1.
a) Verbaler Fließtext:
- extrem langwierig, viel Freizeiteinsatz und viele Wochenenden in der schönsten Zeit des Jahres nötig, funktioniert - wie so vieles in unserem Beruf - nur unter der Annahme, dass Lehrer gerne und viel ehrenamtlich arbeiten,
- hohe Arbeitsbelastung auch für Schulleitung (Lesezeit bei 300 oder 500 Schülern?),
- fehleranfällig, eine Reihe von Zeugnissen muss dadurch verbessert und neu gedruckt werden (Ressourcenverbrauch + Müllanfall)
- verbindliche Kriterien nötig, sonst total unterschiedliche Zeugnisse in Parallelklassen -> Viel Zeit für die Absprache vorab und die jährliche Nachsteuerung nötig,
- z.T. sehr schwer für Fachlehrer umsetzbar,
- Kinder können genauer beschrieben werden,
- in Berlin musste man sich früher im Umfang sehr beschränken, dadurch konnte man nie alle Kompetenzen des Lehrplans einschätzen (Vorteil: man muss weniger pi mal Daumen arbeiten, Nachteil: weniger genau)
- Schwächen können bzw. müssen (je nach Bundesland) positiv formuliert werden --> für übernehmende Lehrer verständlich, für Eltern aber oft nicht, d.h. man bekommt z.B. leistungsschwache Schüler mit wohlklingendem Zeugnis aus anderem Bundesland, wenn diese dann im Notenbereich 3 bis 4 landen, sind die Eltern erbost- oder auch, wenn die Kinder dann das 3. Jahr in der Schulanfangsphase nutzen sollen, das ist oft nicht nachvollziehbar,
- Übergang an weiterführende Schule wäre erschwert, wenn in höheren Jahrgängen,
- je höher der Jahrgang, desto komplizierter stelle ich mir das vor.
b) indikatorenorientiertes Zeugnis (enthält vorgegeben alle Kompetenzen, die laut Lehrplan erarbeitet werden müssen):
- etwas weniger langwierig, aber nicht wirklich viel, auch hier viel Freizeiteinsatz nötig,
- enthält so viele Kriterien, dass man die letzten 3 Monate vor den Zeugnissen fast nur noch testen muss, um eine halbwegs aussagekräftige Bewertung zu erhalten, aber manchmal ist es auch Pi mal Daumen,
- Berlin: Die Option "Kompetenz wird gar nicht beherrscht." gibt es quasi nicht, man kann zwischen Vollkreis, Dreiviertelkreis, Halbkreis und Viertelkreis entscheiden, d.h. Eltern denken teilweise, dass ihr Kind ja schon gute Ansätze hat, wenn Kreuz im Vierteilkreisbereich ist,
- hohe Arbeitsbelastung für Schulleitung,
- sehr viele Kopien, die kunstvolle Druckeinstellungen verlangen, dadurch auch Zeit- und Materialaufwand, bis es klappt,
- allgemein für die meisten Eltern besser verständlich als a), es ist etwas leichter für ein Verweilen oder Aufrücken zu argumentieren.
2. Ich finde die Klassenstufe nicht so wichtig, sondern das Umdenken im Schulsystem, denn das ist eine völlig andere Form der Bewertung, die ganz andere Ressourcen und Herangehensweisen sowie Leseweisen erfordert. Es wäre ein kompletter gesellschaftlicher Wechsel nötig. Allein die Übergangsgutachten... MSA... Bachelor- und Masterprüfungen... IHK-Prüfungen...
3. Nein.
4. Ich befürworte inzwischen Zensuren, eventuell sogar ab Klasse 2 in bestimmten Teilbereichen, die für Verweilen / Aufrücken relevant sind. Dazu eine kurze Verbaleinschätzung, wenn diese in der Arbeitszeit berücksichtigt wird und die Pflichtstundenzahl entsprechend gesenkt wird. Für Kinder mit LRS, Deutsch als Fremdsprache oder Rechenschwäche ist das übrigens in meinem Bundesland für die betroffenen Fächer jetzt schon ganz genau so.
Eltern wünschen sich Noten und sind bei uns im Einzugsgebiet genervt von Verbalbeurteilungen.
Ergänzung: Benachteiligung von Eltern mit Migrationshintergrund und mit eher einfacher Bildung ist durch Verbalgutachten gegeben, die sinnverstehenden Lesefähigkeiten reichen oft nicht aus, während sie Noten verstehen.
Viel Erfolg!