Hallo Balletbeautiful,
Mein Papa ist der Meinung, ich würde mich mit meinem guten Abitur unter Wert verkaufen und solle das denjenigen überlassen, die nichts anderes können.
Sagen wir so, es gibt auch im Lehrerberuf viele Kolleginnen und Kollegen mit zum Teil sehr gutem Abitur. Du wärst da also nicht die einzige. Wo dein Vater natürlich schon recht hat ist, dass man es auch am Gymnasium fachlich locker überblickt, wenn man (im Abitur und Studium) eher durchschnittlich ist. Fachlich sehr gut zu sein kann einem im Lehrerberuf natürlich einerseits helfen, weil man viele Dinge dann tiefer versteht und dadurch didaktisch eventuell noch besser reduzieren kann. Andererseits ist ein Einserabitur bzw. ein entsprechend sehr gutes Staatsexamen aber schon so ein bisschen "Perlen vor die Säue". Du bekommst im Lehrerberuf, wenn du fachlich hervorragend bist, keinerlei Bonuszahlungen, Gehaltserhöhungen und auch die Headhunter werden nicht hinter dir her sein. Dein Dienstherr lässt es sich nichts kosten eine Spitzenkraft zu haben, im Gegenteil, der Dienstherr reibt sich die Hände und frohlockt, dass er eine fachliche Spitzenkraft, hinter der in anderen Studiengängen Headhunter hinterher wären, für den Standardtarif bekommt.
Eine Anmerkung aus ganz persönlicher Sicht, da es mir notentechnisch nämlich so ging: Es ist im Lehrerberuf im Kollegium schon ganz angenehm, wenn man als fachlich sehr kompetent gilt. Man wird oft gefragt und, wenn man sich zu einem fachlichen Sachverhalt äußert, wird man sehr für voll genommen. Das ist durchaus angenehm. Eine persönliche Schattenseite ist, dass man sich oft denkt "das ist trivial" oder, dass man sich ärgert, dass man fachlich eigentlich "überqualifiziert" ist (Stichwort: Fachliche Unterforderung).
Man muss sich einer Sache bewusst sein, als Lehrer ist man deutlich mehr Pädagogin als Fachwissenschaftlerin. Man ist, wenn man es genau nimmt, studiumstechnisch gesehen Fachwissenschaftler, arbeitet aber als eine etwas erweiterte Form der Erzieherin. Das ist sicher einer der Gründe für die fehlenden Gehaltsspitzen.
-> Man beschäftigt sich im Lehrerberuf zu einem sehr großen Teil seiner täglichen Arbeitszeit mit (im Bezug aufs Fachstudium) qualifikationsfreien Tätigkeiten (Kinder erziehen, Geld einsammeln und hinterherlaufen, Listen für Hausaufgabentandems erstellen, Sitzordnungen neu gestalten, Elternmails beantworten, wie ein Reiseveranstalter Reisen mit Freizeitprogramm organisieren und begleiten usw.). Leider ist der zumindest etwas fachlich orientierte Teil (Klausuren entwerfen, Unterricht planen und dabei komplexe Sachverhalte didaktisch reduzieren) nur ein kleiner (und bei der Schulleitung nicht hoch im Kurs stehender, da wenig Außenwirkung erzeugender) Teil der Arbeit.
Er sagt auch, dass ich als Lehrer so schlecht verdienen werde und meinen Lebensstandard drastisch runterschrauben müsste.
Als Lehrerin wirst du mittelmäßig verdienen. Das mit dem Herunterschrauben des Lebensstandards kann passieren, aber vor allem, wenn du in wirtschaftlich starken Regionen wohnst. In ländlichen Regionen kann man mit der Alimentation relativ passabel leben, wenn man auf ein paar Dinge verzichtet.
Auch da kommt es halt wieder auf die Perspektive an. Der Lehrerberuf ist (Verbeamtung vorausgesetzt) ein solider Beruf, was die finanzielle Absicherung angeht.
Das Problem, was ich daran sehe ist, dass man als jemand, der sehr gut ist, eben genausoviel verdient wie jemand, der nur das Mindeste leistet.
Und die wenigen Aufstiegschancen (Funktionsstellen) stehen in keinem guten Aufwands- und Ertragsverhältnis. Außerdem sind es keine Positionen, in die man durch fachwissenschaftliche Qualifikation oder durch besonders fachlich fundierten Unterricht kommt.
Ich kann dich also dahingehend beruhigen, am Hungertuch wirst du nicht nagen, reich wirst du aber auch nicht.
Was halt wirklich traurig am Lehrerberuf ist, dass der Beruf eigentlich erst dann seine Vorteile ausspielt, wenn:
- man lange und/oder oft krank ist
- man möglichst wenig leistet um eine gute work/life Balance zu haben
Da kann man dann wirklich sagen, dass die Bedingungen als verbeamtete Lehrerin toll sind, weil man im Gegensatz zu vielen Berufen in der freien Wirtschaft gut abgesichert ist, lange Zeit im Krankheitsfall Geld bekommt und so weiter. Da bekommt man als Arbeitnehmer für wenig Arbeit verhältnismäßig viel Geld.
Als Vielleister ist man in dem System aber eben eher benachteiligt, da freut sich dann nicht der Arbeitnehmer über die Bedingungen, sondern der Dienstherr, der für verhältnismäßig wenig Geld viel Leistung bekommt.
Ich glaube mittlerweile, dass mein Papa sich richtig schämt deshalb.
Das ist natürlich traurig und tut mir leid für dich. Es gibt sicherlich deutlich prestigeträchtigere Berufe, aber ganz so schlimm ist der Lehrerberuf nun nicht. Ich finde das zeigt aber mal wieder, wie wenig der Lehrerberuf gewertschätzt wird. Vor allem bei erfolgreichen Menschen. Eine Beobachtung, die ich auch öfter mache, wenn ich mit erfolgreichen Leuten zutun habe.
Deshalb wollte ich euch fragen, ob ihr vielleicht Argumente aufzählen würdet, die für diesen Beruf sprechen. Ich würde ihm dann diesen Beitrag zeigen und könnte ihn so vielleicht umstimmen.
Ich glaube deinen Vater umzustimmen ist ein aussichtsloser Kampf. Wenn du mit den aufgezählten Schattenseiten des Berufs (da gibts durchaus noch einige mehr) klar kommst und die positiven Seiten (da gibts zumindest auch ein paar mehr) an dem Beruf schätzt, dann solltest du deinen Weg gehen.