Beiträge von Morse

    Über die vermeintliche oder tatsächliche "Macht des Konsumenten" wurde an anderer Stelle schon ausführlicher diskutiert:

    Mich kotzt die ewige Stimmungsmache gegen die Lehrer mittlerweile nur noch an

    (Ab Beitrag 138)

    Vielleicht kann man die Diskussion dort ggfs. noch ergänzen.

    Wenn man allerdings daran glaubt, dem pösen Kapitalismus ausgeliefert zu sein und an nichts etwas ändern kann, tja, dann ist das Leben natürlich deutlich einfacher. Und so schön beschweren kann man sich auch noch.

    Und ich finde wir machen einen Denkfehler, wenn wir mit unseren Oberstudienratsgehältern der großen Kik-"Geiz ist Geil"-Masse die Schuld an der Umweltzerstörung in die Schuhe schieben wollen, während wir im Bioladen mit reinem gewissen Fair-Trade Kaffee trinken und uns gegenseitig dafür auf die Schulter klopfen "wenn doch nur alle so bewusst wären wie wir!"
    Meines Erachtens liegt die Ursache der Umweltzerstörung ja woanders, das kann man im oben verlinkten Thread auch weiter nachlesen, wenn es interessiert.
    Anmerken möchte ich noch, dass man Kapitalismus m.E. nicht als "pöse" abtun, sondern versuchen sollte zu verstehen, wie der überhaupt funktioniert.
    Was aber stimmt ist, dass ich es tatsächlich so sehe, dass wenn man nicht unter einem Stein im Wald leben will, diesem Prinzip schon "ausgeliefert" ist und das auch nicht ändern kann.
    Ich halte es für eine Illusion zu glauben, dass man durch den Kauf von bestimmten Produkten oder sogar der aktiven Beteiligung in kollektiver/fairer Landwirtschaft (boomt ja immer mehr) quasi Freiräume innerhalb des Kapitalismus schaffen.
    Das heißt aber nicht, dass ich dieses Engagement - wie auch das der Schüler, um die es ja im Thread geht - per se falsch finde. Falsch finde ich manche Vorstellungen, die teilweise dahinter stecken, wie z.B. die Hoffnung, dass Politiker und Wirtschaft erkennen, dass die Umwelt wichtiger als Profite sind.

    Im Mittelalter waren die meisten Leut' noch nicht so faul und egoistisch, da ging's nämlich noch ohne E-Roller und Waschmaschine! Und so viel mit dem Smartphone gedaddelt haben die auch nicht!

    Lohnabhängige Konsumenten können nicht die Produktionsweise bestimmen, da sie nur konsumieren können, wofür ihr Lohn ausreicht.

    Es ist das Prinzip des maximalen Profits (der kapitalistischen Produktionsweise), inkl. technischem Fortschritt, das die Umweltschäden verursacht - und nicht ein Sittenverfall der Menschheit.

    Meine Großmutter hat noch eine Kuh mit Karren zum Acker geschickt und keinen Diesel. Dass sie damit als Umwelt-Engel ihrer Zeit voraus war, bezweifle ich.

    Ich glaube auch, dass bei anderen politischen Inhalten die Reaktion der Schulen (z.B. eben bei Pegida) ganz anders ausfallen würde.
    Falls es so wäre, hätte @stpolster schon nicht ganz unrecht, wenn sie/er mangelnde rechtsstaatlichkeit bzw. Willkür vorwirft
    - unabhängig davon, ob man die Aktionen nun befürwortet oder nicht.

    Da würden Manche nun einwenden, dass Klimaschutz ja auch Teil der Lehrpläne ist und Ausländerhass nicht. Aber wie man es dreht und wendet, etwas merkwürdig ist das schon, wenn bestimmte Verstöße geduldet werden. Deshalb stellt sich mir die Frage:
    Woran liegt's denn nun, dass diese Verstöße gegen die Schulpflicht (häufig) mehr oder weniger geduldet werden?
    Liegt's an der gefälligkeit des Themas?
    Liegt's an der Menge der Teilnehmer?

    Ich bin gespannt, wie die Sache weitergeht, falls die Demos noch mehr Zulauf bekommen!

    Das Beispiel mit den Altenpflegern ist natürlich wirklich sehr eindrücklich, Gleichzeitig ist das aber auch eine Branche bei der Streiks natürlich nie eine Grundversorgung gefährden, sondern im Regelfall die Arbeitskräfte streiken, die keinen Dienst haben um das Leben der ihnen anvertrauten alten Menschen nicht zu gefährden.


    In Deutschland haben auch schon tausende Ärzte gestreikt, da wurden ganze Stationen geschlossen.

    (Randnotiz: bei den Verhandlungen haben sich die Ärzte von Verdi getrennt und selbst verhandelt, das gab dann bis 20 % mehr Lohn.)

    Ich bin nicht fossi74, aber vermute mal, dass er/sie darauf hinaus wollte, dass ja gerade in "sozialen/medizinischen Berufen" viele der (Einkommens-) "Schwächsten" sind.

    Z.B. von Altenpflegern zu fordern, dass sie keinen Arbeitskampf auf dem Rücken der Schwächsten austragen sollen, ist so gesehen dann schon etwas anrüchig (oder "schräg").

    Bei San Francisco haben Lehrer bis vor ein paar Tage gestreikt, dabei ist mir ein Plakat aufgefallen bzgl. der Diskussion um die davon Betroffenen:

    "Ready for STRIKE for the schools that students deserve"

    So könnte man's auch sehen, wenn man "wegen der Kinder" eigentlich keinen Unterricht ausfallen lassen wöllte.

    Morse,
    Unabhängig davon, dass ich mir nicht sicher bin, ob die Eltern in einer Schulkonferenz zustimmen würden, dass wegen eines Streiks Klassen zuhause bleiben....

    ... In NRW kann die Schulkonferenz eine entsprechende Entscheidung wie in deinem Link nicht fällen.


    Ja, aber ob die Schulkonferenz darüber entscheiden kann und falls ja, ob sie es tun würde, ist m.E. gar nicht der Punkt, sondern, dass wenn keine Lehrer da sind, keine Aufsicht stattfinden kann.
    Und zwar ganz egal aus welchen Gründen sie fehlen.

    Die Schulleitung muss allerdings (mit Verwendung von Beamten) die Beaufsichtigung sicherstellen.

    Das stimmt, ist aber aufgrund des Lehrermangels teilweise nicht möglich.

    In diesem Fall z.B. hat die Schulkonferenz beschlossen, dass Schüler bei hohem krankenstand des Kollegiums klassenweise zuhause bleiben müssen:
    https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.unterri…1a43160c9e.html
    Wohlgemerkt ganz ohne Streik!

    Das wäre mir jetzt zu schwarz-weiß Morse. Politik wird von Menschen gemacht. Diese Menschen haben natürlich individuelle Werthaltungen, die in ihren poltiischen Entscheidungen- gerade bei freien Abstimmungen- u.a. zumTragen kommen.

    Diese individuellen Werthaltungen scheinen beim Thema Vermögen ja recht einig zu sein, wenn man sich mal ansieht, wie das tatsächlich verteilt ist. Vermeintliche Moral hin, tatsächliche Moral her.

    Das ist logisch, darauf möchte aber der Rest der Welt nicht warten. Und da es nicht jeder aushält, stillzusitzen, geht er/sie eben demonstrieren. Ob das was ändert, kannst du auch nicht abschätzen, du kannst es nur für dich als sinnlos abtun.


    Ich finde die diese Schüler-Streiks gar nicht sinnlos und wollte die auch nicht als solches abtun.
    Jeder, der sich für Politik interessiert, hat ja irgendwann und irgendwo mal angefangen. Dass zwar jede Politik eine Moral hat, die sie rechtfertigt, aber keine Politik moralische Grundsätze hat, das werden die Jugendlichen dann schon noch selbst merken, wenn sie am Ball bleiben.

    Die Wut der Betroffenen richtet sich gegen die Streikenden, anstatt gegen die Arbeitgeber.

    Und das obwohl die Betroffenen selbst Arbeiter sind, die mehr Lohn wollen.

    Dies liegt v.a. in dem Glauben an ein vermeintlich gemeinsames Interesse von Volk und Nation begründet, bei dem jeder seine Pflicht tun und Opfer bringen muss.
    Ausgerechnet diejenigen, die um mehr Lohn kämpfen, sollen nicht ihre Einzel-Interessen verfolgen, sondern ans Wohl der Allgemeinheit denken.
    Dass dabei die Reichen immer reicher werden, stört in diesem Bild nur die wenigsten.

    Bei Beamten ist das grundsätzlich natürlich eine heiße Kiste. Aber der Dienstherr darf z.B. Beamte nicht als Streikbrecher einsetzen (Urteil des Bundesverfassungsgerichts '93) und auch keine Mehrarbeit in diesem Rahmen anordnen.

    Nachtrag:

    Bei vielen Kollegen wäre es quasi schon eine Arbeitskampfmaßnahme, wenn sie bei Krankheit mal zuhause blieben, obwohl keine Ferien sind...

    Pattyplus:

    ich glaube nicht, dass der Schüler, der dann die Schule ohne Abschluss verlässt, irgendeinen Einfluss auf das Ziel der Arbeitskampfmaßnahme haben wird. Bei den Verhandlungen ist er gar nicht involviert. Das macht also nicht so viel Sinn.

    Ich bin nicht Pattyplus, aber:

    1. Würden bei so einer Maßnahme sicher kein Schüler "dann die Schule ohne Abschluss" verlassen. Die KMs würden das Nachholen dessen organisieren, mit ziemlich hohem Aufwand, was den Betrieb stören würde. Dies ist der Hebel des Streiks.

    2. Ja, die Schüler sind nicht involviert, genau so wenig wie Fahrgäste bei der DB oder Eltern von Kitas. Aber die KMs (!) haben ein Interesse daran, dass die Abschlüsse erteilt werden, genau so wie der Staat/Unternehmen, dass Arbeiter an den Arbeitsplatz kommen und ihre Kinder vorher in Betreuung geben können.

    Das macht also Sinn!

    Gezielt Abschlußprüfungen zu bestreiken ist sogar besonders wirkungs- und damit sinnvoll, allerdings wäre diese Terminierung ein besonders scharfes Mittel, das nicht gleich als allererste Maßnahme genutzt werden sollte - wohl aber als mögliche Eskalation angedroht.

    Dienst nach Vorschrift? Trifft blöderweise vor allem und zuerst Schüler, deshalb für viele Lehrer keine Option...

    Dienst nach Vorschrift bzw. der "Bummelstreik" ist rechtlich umstritten, soweit ich das als Laie beurteilen kann.
    Mit Deinem zweiten Satz hast Du leider Recht.

    Auf einer Sitzung des Verbands habe ich mal bzgl. der Forderung nach mehr Poolstunden dafür plädiert, kostenlose Mehrarbeit (also die ohne Ausgleich durch Poolstunden) kollektiv niederzulegen.
    Antwort eines Funktionärs (!): Dies würde die Schüler treffen und sei deshalb nicht möglich.
    Mein Argument, dass genau dieses Treffen der Schüler der Hebel ist, über den mehr Poolstunden erkämpft werden sollen, blieb dann im Raum stehen, mit teilweiser Zustimmung, teilweiser Ablehnung.
    Mich hat das - bei einer Sitzung des Verbands/Gewerkschaft wohlgemerkt - sehr enttäuscht.

    Die Ansicht, dass eine Arbeitskampfmaßnahme niemand betreffen soll, ist leider ziemlich verbreitet.

    Deswegen wirds Zeit, diejenigen mit einem Rachen voll Geld und Verantwortung an ihr Geld und ihre Verantwortung zu erinnern.
    Wie wärs, wenn Konzerne wie E.ON, oder lass mal googeln, Duke Energy Geld in die Forschung zu ressourcenschonenenden Energien investieren würden? Oder VW in die Frage, obs noch was anderes als Diesel gibt?

    Falls sich damit Profit machen lässt, machen die das schon von ganz alleine. So wie diverse kleine und große Öko/Bio/Fair-Trade/etc.-Unternehmen auch.
    Auch ganze Staaten setzen zunehmend auf erneuerbare Energien, um sich aus der teilweisen Abhängigkeit von anderen Staaten zu befreien.

    Eine "Verantwortung", an die Politk und Wirtschaft "erinnert" werden sollen, existiert doch de facto gar nicht, außer in den Köpfen derjenigen, die Wahlversprechen und Sonntagsreden für bare Münze nehmen.

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