Hallo Ida,
vorab: Ich unterrichte nicht an einer Hauptschule, aber an einer Realschule in einem schwierigen sozialen Umfeld in NRW und ich glaube, die "Verhältnisse" dort sind z.T. vergleichbar mit Hauptschulen (abgesehen vielleicht von den Klassengrößen, aber auch bei uns gibt es teilweise das Klassenlehrerprinzip, das Behalten der Klassen von der 5 bis zur 10 usw). Gleichzeitig habe ich im unmittelbaren Umfeld und im Freundeskreis viele Gymnasiallehrer und sehe täglich den Unterschied.
Ich glaube, vor ein paar Jahren hätte ich deine Frage noch neutral beantwortet und dir einfach die Unterschiede aufgezählt. Inzwischen, nach mehr als 5 Jahren, sehe ich es leider nicht mehr ganz so neutral. Ich mache die Arbeit mit sozial schwierigen Schülern immer noch sehr gerne, sehe aber mehr und mehr, wie sie langfristig an den Nerven und an der Gesundheit zehrt.
Vorab mal die Unterschiede zwischen den Schulformen: Am Gymnasium unterrichtest du mehr fachlich, an Haupt- und Realschule viel mehr pädagogisch, mit allen Vor- und Nachteilen. Durch das Klassenlehrerprinzip kennst du die Schüler viel intensiver, ebenso die Eltern und baust einen direkten Draht zu ihnen auf, kannst langfristig pädagogisch arbeiten, da die Kinder dich kennen etc. Du hältst dich mehr in deinem Klassenraum auf, den du mit den Schülern gestalten kannst, führst viel mehr Elterngespräche...
Allerdings ist das fachliche Niveau begrenzter, was ich nach ein paar Unterrichtsjahren oftmals sehr schade finde - anfangs ist eh alles neu, aber nach ein paar Jahren wären fachliche Herausforderungen auch mal ganz nett.
Du unterrichtest keine Oberstufe und hast insgesamt meist mit pubertierenden (und vor- und nachpubertierenden
) Schülern zu tun.
Die Elternschaft und die Sozialstruktur der Schüler ist eine ganz andere als am Gymnasium und das ist teilweise sehr schwierig. Ich finde es wahnsinnig frustrierend (insbesondere da man die Schüler bei uns ja sehr gut kennt und sie einem absolut nicht egal sind), wenn man als Lehrer an seine Grenzen stößt und nichts machen kann, wenn zu Hause vieles aus dem Ruder läuft. Das kommt am Gymnasium auch mal vor, aber nicht in der Häufigkeit. Ich gebe dir mal ein paar Beispiele: Schüler sind zu Hause auf sich gestellt, stürzen in der Pubertät ab, alleinerziehende Eltern sind total überfordert, auch das Jugendamt ist keine große Hilfe, Schüler kommen nicht mehr in die Schule, werden kriminell - und du musst als Lehrer trotz intensivster Bemühungen und Gespräche erkennen, dass du nichts für diese Kinder tun kannst - das ist ziemlich bitter und sehr frustrierend und bei uns leider kein Einzelfall. Solche Situationen haben wir in unterschiedlichster Ausprägung bei uns tagtäglich. 
Ich finde es inzwischen sehr frustrierend, zu sehen, dass man in der weiterführenden Schule kaum noch reparieren kann, was im Elternhaus jahrelang schief gelaufen ist. Natürlich haben wir auch andere Schüler aus normalen Elternhäusern, aber leider auch viele, bei denen sooo viel schief läuft.
Ich hatte in letzter Zeit ein paar Situationen, in denen ich die Unterschiede zwischen den Schulformen auch deutlich erlebt habe: Ich war auf einer hervorragenden Theater-/Musicalaufführung eines Gymnasiums, die zwei Lehrer alleine auf die Beine gestellt haben: Sie haben in nur einem Jahr eine Aufführung hinbekommen, die ich bei uns an der Schule so nie für möglich halten würde. Im Vergleich: Bei uns wirken sehr viele sehr engagierte Lehrer (ca. 10) an einer EINZIGEN Theateraufführung mit, aber es sind so viele Grundlagen zu legen, dass es eine riesige Arbeit ist und das Ergebnis nicht ansatzweise an das dieser Gymnasialaufführungen rankommt. Bei uns müssen die Grundlagen teilweise bei Null gelegt werden, was zum Beispiel heißt, dass die Musiklehrer den Kindern einfachste Instrumentalkenntnisse beibringen müssen, weil kaum jemand ein Instrument spielt etc. Was dann das Ergebnis nach einem Jahr ist, kannst du dir vielleicht vorstellen (es ist natürlich ein super Fortschritt für den einzelnen Schüler, aber nicht zu vergleichen mit dem Ergebnis, das man bei einem Schüler hat, der schon außerschulisch zumindest Instrumentalgrundlagen hat).
Auf einem Schulkonzert eines anderen Gymnasiums war ich ähnlich beeindruckt, was dort alles auf die Beine gestellt werden kann.
Leider habe ich immer mehr den Eindruck, dass sich die Schulformen inzwischen verschieben (jedenfalls in NRW, ob das in Bayern auch so ist, kann ich nicht beurteilen) und die Vorteile, die die Schulformen Haupt- und Realschule eigentlich haben, langsam in Luft auflösen. Eigentlich ist das Klassenleiterprinzip oder die intensive Berufsvorbereitung eine tolle Sache, aber es wird immer schwerer, diese Vorteile auch zu nutzen.
Ich habe hier im Forum vor ein paar Jahren, als es um Unterschiede zwischen den Schulformen ging, auch mal Kollegen erwähnt, die sich als Gymnasiallehrer bewusst gegen das Gymnasium entschieden haben und lieber an einer Realschule unterrichten, habe die Gründe auch aufgezählt (das müsstest du über die Suchfunktion finden, ebenso ganz viele Threads zu den Unterschieden zwischen den Schulformen), aber inzwischen sieht die Situation ganz anders aus: Diese Kollegen sind wieder ans Gymnasium gewechselt, weil sie die Diszipinprobleme und das niedrige fachliche Niveau (insbesondere in den Fremdsprachen) auf Dauer wahnsinnig gemacht haben.
Was die Disziplinprobleme betrifft, ist es nicht so, als müsste man sie zwangsläufig jeden Tag in Extremform haben: Wenn Klassen den Lehrer und die Regeln kennen, dann hält sich das teilweise schon in Grenzen. Aber man muss schon immer sehr konzentriert und sehr konsequent sein, was extrem anstrengend ist. Ich habe, wie ich hier schon mal geschrieben habe, einen ganz guten Vergleich, nämlich als Fachlehrerin eine Klasse, die für mich eine typische Realschulklasse ist, wie ich sie mir (positiv) vorstelle: Mittelgute, aber sehr bemühte Schüler, nette Eltern, nur wenig soziale Probleme... - Schüler, die vielleicht nicht so sehr Transfer leisten können, wie am Gymnasium, aber Schüler, die in den Leistungsanforderungen der Realschule gut mitkommen. Bei uns sind solche Klassen die totale Ausnahme. In dieser Klasse zu unterrichten, ist aber wirklich schön, weil man eben nicht immer erst mal erzieherisch tätig sein muss und die Eltern dort sehr angenehm sind. Wenn diese Parameter nicht stimmen, dann ist das Unterrichten viel anstrengender; dass diese Parameter stimmen, ist aber an heutigen Realschulen (und an den Hauptschulen hier im Umfeld) bestimmt nicht die Regel - die anderen Klassen an unserer Schule sind damit leider nicht vergleichbar.
Ein weiteres Aha-Erlebnis hatte ich neulich in einem Gespräch mit meiner ehemaligen Fachleiterin, die zufällig eine Referendarin an meiner Schule betreute und mir so wieder über den Weg lief: Da wir hier in NRW ja eine SekI-Ausbildung haben, unterrichtet diese Fachleiterin an einer Hauptschule. Für mich verkörperte sie damals in meinem Ref immer eine Person, die absolut hinter der Schulform Hauptschule steht, die sehr an ihren Schülern hängt und sich sehr für sie engagiert (das glaube ich auch immer noch) und die uns immer zeigen wollte, dass wir uns für diese Kinder einsetzen sollen und dass man an einer Hauptschule tolle pädagogische Arbeit machen kann. Jetzt, also ein paar Jahre später, habe ich mich mit ihr über die verschiedenen Schulformen unterhalten und dieses Mal meinte sie, wenn sie noch mal vor der Entscheidung stünde, würde sie inzwischen in jedem Fall Lehramt fürs Gymnasium/Gesamtschule studieren. Nach diesem Gespräch war ich wirklich baff.
Wie gesagt, ich konnte dir nur zu einigen Aspekten was sagen und Kollegen, die an der Hauptschule unterrichten, können bestimmt noch ganz viel ergänzen, aber vielleicht hilft dir diese Einschätzung ja auch ein bisschen weiter.
Ich wüsste in deiner Situation momentan jedenfalls, wie ich mich entscheiden würde.