das nicht?

    Zunächst mal ist es logisch, dass die Klientel insgesamt schwächer ist als an einem Gymnasium. Das ist ja das Ziel der Gesamtschule, alle Kinder sollen auf eine Schule gehen. Wenn aber auch das Niveau der Sek II schlechter ist, weil man die Noten nach Sozialnorm vergibt und gar den Abschluss anpasst, dann hat die Schulleitung samt ihrem Kollegium versagt, nicht der einzelne aka "die anderen", nicht die SuS und nicht die Grundschule.

    Nicht böse gemeint, aber das liest sich furchtbar naiv. Das Problem, dass Kinder keine altesgerechten Kompetenzen mitbringen, haben ja schon die Grundschulen und schaffen es nicht, das aufzuarbeiten. Und egal ob Grundschule oder weiterführende Schule, niemand lässt die Hälfte eines Jahrgangs wiederholen. Müsste und sollte man eigentlich, ja, diese Haltung ist aber nicht konsensfähig - weder bei Schulleitungen, die sich damit in einen grandiosen Shitstorm von allen Seiten stellen würden, noch bei vielen Kollegen. Letztlich hat der einzelne Kollege, der tatsächlich authentische Noten setzt und nicht mitspielen möchte, einen Arsch voll Mehrarbeit, weil er stundenlang unsinnige Förderpläne schreibt und Förderplangespräche führt, die Schüler aber trotzdem durchrutschen, weil am Ende irgendwie doch immer ausreichend Kollegen meinen, jemand, der keinen fehlerfreien Satz schreiben kann, kriegt trotzdem noch die Ausgleich-3 in Deutsch o.ä.

    Man kann die soziale Norm auch nicht einfach außer Acht lassen. Ich habe vor +10 Jahren an zwei kirchlichen Gymnasien mal jeweils die gleiche Klassenarbeit in Klasse 8 geschrieben, die meines Erachten ein für die Jahrgangsstufe angemessenes Niveau hatte und an beiden Schulen völlig problemlos funktionierte. Im dritten Jahr hab ich die gleiche Klassenarbeit am Gymnasium im Ruhrpott geschrieben, meine erste KA an dieser Schule, und hatte eine hohe zweistellige Anzahl an Mangelhafts. Dafür durfte ich bei der Schulleitung antanzen und hatte beim Elternsprechtag Schlangen von empörten Eltern vor der Tür stehen. Ich meine noch heute, dass das die einzige niveauangemessene Klassenarbeit war, die ich jemals an dieser Schule geschrieben habe, aber natürlich sahen die Folgearbeiten anders aus. An Gesamtschulen greifen die gleichen Mechanismen und Zwänge vermutlich nochmal auf anderem Niveau. Und natürlich rutschen die Schüler dann unterhalb des eigentlich angestrebten Standards auch in die Oberstufen durch.

    Irgendwo vorher schriebst du sinngemäß "beschult die Kinder doch einfach". Meines Erachtens braucht es für eine effektive Beschulung ein schulangemessenes Verhalten und dass dies oftmals nicht gegeben ist, ist eines der Hauptprobleme, die dem Vorhaben im Weg stehen. Ich hatte beim Wechsel ins Ruhrgebiet einen absoluten Kulturschock. Dass Schüler im Unterricht permanent durch die Gegend laufen, notorisch laut sind, Arbeitsanweisungen nicht folgen und so komplett unbeeindruckt von schulischen Maßnahmen sind, wie es dort der Fall war, kannte ich vorher nicht. Und natürlich leidet die Beschulung, wenn signifikante Teile der Unterrichtszeit für Erziehungskrempel draufgehen. Gerade unter G8 war die Dichte an Unterrichtsinhalten sowieso schon sportlich gestrickt, so dass die ganze verplemperte Zeit sich bitter gerächt hat. Dann kam Corona, wo niemand sitzen bleiben durfte, zu schülerfreundlicher Benotung angehalten wurde und die eh schon jahrelang geschönten Noten zu kompletten Phantasienoten mutierten.

    Meinem Eindruck nach sind wir in einer multifaktorell bedingten Abwärtsspirale, der man mit "beschult halt und gebt halt authentische Noten" nicht gerecht wird. An keiner Schulform, aber an Gesamtschulen, wo sich tendenziell die " herausforderndere" Klientel versammelt, erst recht nicht.

    Soziale Ungleichheit schön und gut, entscheidener fände ich aber die Frage, mit welchem System man insgesamt höhere Outputwerte erzielt. Und damit meine ich konkret messbare Fähigkeiten, nicht (verschenkte) Schulabschlüsse. Seit hier politisch der Fokus auf "Bildungsgerechtigkeit" statt Leistung gelegt wird, kann man in der Gesamtheit nicht unbedingt positive Effekte beobachten, vorsichtig ausgedrückt.

    Die Gesamtschule ist (zumindest in NRW) auch schon deswegen gescheitert, weil das Abitur nicht vergleichbar ist. Formell zwar schon, aber jeder, der mal Klausuren und Bewertungen der jeweils anderen Schulform gesehen hat, weiß, dass das ein Witz ist.

    Für mich wird die Einheitsschule bereits durch den Elternwunsch bei der Schulformwahl forciert. Es ist doch völlig egal, was auf dem Schild über der Tür steht, wenn hinterher 40% Kinder ohne Gymnasialempfehlung am Gymnasium landen, wie in meiner letzten 5. Klasse (und am Ende der Erprobungsstufe nur schwer wieder abgeschult werden können wegen angeblichen Schulplatzmangels).

    Wenn ich das richtig sehe, hat keins der Top-PISA-Länder ein so stark gegliedertes Schulsystem, das noch dazu besonders früh trennt, wie Deutschland. Stattdessen wird mindestens bis zur 6. Klasse, meist aber sogar bis zur 9. gemeinsam gelernt.

    Ich denke, längeres gemeinsames Lernen funktioniert in sehr homogenen Gesellschaften mit gut erzogenen Kindern, in denen man Bildung und Leistung hohe Priorität einräumt, deutlich besser, als bei uns.

    Singapur, Südkorea, Japan etc. setzen außerdem weiter auf Sonderschulen oder Sonderschulklassen an Regelschulen und haben nur sehr wenig Inklusion.

    Mir ist hängen geblieben, dass es "echte" LE Kinder gibt und welche, die einfach sehr viel Unterstützungsbedarf haben, weil im bisherigen Leben viel versäumt wurde. Kann natürlich falsch sein, das ist nicht gerade mein Themengebiet.. aber so ist es hängen geblieben und dementsprechend war das Ziel für diese Kinder, dass sie bei uns bestenfalls den Hauptschulabschluss schaffen.

    Der Fehler ist doch, dass wir überhaupt Förderpläne schreiben. Ich hab selten Arbeit als sinnloser empfunden. Schreibt man in Singapur oder Japan oder Südkorea oder was sonst noch so oben im Pisa-Ranking steht Förderpläne? Das ist für mich ein klassisches Beispiel für ineffizient genutzte Lehrerarbeitsstunden.

    Auch wir an den Gesamtschulen NRWs bieten Sek I und II an. Wie das mit den Anmeldungen beim Gymnasium läuft, wenn bereits ein Förderstatus LE festgestellt ist, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass dies ein Ausschlusskriterium sein dürfte. Insgesamt, so meine Wahrnehmung, ziehen die Gymnasien sich aus der Inklusion heraus - zumindest aus der Masse.

    Bei uns wurden die I-Kinder damals auf einer zentralen Verteilungskonferenz auf die Schulen der Stadt aufgeteilt und ausgehandelt, wer wen nimmt. Einfach an der Wunschschule anmelden, ging nicht, aber die Gymnasien mussten definiv auch alle Förderschwerpunkte nehmen.

    Ich meine, dass das dankenswerterweise endete, als die FDP das Bildungsministerium übernommen hat.

    Zieldifferente Inklusion lehne ich ab. Nicht den Autisten, der mit Schulbegleitung gut zurecht kommt und im gleichen Bildungsgang verortet ist. Ausnahme: das Verhalten ist nicht so händelbar, dass andere nicht erheblich gestört werden. Das gilt aber nicht nur für Schüler mit Förderbedarf, sondern generell - wer massiv stört, müsste niederschwellig der Lerngruppe verwiesen werden können.


    Palim, mir geht es gar nicht darum, mir "paradiesische Zustände" für eine isolierte Gruppe zu wünschen, sondern ein System, in dem letztlich alle besser lernen können. Wenn ich in meiner Gruppe nur die Schüler mit gravierenden Problemen hätte, die mehr Aufmerksamkeit und Ansprache benötigen, würden die stärkeren Schüler nicht ständig hintern über fallen. Ich wünsche sowohl den schwächeren als auch den stärkeren Schülern eine leistungshomogenere Lernumgebung. Mir fällt extrem schwer, mich mit diesem Ausmaß von Heterogenität anzufreunden und sehe darin definitiv auch einen Grund für die immer schlechteren Lernstandsergebnisse.

    Wie schaffen es LE-Kinder aufs Gymnasium? Kann ich mir hier nicht vorstellen.

    Ich weiß nicht, ob das immer noch möglich ist. Ich hab dort 2015 angefangen und wir haben damals und für die kommenden 3-4 Jahre (danach bin ich mir nicht mehr sicher) LE und GE Kinder bekommen.

    Und ja, völlige Idiotie. Für lange Zeit ohne Sonderpädagogin.

    Die LE-Kinder, die ich im Unterricht hatte (Gymnasium) haben zur Mittelstufe hin jede Art von Arbeit eingestellt und sich furchtbar benommen. Null Kooperation oder Einsicht, mal irgendwas zu tun, Dauerstörungen im Unterricht, dazu ein unterirdisches Sozialverhalten. Insofern teile ich eher elCaputos Erfahrungen.

    Haben sie trotzdem einen Abschluss bekommen? Natürlich, wir sind in NRW und wir möchten doch niemandem Lebenschancen verbauen... es finden sich immer genügend Kollegen,die die passenden Noten eintragen...

    In dem Zusammenhang ist mir aufgefallen, dass wir mittlerweile ganze Dynastien von förderbedürftigen Kindern (zumeist LE) beschulen. Das fünfte Förderkind aus derselben Familie ist keine Seltenheit. Wie ist das statistisch möglich? Kennen auch andere das Phänomen und war das schon immer so?

    Ich hatte mal eine Inklusionsfortbildung, bei der gesagt wurde, dass Förderschwerpunkt Lernen gar nicht so sehr von genetischen Faktoren abhänge, sondern bei der Mehrheit der Kinder mit entsprechendem Förderbedarf von Aspekten wie Frühförderung und Förderung des Lernens in der Familie. Deswegen hätten diese Kinder bei guter schulischer Begleitung oftmals auch gute Chancen, später noch einen Regelschulabschluss erwerben zu können.

    Ich bin sehr für die Wiedereinführung von Förderschulen, den Rückbau der Inklusion und ein konsequent dreigliederiges Schulsystem. Die Schüler, die ich zuvor ansprach, sind aber keine Förderschüler und passen nicht in dieses Profil. Es sind Jugendliche mit Sprachproblemen, mit Motivationsproblemen und mit ungünstigen außerschulischen Rahmenbedingungen. Ich denke, die sind schon richtig, wo sie sind, nur bräuchten sie dort andere Lernbedingungen.

    Ich würde jemandem, der (aus welchen Gründen auch immer) Schwierigkeiten mit schulischem Lernen hat, nicht pauschal die Lebenstauglichkeit absprechen. Insofern wundere ich mich auch gerade, wo da der Zusammenhang sein soll?

    Ich hab ja die Schulform gewechselt und nun u.a. auch Lerngruppen, die den ersten oder erweiterten ersten Schulabschluss anstreben. Was die Schüler dort an Defiziten und fehlenden Basiskompetenzen aufweisen, ist einfach nur erschreckend und mir fällt die Umstellung von reiner Oberstufe/Abitur auf dieses Niveau aktuell sehr sehr schwer. Ich fand schon das Abitur und Fachabitur oft verschenkt, aber bei dem, was ich jetzt sehe, wird mir ernsthaft Angst und Bange um die Zukunft dieses Landes. Ich hänge irgendwo zwischen dem Bewusstein einer dringenden Notwendigkeit, diese Kandidaten am unteren Ende des Systems irgendwie ausbildungsfähig zu bekommen, und tiefer Ratlosigkeit, wo und wie man hier überhaupt effektiv ansetzen kann. Ich hatte in 13 Jahren im Job noch an keiner anderen Station jemals so sehr das Gefühl, dass auch sehr sorgfältig geplanter und (teils fünffach, ich hab mich wirklich wirklich bemüht!) durchdifferenzierter Unterricht an einem zu großen Teil der Schüler komplett wirkungslos verpufft und eigentlich völlig egal ist, wie man die Unterrichtsminuten ausfüllt. Was mir, denke ich, helfen würde, wären kleinere und zumindest ein klein wenig homogenere Lerngruppen. Viele Schüler kommen zu Ergebnissen, wenn man quasi dauerhft daneben stehen bleibt und unterstützt, aber das erlaubt das Setting jedenfalls nicht. Insofern stimme ich Gymshark schon zu, dass ein wenig mehr Separation nicht verkehrt wäre. Allerdings an der Regelschule selbst und nicht im Förderzentrum, das ohne Förderschwerpunkte natürlich gar nicht zuständig ist.

    Ich halte die AfD für undemokratisch und in vielen Positionen untragbar, Fakt ist aber, dass mittlerweile eine Mehrheit rechtskonservativ wählt. Die Brandmauer führt aber dazu, dass nur Mehrheiten mit linkem Schwerpunkt zustande kommen können und die resultierende Politik nicht den tatsächlichen Wählermehrheitswillen repräsentiert. Schwierige Ausgangslage..

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