Lieselotte : Dein Eindruck ist in vielen Teilen korrekt.
Ich habe es ähnlich wie Maylin85 erlebt: Ich bin vom Gymnasium zur Gesamtschule und dann zum BK und mit jedem Wechsel war ich wieder erstaunt, wie sehr man das Niveau noch absenken kann. Und ich staune noch immer. Ich bin seit mittlerweile fünf Jahren am BK und dort sowohl im Fachabi als auch im Abi viel unterwegs und ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus: Wir verteilen Noten, die das Bestehen garantieren, geradezu inflationär, nur damit genügend Leute es irgendwie schaffen und die SL ruhig schlafen kann, weil der Bildungsgang gesichert ist. Ich musste letztens bei glatter 5 in der SM und 6,4 in den Klausuren mitansehen, wie die Bildungsgangleitung meine 5 strich und die Note 4 auf dem Zeugnis vergab, die Schülerin konnte keinen gerade Satz verfassen. Aber „Sie hatte sich doch verbessert, da ist doch pädagogischer Spielraum.“ Sowas ist lächerlich und führt jedwede Forderung nach Leistung ad absurdum und führt letztendlich dazu, dass die meisten LuL irgendwann resignieren und sich anpassen. Ich selbst bin noch immer recht streng unterwegs, aber ja… ich bin es langsam auch leid.
Ich erinnere mich noch gut an die Gesamtschule, Abschluss zehnte Klasse, absolute Panik im Haus weil unser Jahrgang nicht genügend Q-Vermerke hervorbrachte. „Sie haben nicht genug gefördert.“ oder „Dann haben Sie als Lehrer/-in wohl versagt.“ Nein, wir haben ohne Ende gefördert und Förderzeugnisse bis zum Umfallen verfasst (die keinen interessiert haben). Aber von 150 eingeschulten Schülern aus der 5 Klasse, von denen 137 eine Hauptschulempfehlung (oder Förderschulempfehlung) hatten, kann man nicht aus dem Nichts mal eben 42 Menschen für die gymnasiale Oberstufe zaubern. Aber warte, doch es ging nämlich doch. Jedwede noch so hanebüchene Ausrede war unserem SL genehm, um schnell die Noten so zu verbessern, dass der Schnitt der relevanten Fächer stimmte. Und zwar durch alle Klassen hinweg.
Und so läuft es immer häufiger an immer mehr Schulen. Druck von oben, Konkurrenz mit anderen Schulformen etc. etc. Und es wird immer nach unten angepasst, nie nach oben. Naja, vielleicht nicht nie. Aber äußerst selten.
Ich finde es einfach nur seltsam und schlimm, dass alle davon ausgehen, dass nur genug gefördert werden muss, und schon kann jeder ans Gymmi oder sonstwo sein Abi machen. Nein, so ist es nicht und das ist auch nicht schlimm. Nicht jeder braucht Abi, nicht jeder muss studieren, im Gegenteil, wir brauchen auch in ganz vielen Nicht-Akademiker-Berufen vernünftige Leute.
Es ist vollkommen richtig, den SuS und deren Eltern die Grenzen der eigenen Leistungsfähigkeit aufzuzeigen und diese dann abzuschulen. In den gar nicht wirklich vielen Fällen, wo das passiert, hatte das Kind meistens von vorne herein intellektuell kaum eine Chance, um am Gym zu bestehen.
Und was meine Aufgabe als Lehrer betrifft: Meine Aufgabe besteht darin, die SuS auf ihrem jeweiligen Weg zu begleiten und bestmöglich zu helfen/zu unterstützen. Meine Aufgabe ist es nicht, jedem vorzugaukeln, dass jede/-r alles schaffen kann, wenn man nur genug lernt. Das ist die größte Lüge, die derzeit verbreitet wird.
Ich bin in fast allen Anlagen unterwegs und habe SuS auf äußerst unterschiedlichen Niveaus vor mir sitzen. Ich mag die allermeisten sehr gerne, das sind liebe und nette Leute. Nur lieb und nett gewinnt keinen Preis an der Uni. Lieb und nett ist nicht das, was die Wissenschaft voranbringt. Mit lieb und nett und humorvoll allein werden keine neuen Erkenntnisse gewonnen. Softskills sind super, aber für das Bestehen der Uni etc. mäßig relevant (es sei denn, man will sich durchschnorren. :P) und heutzutage sehr überbewertet, wenn es um die Einschätzung von Leistung geht. Lieb und nett gepaart ist mit Intelligenz und Wissen, ist das der Jackpot. Ansonsten ist lieb und nett für mich kein Kriterium, um jemanden durchzuwinken.