Ich habe fast 10 Jahre lang in der Migrationsarbeit mit Jugendlichen mit Migrationshintergrund gearbeitet @Ratatouille darauf basiert meine Aussage, sonst würde ich ich mich nicht so weit vorwagen. Obwohl das nicht Teil der Jobbeschreibung war, habe ich praktisch täglich weinende Jugendliche vor mir sitzen gehabt, die sich völlig überfordert davon fühlten täglich in mindestens einer Unterrichtsstunde als Muslime sagen zu müssen, dass der IS nicht den Islam repräsentiere, auch nicht für sie persönlich spreche und, ach übrigens nein, sie würden auch nicht zwangsverheiratet von ihren Vätern. Jugendliche, denen Lehrer ungeachtet ihrer hervorragenden Zensuren immer mal wieder abgesprochen haben ein Abitur oder gar ein Studium bestehen zu können, weil ihr Deutsch nicht perfekt war, Jugendliche, deren Lehrer auch nach 8 Jahren ihren Namen noch nicht kannten, weil es zwei Mädchen mit Kopftuch in der Klasse gab, die auch noch Cousinen waren und sich angeblich (nicht wirklich) so unwahrscheinlich ähnlich sahen, dass man sie einfach nicht auseinanderhalten konnte (da ich beide Mächen gut kannte: Die einzige äußerliche Ähnlichkeit war das Kopftuch, ansonsten in Größe, Statur, Gesichtsform, Aussehen und vor allem im Verhalten komplett konträre Mädchen.). Jugendliche mit deutschem Pass, fehlerfreiem Deutsch in Wort und Schrift die von Mitschülern wie Lehrern in unschöner Regelmäßigkeit gefragt wurden, wo sie denn WIRKLICH herkommen würden (denn aus Deutschland kann ein Mensch mit z.B. türkischem oder arabischem Nachnamen "natürlich" nicht WIRKLICH kommen) oder die Referate über "ihr Heimatland" halten sollten und schlechte Noten bekamen, weil sie etwas über Deutschland erzählt haben. Jugendliche, denen Lehrer vor dem mündlichen Abitur erklärt haben, sie sollten besser gleich die Schule verlassen, weil dieser Lehrer auch den Vorsitz in ihrem mündlichen Abitur habe und dafür sorgen würde, dass sie nicht bestehen würden (ja, es gab in diesem Extremfall auch andere Lehrer, die den von dieser eklatanten Diskriminierung betroffenen drei Schülern dringend geraten haben Widerspruch einzulegen und ggf.den Klageweg zu beschreiten, erstmal aber stand da viel Leid im Raum, weil ein paar junge Menschen ihr Abitur im 1.Anlauf fachlich unbegründet nicht bestanden hatten).
Ich könnte Dutzende dieser Beispiel von Alltagsrassismus und -diskriminierung aus dem schulischen Bereich aufzählen, die meine Hasen erleiden mussten und die mit Sicherheit und leider absolut repräsentativ für das sind, was viele Kinder ausländischer Herkunft, aber eben auch inländischer Herkunft mit Migrationshintergrund tagtäglich hierzulande erleben. Ich weiß darüber hinaus von zwei Mitanwärterinnen mit türkischen Namen, dass diesen schulsicherseits in der Ausbildung bereits vor Antritt des Refs, bei der Vorstellung an der Schule, überdeutlich gesagt wurde, dass sie unter besonderer Beobachtung stünden "ob ihr Deutsch überhaupt gut genug sei", bzw. nicht erwünscht seien (eine Referendarin mit Kopftuch) und als Bedrohung des Schulfriedens allein wegen ihrer Anwesenheit und dem Tragen des Kopftuchs betrachtet würden. Natürlich sind weder alle Schulen, noch alle oder gar eine Mehrheit der Lehrer derart ignorant bis übergriffig im Umgang mit SuS (oder auch Anwärtern). Nachdem meine Hasen bei meiner früheren Arbeitsstelle von 15 verschiedenen Schulen kamen kann ich aber sagen, dass es mit Sicherheit an vielen Schulen einzelne Lehrer gibt, die so ticken. Jeder einzelne davon ist einer zuviel und sorgt für unnötigen Leidensdruck und Schulangst.
Dies geschrieben, hast du natürlich völlig recht mit dem, was du über die überhöhte Sensibilität schreibst Ratatouille. Diese entsteht zwar nicht grundlos, kann aber natürlich verhindern an tatsächlich bestehenden Problemen zu arbeiten. Meiner Erfahrung nach sieht man gerade bei Zweitsprachlern aber vor allem in der Schriftsprache, woran es noch "hapert", während sie sich mündlich, gerade wenn sie ein Gymnasium besuchen oder studieren, oft problemlos und weitestgehend fehlerfrei auszudrücken vermögen. Insofern würde ich der TE erstmal durchaus zutrauen, dass sie angesichts ihrer schriftlichen Ausdrucksweise auch in der gesprochenen Sprache in verschiedenen Registern fit sein dürfte und es sich tatächlich nur um stressbedingte Probleme handelt (evtl.weil dann der Kopf unbemerkt in eine andere Sprache springt und zu übersetzen beginnt?).