Beiträge von tibo

    Man wird auch mit der AfD reden müssen. Ich halte es unterdessen für ziemlich dumm, dass das erstmal so pseudo-kategorisch ausgeschlossen wurde.

    Politikwissenschaftler und Rechtspopulismus-Experte Marcel Lewandowsky dazu:

    Weil die AfD anhaltend stark bleibt, sind Gedankenspiele über eine kurzfristige Rückgewinnung der Wähler*innen müßig. im Mittelpunkt sollte der Schutz der demokratischen Institutionen stehen. Alle anderen Parteien müssen verhindern, dass die AfD an die parlamentarischen Schaltstellen oder in Regierungsverantwortung gelangt. Der Ball liegt im Spielfeld der Union, die teils bereits mit der AfD zusammen in Parlamenten agierte. ihre Strategie könnte die Türen zur Koalition mit anderen Parteien verschließen.

    Mir fällt auf: Einige der Babyboomer-Generation werfen den jüngeren Generationen gerne mangelnde Arbeitsbereitschaft wegen Forderungen wie einer Vier-Tage-Woche vor. Gleichzeitig will die ältere Generation aber möglichst früh in Rente / Pension und damit raus aus der Arbeit. Ein Generationenkonflikt, der angesichts der Demografie fast nur zu Ungunsten der jungen Generation ausgehen kann. Die junge Generation wird in unserer Gesellschaft als Minderheit benachteiligt:

    "In diesem Jahr feiern doppelt so viele Menschen ihren 60. Geburtstag, wie geboren werden. In Zukunft wird es daher wesentlich mehr Großeltern geben als Enkelkinder. Und diese Großelterngeneration lebt länger und ist fitter als jemals zuvor. Das kann für ein intergenerationales familiäres Miteinander Chancen bieten, ist aber nicht nur für die Rentenfinanzierung ein Problem. Es ist auch eine Herausforderung für die Demokratie. Wenn Rentnerinnen und Rentner in einigen Jahren die stärkste Wählergruppe sein werden, entscheiden diejenigen die Wahlen, die nicht mehr im Berufsleben stehen. Eine Verschiebung der demografischen Kräfte, die es dringend nötig macht, ganz anders über Generationengerechtigkeit nachzudenken.

    [...] Sich darauf zu verlassen, dass die große Mehrheit in der alternden Gesellschaft die Interessen von Kindern mitdenkt, ist hochriskant. Erinnert sei etwa daran, wie „gut“ Männer die Interessen von Frauen in der Vergangenheit mitgedacht haben: Obwohl nahezu alle Männer mit Müttern, Partnerinnen, Töchtern oder Schwestern in ihrem Leben Frauen hatten, die ihnen wichtig waren, hat sich das Patriarchat recht lange gehalten. Automatisch angemessen mitgedacht zu werden, das klappt nachweislich nicht.

    [...]Bei all den Herausforderungen, die junge Menschen erwarten, wird ihnen politisch meist wenig mehr zugestanden, als die Auswirkungen der Geschehnisse und politischen Entscheidungen zu beobachten. Signale, dass man dieser jungen Generation vertraut und sie als Mitgestalter einer tragbaren Zukunft sieht, gibt es kaum. Und strukturell verankerte, wirksame politische Beteiligungsmöglichkeiten fehlen. Stattdessen wird ihre Arbeitsmoral problematisiert oder die Wiederbelebung der Wehrpflicht diskutiert. In der Pandemie wurden Kinder und Jugendliche immer wieder vergessen oder unnötig belastet. Dafür hat man sich bei ihnen zwar abstrakt entschuldigt, aber konkrete Maßnahmen zu ihren Gunsten lassen auf sich warten."

    https://www.sueddeutsche.de/kultur/kinder-…he?reduced=true

    Das Thema Wehrpflicht hatten wir ja im anderen Thread; passend, dass es hier auch aufgeführt wird. Dazu kommt der Fachkräftemangel, der die jungen Arbeitnehmer*innen eigentlich in eine gute Verhandlungsposition bringt, was dem personifizierten radikalisierten Konvervativismus und Babyboomer-Kapitalisten Friedrich Merz aber natürlich gar nicht passt. So werden von dieser Seite schon schwere Geschütze wie die Forderung nach einer Sechs-Tage-Woche und die Aufweichung der Arbeitszeitbegrenzungen aufgefahren, um die Verhandlungsposition zu verschieben. Immer natürlich zuerst auf Kosten der Schwächsten, also erstmal Forderungen nach Sanktionen für Arbeitslosengeldbeziehende oder Bezahlkarten für Flüchtlinge. Denn sonst kann man "Wohlstand und Alterseinkommen" nicht halten - die Frage ist eben nur, wessen Wohlstand und wessen Alterseinkommen.

    Solche Leute, welche die mögliche Fehlzeit kalkuliert ausnutzen, sind an der Uni doch die Regel. Da braucht man nur eben keine Excel-Tabelle, weil es meist einfach drei Veranstaltungen pro Semester sind, die man fehlen darf.

    Der Grund ist nicht Faulheit, sondern der mangelnde Mehrwert mancher Veranstaltungen und Prüfungsformen - was in der Hand der Lehrkräfte liegt. Die meisten bestehen die Prüfungen am Ende und weisen damit nach, dass sie gelernt haben, was sie lernen sollten.

    Dass hier manche latent sexistisch, rassistisch und mit ihrer Verbitterung gegenüber Schüler*innen nicht geeignet für die Schule sind, überrascht aber doch keinen mehr ernsthaft, oder? Diese User verbittern bei mir auf der Blockliste.

    Wenn wir hier jemals über eine gleichberechtigte Elternzeit abstimmen, bin ich auch für eine allgemeine Wehrpflicht.

    Und ich bin weiterhin für ein soziales Pflichtjahr nach Renten- / Pensionseintritt - alternativ frühzeitig ableistbar durch ein Jahr Elternzeit. Wenn man jungen Menschen ein Jahr Lebenszeit klaut, darf man bitte mit gutem Beispiel vorangehen.

    Richtig. Aber das passt doch zur Einstellung "ist mir egal, ob ich Deutscher bin". Deutschland ist historisch gesehen immer ein militärisches Land und immer eine der führenden Nationen in Europa. Nach dem 2. WK traut es sich nur nicht mehr, Verantwortung zu übernehmen. Dabei wäre es *die* Gelegenheit gewesen einmal in der Geschichte als Schutzmacht aufzutreten.

    Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen meiner Einstellung und in diesem Fall bezüglich der Ukraine, wie du ihn hier aufmachst. Merkel hatte damals ihre Beweggründe für ihr Handeln. Man kann sie ihr negativ auslegen, Russland anbiedernd, oder positiv, diplomatische Mittel nutzend. Ich persönlich wäre auf jeden Fall für klarere Kante gegen Russland und einer Stärkung der damals noch jungen Pflanze der Demokratie in der Ukraine durch die Möglichkeit eines NATO-Beitritts (ähnlich gilt das z.B. auch für einen gewissen Zeitraum bezüglich der Türkei und der EU).

    Ich bin also auch dafür, dass Deutschland in diesem Sinne Verantwortung für eine möglichst freiheitlich-demokratische Welt übernimmt - obwohl es mir relativ egal ist, ob ich Deutscher bin.

    Mir geht es um eine freiheitlich-demokratische Welt. Deswegen passt es auch in diesen Thread, weil hier ja auch schon anklang, dass es uns egal sein könne, wie die Wahl in den USA ausgeht. Nein, mir ist das nicht egal, weil meine Empathie für Menschen und insbesondere Minderheiten nicht an der Grenze Deutschlands endet. Ich wünsche mir auch für US-Amerikaner*innen, Ukrainer*innen oder Palästinenser*innen eine freiheitlich-demokratische Welt. Und es nimmt mich mit, wenn ich lesen muss, dass bspw. in den USA Kinder ihre geschlechtliche Identität nicht erkunden können, weil dort Bücher und Büchereien zu dem Thema beschränkt werden, und trans Erwachsene dort zunehmend diskriminiert werden. Es belastet mich, wenn in den USA das Recht auf Abtreibung angegriffen wird, statt es zu stärken (da haben wir in Deutschland ja auch noch einiges zu tun). Es macht mich wütend, wenn der Einfluss von religiösem Extremismus in den USA oder auch Palästina wächst. Und ich werde traurig, wenn ich darüber nachdenke, dass Russland die Ukraine erobern und die Demokratiebewegung so dort sterben könnte.

    Seit dem Ukraine-Krieg muss ich sagen, hat sich meine Einstellung zur Bundeswehr geändert. Die Realität ist, dass es Krieg gibt und auch in Deutschland geben kann und wir uns nicht auf die USA verlassen können. Entsprechend muss man reagieren und da sehe ich insbesondere die Pflicht, europäische Lösungen zu finden und dort effizient zusammenzuarbeiten. So viel Militär wie nötig, so wenig wie möglich. Wenn ich dann aber hier schon wieder von Patriotismus, Bereitschaft 'für das eigene Land zu kämpfen' und Wehrpflicht lese ... Da sieht man direkt das ganze Problem an diesem Thema. Ekelhaft!

    Mir ist es ziemlich egal, ob ich Deutschland, Belgien, Frankreich bin; mir ist es ziemlich egal, ob die Menschen einen oder zwei Pässe haben; mir ist es egal, ob die Menschen Türk*innen, Syrer*innen oder Italiener*innen sind; ich möchte in einer freiheitlich-demokratischen Welt mit freiheitlich-demokratischen Menschen leben und bin mir bewusst, dass dies von freiheitlich-demokratischen Menschen verteidigt werden muss (da hapert es bei einigen in der Bundeswehr schon). Das ist so ziemlich das Gegenteil von Patriotismus. Auch innenpolitisch stehen die Menschen, die von Patriotismus schwafeln, dem, was ich verteidigen würde, ferner, als dem, vor dem ich es verteidigen würde.

    Wir sind das Land der Dichter und Denker, heißt es doch auch aus rechten und konservativen Kreisen so schön. Gerne, dann aber in der Tradition Immanuel Kants ("Stehende Heere (…) sollen mit der Zeit ganz aufhören"), Bertold Brechts ("Und weil wir dies Land verbessern / Lieben und beschirmen wir's / Und das Liebste mag's uns scheinen / So wie andern Völkern ihrs."), Erich Kästners ("Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?") und Kurt Tucholskys ("Werft die Fahnen fort! / Die Militärkapellen spielen auf zu euerm Todestanz. / Seid ihr hin: ein Kranz von Immortellen – / das ist dann der Dank des Vaterlands.").

    Und bei den Demokraten in den USA ist das Hauptproblem das gleiche, wie bei der SPD in Deutschland: beides waren Parteien, deren Kernwählerschaft Arbeiter waren, gerade die fühlen sich durch beide Parteien aber nicht mehr vertreten, weil sie mit "modernen" linken Themen, auf die sich beide Parteien in den letzten Jahren konzentrierte haben, wenig anfangen können.

    Die SPD hatte durchaus starke Jahre in der großen Koalition mit der Union, in denen wichtige klassisch linke Themen wie der Mindestlohn durchgesetzt wurden. Sie waren bei der letzten Bundestagswahl auch am stärksten unter den Arbeiter*innen. "Moderne linke Themen" verbinde ich nicht mit der SPD. (Meiner Meinung nach ist die SPD auf einer policy-Ebene bei gesellschaftlichen Themen die konservativste Partei, die wir in unserem Parteiensystem brauchen.) Leider finden viele Menschen ja schon die Menschenrechte modern links und woke. Da kann ich dann auf einer inhaltlichen Ebene keiner Partei einen Vorwurf machen, die sich dafür einsetzt und so vermeintlich die rechtspopulistischen/ -extremen Parteien stärke. Das Erstarken den Rechtsextremen ist immerhin auch ein europa- bis weltweites Phänomen, deswegen finde ich es viel zu einfach, die Ursache darin zu sehen, dass linke demokratische Parteien die Arbeiter*innen hinter sich verlieren, weil "moderne linke Themen" hätten.

    Den Demokraten kann man den Vorwurf machen, dass sie viel zu lang an "When they go low, we go high" festgehalten haben. Einen Trump schlägt man nur mit denselben unmoralischen Mitteln, die er selbst nutzt.

    Da möchte ich mittlerweile zustimmen. Spätestens seit dem von Trump geduldeten Sturm des Kapitols und seiner Nicht-Anerkennung der letzten Wahl muss er bekämpft werden wie ein Feind der Demokratie - und die aktuelle Demokratie in Deutschland haben wir auch nicht durch friedliche Proteste oder demokratische Mittel erhalten. Die Verfassung in Deutschland bietet gegen Verfassungsfeinde gewisse Mittel, die es in der veralteten Verfassung der USA - soweit ich weiß - nicht gibt. Der Präsident hat aber doch einige Sonderrechte dort - nicht zuletzt mit der praktischen Immunität bei politischen Entscheidungen, die ja zugunsten Trumps vom Obersten Gericht geschaffen wurde. Die sollte man jetzt, wenn es nicht schon zu spät ist, nutzen, um die Demokratie als System zu stärken und sich im Notfall auch durch Tricks eine weitere Amtszeit zu sichern. Sind Faschisten erstmal an der Macht, kann es schwierig werden, sie loszuwerden. Auch wenn Polen immerhin Hoffnung gibt, dass dies nicht immer mit Gewalt nötig ist.

    Wenn man in einem republikanischem County wohnt, der zu einem republikanischem Wahlkreis gehört, dann ist die wichtige Wahl nicht die Hautpwahl im November, sondern die Vorwahl. Da kann man dann entscheiden, wer der republikanische Kandidat für das Repräsentantenhaus wird, für den Schulrat, etc. Die Demokraten verlieren eh, aber man kann schauen, dass man bei den Republikanern die moderateren Kandidaten stützt. So funktioniert die amerikanische Demokratie. Da das nicht jeder weiß, müssen Medien darauf aufmerksam machen. Aber nicht wenn es um Trump geht, denn dann geht es nur um moralischen Absolutismus.

    Und das nennen sie dann "Demokratie".

    Hier wurde mMn um einen wesentlichen Punkt herumgeredet: Donald Trump ist ein rechtsextremer Faschist oder nutzt diesen Rechtsextremismus zumindest aktiv für seine Zwecke. Das sehen auch Politikwissenschaftler wie Marcel Lewandowsky, kundige Beobachterinnen wie Annika Brockschmidt oder Philosophen wie Jan Skudlarek so, wenn man sich ausführlicher mit der Begründung für meine These beschäftigen möchte.

    Moral und Ethik ist die Grundlage für Recht und Politik. Ich kann nicht anders, als es bezeichnend zu finden, wenn diese Perspektive ausgeschlossen werden soll, um eine Wahl von Donald Trump in irgendeiner Form zu rechtfertigen.

    Klar wähle ich einen alten, senilen, konservativen Mann, wenn die einzige Alternative ein rechtsextremistischer Faschist ist. Da sähe ich Wählen als meine Pflicht als demokratischer Mensch.

    Ich würde an Material für ganz schwache Schülerinnen und Schüler zum Lesenlernen noch die Silbenlok, Klick und Intraact Plus in den Raum werden und da würd mich interessieren, ob jemand Erfahrungen dazu gemacht hat…?

    IntraAct Plus setzen wir auch ein. Das war bei mir persönlich ein Drama in drei Akten: Unsere geschätzte Sonderpädagogin schwört auf das immerhin auch von einem Doktor der Psychologie entwickelte Programm. Brügelmann, Röber und Bartnitzky kritisieren das Programm aus methodisch-didaktischer Sicht in einem Gutachten. Unterzeichner des Gutachtens ist u.a. auch Hokuspokus-Hirnforscher Gerald Hüther.

    Am Programm IntraAct Plus gibt es aus Selbstvertreter*innengruppen auch Kritik, weil das Konzept wohl der als 'unmenschlich-behaviouristisch' angesehenen ABA-Methodik beim Autismus-Spektrum ähnelt. Ich glaube aber, dass wir das Programm gar nicht so umsetzen, sondern eigentlich nur die aufbauenden, eindeutigen Buchstaben-Kombinationen als Material nutzen.

    Früher ging man hauptsächlich auf die reine optische Ebene. Man dachte, wenn man das Wort nur oft genug anguckt, dann kann man es. Deswegen wurde geraten, viele Bücher zu lesen. Oder - vielleicht erinnert sich jemand von euch daran - es wurden solche Wortkästchen gemacht, woran rein an der Länge der Rechtecke die Buchstaben und dann das Wort erraten werden sollten.

    So war es in meiner Grundschulzeit tatsächlich, im Referendariat haben wir dann gelernt, dass diese Theorie des Rechtschreiblernens, dass man sich Wortbilder merken würde, überholt sei. Ich denke, zurück nochmal zu den kognitiven Strategien, auch, dass Rechtschreibübungen selbstverständlich kognitive Aktivitäten voraussetzt. Ich muss meinen Kindern sowieso häufiger sagen, dass ich ihnen nichts eintrichtern kann und sie den Kopf schon einschalten und selbst mitdenken müssen. Das fällt vielen schwer. Entsprechend kann ich verstehen, dass z.B. die Fresch-Methode für manche schwierig ist. Nur kann man eben nicht alle Wörter des Deutschen auswendig lernen. Deswegen hatte ich auch schon meine Zweifel an Abschreibtexten und Rechtschreibboxen / Karteien, wenn dort nicht die Kognition durch Markierung von schwierigen Stellen und den Rechtschreibstrategien angeregt wird. Bei kognitiver Einschränkung würde ich sagen, arbeitet man eben immer soweit, wie es die Kognition des Kindes zulässt - im Zweifelsfall eben lange im Bereich des alphabetischen Prinzips.

    Die 100 häufigsten Wörter hingegen halte ich auch für möglich, mehr oder weniger auswendig zu lernen und ich finde es auch sinnvoll, mich auf häufige Wörter bei Rechtschreibübungen und Untersuchung der Rechtschreibphänomene zu konzentrieren. Das ist auch der Ansatz im Buch "Grund- und Orientierungswortschatz" von Katja Siekmann. Die Regelhaftigkeit der Rechtschreibung ist ja schon gegeben, bei den 100 häufigsten Wörtern kann ich mir vorstellen, dass dort aber auch einige kurze Merkwörter dabei sind (von, sehr, und).

    Spannendes Thema! Da gibt es ja die verschiedensten Blickinkel auf den Schriftspracherwerb durch Christa Röber mit der silbenanalytischen Methode, Günther Thomé u.a. mit dem Buch "ABC und andere Irrtümer über Orthographie, Rechtschreiben, LRS" (aktuell bei Instagram stark vertreten durch Katja Siekmann), Hans Brügelmann mit einer auch eher lautorientierten, offenen Herangehensweise oder Jürgen Reichen mit der 'Rechtschreibanarchie'.

    Silben sind eine erste Herangehensweise an Wörter, da die Anwendung meist intuitiv im Vorschulalter schon erlernt wird. Die Silbierung hilft vor allem, die Wörter in kleinere Einheiten zu zerlegen, um dann genauer die Laute und insbesondere die Silbenkönige aka Vokale hören zu können. Ansonsten würde ich behaupten, spielen sie eine kleinere Rolle bei der Rechtschreibung als allgemein im Schulunterricht zu vermuten wäre. Die Rolle wird sogar überhöht, indem angeblich unhörbare Laute wie ein langes e in Ente oder Doppelkonsonanten wie ss in essen durch eine Silbierung hörbar würden, was so laut Thomé nicht korrekt ist. Die konsequente Silbierung muss sich außerdem die Kritik gefallen lassen, dass sie Wortstrukturen zerfleddert, wie die Konjugation von Verben zeigt. Dort werden die Flektionen nämlich bei der Silbierung getrennt (ich le-se vs. ich les-e). Ich finde bei Christa Röber trotzdem noch den Aspekt der betonten und unbetonten Silben spannend, die man auch im Anfangsunterricht bereits sehr schön mit den Kindern erforschen kann.

    Während Röber postuliert, dass geschriebene Sprache nicht auf Einzellaute reduzierbar wäre, vertritt Thomé die Auffassung, dass dies durchaus der Fall ist und die meisten Laut-Buchstaben-Zuordnungen lautgetreu sind (Basisgrapheme vs. Orthographeme), wenn man die Laute richtig benennt. Nicht nur das Silbenschwingen sollten Kinder bestenfalls beim Schuleintritt können (Stichwort phonologische Bewusstheit), sondern auch die Unterscheidung von langen und kurzen Vokalen beim Sprechen bringen viele Kinder mit in die Schule. Laut Thomé verlernen viele Kinder diese Fähigkeit in der Schule aber wieder, weil die Laut-Buchstaben-Zuordnung nicht richtig beigebracht würde. So wird der Igel noch immer oft als Beispiel für die den Buchstaben i genutzt, obwohl bei einem langen i wie am Anfang von Igel der Laut am häufigsten und in der Regel durch ein ie verschriftlicht wird (Basisgraphem). Auch das Beispiel Ente oben zeigt, dass die korrekte Lautgliederung von Wörtern in der Schule zum Zwecke der Verschriftlichung aufgegeben wird ("Hörst du denn nicht die zwei e in Eeenteee" "Ne, das lange e kommt da nämlich nicht einmal vor.") und dann kann man nachvollziehen, wie Röber dazu kommt zu sagen, dass eine isolierte Lautorientierung Sprachwissen voraussetze. Kurz: Die kurzen Vokale sowie Schwa-Laute werden ignoriert (kurze Vokale wie in den Anlauten bei Ordner, Affe, Insel, Unfall gehören z.B. im Lied "A, E, I, O, U, du gehörst du mit dazu" nicht dazu) und fälschlicherweise zieht man die Wörter so auseinander und biegt sie so um, dass man angeblich überall die langen Vokale höre. Das klappt bei Kindern dann natürlich nicht, denn sie müssten raten, ob in einem Wort ein kurzer, langer oder Schwa-Laut vorkommt.

    Beide Ansätze sind für meinen Anfangsunterricht sehr wertvoll gewesen. Sie eröffnen den Blick für die Untersuchung von Regelmäßigkeiten beim Schreiben, die wir den Kindern beibringen wollen - die Untersuchung und die Rechtschreibung selbst. Sie haben auch sehr viele Gemeinsamkeiten. Ich habe einige Prinzipien für meinen Anfangsunterricht von beiden Ansätzen übernommen und kann sowohl die Beschäftigung mit u.a. den offen zugänglichen Materialien von Christa Röber "Die Kinder vom Zirkus Palope" als auch das oben genannte Buch von Günther Thomé sowie die Instagram-Seite von Katha Siekmann empfehlen.

    Nun wollte ich noch in die Runde nach allgemeinen Erfahrungswerten fragen. Heute: die Silben. Nutzen eure SuS rot-blaue Stifte und das entsprechende Material? Oder markiert ihr Silbenbögen und Silbenkönige? Und macht man das dann bei allem was man schreibt?

    Ein großes wie spannendes Thema, tut mir leid, wenn das jetzt in der Kürze nicht an jeder Stelle auf den Punkt formuliert ist meinerseits. Abschließend dann aber noch wirklich kurz zur Bedeutung der Silben und damit zur Ausgangsfrage:

    Ich finde Silben wichtig, es gibt aber eben noch einige weitere wichtige Sprachstrukturen für den Rechtschreibunterricht, wie die vielen angerissenen Phänomene des Schriftspracherwerbs zeigen, und eine durchgehende Markierung halte ich für eine unnötige Überhöhung der Bedeutung von Silben - insbesondere wenn Anderes wie Basis- und Orthographeme dann noch hinten rüber fallen. Die Markierung der Vokale vor allem mit der jeweiligen Länge finde ich in der Hinsicht wiederum besonders wichtig. Silbenkönige habe ich deswegen von Anfang an in Klasse 1 möglichst blau (lang), rot (kurz), gelb (Schwa) markiert und z.B. in der Aufgabe zum Wort des Tages markieren lassen.

    Ich frage mich, ob diese ganzen kognitiven Strategien, auch Fresch etc., lernschwachen SuS eher helfen oder sie eher verwirren.

    Inwiefern sollte die FRESCH-Methode denn verwirrend sein und was ist die Alternative? Sie ist eben genau so anspruchsvoll wie unsere Rechtschreibung, diese können wir aber ja letztlich nicht reduzieren. Schritt für Schritt vom Allgemeinen zum Besonderen ist allerdings auf jeden Fall wichtig. Laute zu hören und Buchstaben wie gesprochen zuzuordnen ist dabei sicher der erste Schritt, auch wenn man meinen könnte, durch die unsachliche Diskussion über die Methode Lesen durch Schreiben mit einer angeblichen Reduzierung auf "Schreib, wie du sprichst" wären das alphabetische Prinzip und (An-)Lauttabellen in Verruf geraten. Die Strategien der FRESCH-Methode behandeln dann in der Mehrzahl Rechtschreibphänomene, die auf dem alphabetischen Prinzip aufbauen; kommen also bei mir in der Regel erst nach Klasse 1.

    Deine Antworten beziehen sich irgendwie gar nicht mehr auf meine Aussagen, CDL , ich weiß gar nicht, was ich darauf antworten soll. Ich habe nie widersprochen, dass der Umgang mit den First Nations Diskriminierung ist und selbstverständlich zum Gesamtbild dazugehört und fand auch deine erste Antwort in der Hinsicht sinnvoll, als dass diese Diskriminierung natürlich bei der Betrachtung des kanadischen Bildungssystems benannt werden muss.

    Die spezifische Diskriminierung der First Nations in Kanada ändert aber ja nichts an den allgemeinen Vorteilen der benannten Systemmerkmale des kanadischen Bildungssystems. Es sind nicht die Ganztagsschulen, das längere gemeinsame Lernen oder die verankerten multiprofessionellen Teams, welche zur Diskriminierung der First Nations in Kanada führen.

    Das sind dann eben zufällig genau die Gruppen, die dir besonders am Herzen liegen

    Welche Gruppen liegen mir denn besonders am Herzen und welche weniger?

    Man kann berechtigterweise einwenden, dass der Umgang speziell mit den First Nations das Gesamtbild komplett relativiert und negiert. Was es allerdings nicht negiert, sind die Maßnahmen, die Kanada im Allgemeinen ergreift. Ganztagsschulen, längeres gemeinsames Lernen, verbindliche Einzugsgebiete. Stattdessen diskutieren wir hier über mehr Selektion und damit so ziemlich dem Gegenteil.

    Finde ich absolut auch einen wichtigen Aspekt für das Gesamtbild. (Post-)Kolonialismus der First Nations in Kanada ist gleichzeitig ein bedeutsames wie sehr spezifisches Problem. Es negiert für mich nicht komplett die positiven und wirksamen Ansätze des Bildungssystems, die eben von der vergleichenden Bildungsforschung auch als solche herausgestellt werden und Vorbild für Deutschland sein können.

    Die Vorstellung, den kanadischen Multikulturalismus auf Deutschland zu übertragen, ist also utopisch. Dennoch können die Deutschen von Kanada lernen. Gemäß dem Motto von Max Weber "Man muss das Utopische denken, um das Mögliche zu erkennen" kann der kanadische Multikulturalismus eine Orientierungsmarke sein - ein Leuchtturm, der vage und grob die Richtung angibt, in die Überlegungen zu Migration und Integration gehen können.

    Wenn du also schon Beispiele nennen möchtest, dann bitte schau dir die Länder realistisch an und zitier nicht nur die schöne, heile, weiße PR- Welt, die man von sich selbst erzählen möchte.

    Die PISA-Studie entspringt keiner kanadischen PR-Abteilung. Die Bundeszentrale für politische Bildung sicher auch nicht. Wie divers man dort jeweils aufgestellt ist, kann ich nicht beurteilen.

    Zu erkennen, dass man sich geirrt hatte- wie flächendeckend G8 einzuführen- und solch einen Fehler zu korrigieren ist meines Erachtens aber kein Rückschritt.

    Generell nicht, mit der quasi flächendeckenden Rückführung zu G9 hat man allerdings eine Chance verpasst, Gesamtschulen zu profilieren und finanzielle Mittel dort einzusetzen, wo sie noch einen Unterschied machen können. Das ist nicht das 3. Jahr in der Oberstufe.

    Aber die Industrie-Nationen liegen punktemässig so nah beisammen, lässt sich das daher überhaupt belegen?

    Meine Quelle: https://www.bpb.de/themen/bildung…usammenhaengen/

    Gern. Wo kommt der 2. Lehrer bei uns her?

    Eindeutig eine Verfehlung Bildungspolitik quasi seit der Bundesrepublik (Stichwort Schweinezyklus), ja.

    Kanada hat vergleichbar große Klassen. Kanada hat seit 30 Jahren Sonderschulen abgeschafft und gilt als Vorbild in Sachen Inklusion. Kanada hat ebenfalls eine hohe Zuwanderungsquote. Kanada hatte ähnliche Herausforderungen im Bildungssystem wie wir. Sie sind ein Beispiel für eine Land, das bei PISA die letzen Jahre gut abschnitt und die Entkopplung von Herkunft und Leistung vergleichsweise gut schaffte.

    Kanada sieht sich selbst als multikulturelles Land. Dort gibt es festgelegte, verbindliche Einzugsgebiete. Kanadas Schüler*innen lernen bis zur sechsten Klasse in der primary school zusammen. Kanadas Schulen sind Ganztagsschulen. Man setzt auf enge Diagnostik und Anschlussförderung. Daten werden digitale erhoben und in Schulen, zwischen Schulen und über Kreise hinaus verglichen. Teamteaching und Lehrer*innenkooperationen sind wesentliches Merkmal kanadischer Schulen.

    Alles Strukturen, welche die Bildungsforschung auch auf Grundlage der ländervergleichenden PISA-Ergebnisse empfiehlt.

    Was du hier beschreibst, ist die Realität. Ohne Unterstützung durch die Eltern ist eine erfolgreiche Schullaufbahn mindestens erschwert.


    Diese Realität macht IMHO aber den bildungspolitischen Anspruch an eine chancengleiche Schule zur Makulatur.

    Die bei PISA erfolgreichsten Länder sind mitunter auch die Länder, die bei der Entkopplung von Herkunft und Leistung vorne mit dabei sind. Das scheint also möglich zu sein, die Kinder ohne Unterstützung aufzufangen. Chancengleiche Schule halte ich generell keineswegs für Makulatur. Wir sind in Deutschland nur leider traditionell weit hinten, was das angeht und die Lösung gibt es natürlich auch nicht. Es besteht aber auch nicht die volle Bereitschaft, wesentlich etwas zu verändern im Schulsystem. Ganz im Gegenteil glaubt man nun, mit 'Rückschritten' (G9, verpflichtende Schulformempfehlung, weniger Inklusion, ...) reagieren zu müssen. Schnell kommt dann wie hier auch, dass die Leistungsstärkeren ja sonst leiden würden. Dann ist man wieder bei meinem ersten Satz.

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