Beiträge von Antimon

    Ich finde es immer noch nicht vergleichbar. Und ich finde es auch nicht hilfreich, wenn du schreibst, der Arbeitgeber kann dir kündigen, wenn du dich weigerst.

    Wir reden vom Schwimmunterricht mit Grundschulkindern, durchgeführt von Lehrkräften, die das vielleicht einmal die Woche machen, nachdem sie einen Schwimmschein gemacht haben (Im Vergleich zu dir: Du hast Chemie studiert. Die Grundschullehrkräfte haben Erziehungswissenschaften, Pädagogik und vier Fächer studiert, eins davon war vielleicht Sport

    Mit der Argumentation wäre ich an deiner Stelle sehr vorsichtig. Soll ich dir Zitate raussammeln, wie häufig hier schon geschrieben wurde, dass ihr gleich qualifiziert seid, wie jemand mit einem fachwissenschaftlichen Abschluss? Auch unsere Sportlehrpersonen haben nicht "Schwimmen" studiert, sie müssen aber ein Rettungsschwimmer-Brevet vorweisen können, das in regelmässigen Abständen erneuert werden muss. Auch du bist verpflichtet, dich entsprechend zu qualifizieren und weiterzubilden, wenn der Arbeitgeber von dir verlangt, Schwimmunterricht zu erteilen. Und du bist verpflichtet zu remonstrieren, wenn er etwas von dir verlangt, wofür du nicht qualifiziert bist, aber zu einem sicherheitsrelevanten Problem führen kann. Mach das doch einfach.

    Edit: Die Hälfte unserer Chemielehrpersonen hat übrigens Biologie studiert. Auch die sind verpflichtet, für die Sicherheit der Jugendlichen bei der Laborarbeit zu sorgen. Genauso wie ich als studierte Chemikerin das Physikpraktikum sicher durchführen muss.

    Es war auf Seite 1 des Threads eigentlich schon alles Relevante geschrieben:

    Zeigt wieder einmal deutlich, dass die RemonstrationsPFLICHT eben nicht (nur) ein Mittel des Arbeitskampfes ist, sondern jeder Kollege gut beraten ist, ihr nachzukommen, wenn die systemischen Vorgaben und Zwänge ein Verhalten erfodern würden, dass rechtsbrüchlich ist.

    Subjektiv und moralisch scheint das Urteil sicherlich ein Fehlurteil, aber es widerspricht nicht meiner Auffassung vom Dienstrecht, so bitter das für die Kolleginnen an dieser Stelle ist.

    Und jetzt eine ganz ernst gemeinte Frage, vor allem an diejenigen, die sich grad am lautesten beklagen: Wie viele von euch haben die misslichen Umstände bereits schriftlich an den Arbeitgeber reklamiert?

    Ich schrieb unter anderem Folgendes:

    Wenn ich die Sicherheit meiner Schüler*innen im Laborpraktikum nicht gewährleisten kann, arbeite ich dort nicht oder nur sehr eingeschränkt.

    Worauf hin der Einwand kam, ich könne dann ja Filme zeigen. Nein, das kann ich nicht, es steht im Lehrplan, dass unsere Jugendlichen in den Naturwissenschaften auch praktisch ausgebildet werden sollen. So steht es auch im Lehrplan der Sekundarstufe I, das sind die 13-/14-jährigen, denen auch jemand beibringen *muss* wie man den Gasbrenner bedient. Der Kanton Baselland hat derzeit ein Problem mit dem Haushalt, der Bildungsbereich, insbesondere die Sekundarstufe II, ist von empfindlichen Sparmassnahmen betroffen. Unter anderem war ein Vorschlag, den Halbklassenunterricht im Grundlagenfach Physik zu streichen. Der Vorschlag geht in die Vernehmlassung, ich setze mich also mit der Fachschaft zusammen und verfasse im Namen aller Kolleginnen und Kollegen einen Brief , in dem wir schriftlich begründen, warum das nicht geht. Im Lehrplan steht, die Schüler*innen müssen praktisch arbeiten und lernen, Experimente selbst (!) durchzuführen und zu protokollieren. Ich kann sehr wohl Praktika mit den Schüler*innen im Klassenverband (max. 24 SuS) durchführen, ich kann aber die Sicherheit beim Umgang mit Elektrizität mit so einer grossen Gruppe nicht mehr gewährleisten. Etc. pp. Guess what ... Der Halbklassenunterricht Physik wird *nicht* gestrichen.

    Ich hätte natürlich zuerst noch 3 Wochen lang das Lehrerforum vollspamen können, wie empörenswert der Vorschlag überhaupt nur ist. Oder man setzt sich halt hin und unternimmt was. Also: Wer von euch hat was schon konkret unternommen gegen die Umstände, über die er oder sie sich beklagt?

    Wir hatten vor ein paar Jahren in einem unserer Gebäude einen Schaden an einem Transformator im Keller, infolgedessen sich irgendein flüchtiges Lösemittel über die Lüftung im ganzen Haus verteilte. Den grössten "Spass" damit hatten wir im Chemielabor. Ich habe die Laborarbeit mit den Schüler*innen abgebrochen, weil deren Gesundheit infolge der Schadstoffbelastung in der Raumluft nicht mehr garantiert war. Wenn da eins am Abend kotzen geht, verklagen mich die Eltern absolut zurecht auf fahrlässige Körperverletzung. Wenn ich mich hinstelle und die Hände in die Luft werfe "der Transformator im Keller war halt kaputt, der Kanton hat schuld", wird mir zurecht der Vogel gezeigt.

    Ich kann gerne noch weitere ganz konkrete Vorfälle beschreiben, in denen ich oder eine Kollegin oder ein Kollege ganz konkret aktiv geworden sind.


    Aber es könnte dich jemand verklagen und der Meinung sein, dass du dir zuvor einen Eindruck über die Fingerfertigkeit und Geschicklichkeit jedes und jeder Jugendlichen verschaffen musst, bevor du sie an anderes Gerät lässt.

    Und das kann man machen, indem man jeden einzeln das Schneiden vorführen lässt oder indem die gesamte Gruppe eine Übung absolviert, bei der du jeden beobachten kannst.

    Ja selbstverständlich kann mich jemand verklagen, das Recht hat jeder und jede. Das werde ich dann wohl aushalten müssen. Ich kann nicht mehr tun als nach bestem Wissen und Gewissen meine Aufgaben zu erfüllen. Was ich aber nicht kann, ist, mich zu verweigern, weil ja potentiell immer irgendwas passieren könnte. Dann hat der Arbeitgeber nämlich das Recht, mich abzumahnen oder mir auch die Kündigung hinzulegen. Abgesehen davon: Ja, ich lasse mir im ersten Laborpraktikum von jedem einzelnen einmal zeigen, wie der Gasbrenner bedient wird (und es gibt noch andere Handgriffe, bei denen ich neben jeder Person einzeln stehe, während der Rest in dem Moment die Finger ruhig hält). Alle von uns machen ein solches Einführungspraktikum. Was an anderen Schulen gemacht wird, das weiss ich nicht. Das ist deren Problem und deren Verantwortung.

    und ich finde Chemieunterricht nicht vergleichbar mit Schwimmunterricht

    Du unterrichtest weder das eine, noch das andere. Wie kommst du also zu der Annahme? Die Unfallstatistik dürfte ziemlich ähnlich aussehen. Es sterben weder im einen noch im anderen Bereich ständig Kinder und Jugendliche, weil die verantwortlichen Lehrpersonen in der Regel wissen, was sie tun.

    Es geht um Verantwortung, die ich als Lehrperson übernehmen muss. Ich erinnere euch daran, wenn die nächste Diskussion über die ach so schlechte Bezahlung ausbricht und alle meinen, ihr Job sei vergleichbar mit dem einer Ärztin oder eines Piloten. Der oben erwähnte Busfahrer verdient übrigens weniger als du.

    andererseits völlig verrückt, weil es einfach wahnsinnig gefährlich sein kann

    Ich kann auch Leute umbringen, wenn ich Fehler mache. Der Busfahrer, der die Kinder morgens zur Schule bringt, kann sie alle umbringen, wenn er einen Fehler macht. Die Ärztin, die dir den Blinddarm rausschneidet, kann dich umbringen, wenn sie einen Fehler macht. Und du willst dich weigern, einem Kind das Schwimmen beizubringen, weil es dabei ertrinken kann? Wenn du Schwimmunterricht erteilen sollst, wirst du dafür qualifiziert und dann ist es eine Aufgabe, für die du bezahlt wirst.

    Was hier geschrieben wird, macht mich immer sprachloser.

    Zusammenbinden ist Pflicht, aber auch ein Pferdeschwanz oder Zopf kann in eine Brennerflamme gelangen

    Natürlich. Dann ist es aber nicht mehr meine Schuld als Lehrperson. Ich habe immer wieder SuS mit Brand- und Schnittverletzungen im Labor. Es kam noch nie jemand auf die Idee, mir die Schuld daran geben zu wollen. Weil selbstverständlich auch die Jugendlichen Verantwortung für ihr eigenes Handel tragen.

    Steht bei uns in den Vorschriften drin.

    Die Beamtenmentalität scheint es nötig zu machen. Ich halte das für einen Fehler, wie sich im vorliegenden Fall auch zeigt. Wofür hast du noch mal studiert? Der Gesetzgeber geht davon aus, dass ich als hochqualifizierte Fachperson selbst entscheide, wie in meinem Fachbereich angemessen gearbeitet wird. So steht es im relevanten Gesetz auch geschrieben. Und so trage *ich* auch die Verantwortung für mein Handeln.

    Palim Ich schrieb das hier:

    Die Gefährdungsbeurteilung liegt bei mir, *ich* muss entscheiden, was ich mit 24 Personen machen kann und was ich nur mit maximal 13 Personen mache

    Und ich stehe im Labor grundsätzlich alleine mit den SuS. Die Assistenz hilft mir bei der Vor- und Nachbereitung, mit dem Unterricht hat sie nichts zu tun. Physikpraktikum bereite ich auch alleine vor und räume mit den SuS zusammen ab.

    Oder in Chemie irgendwas, du hast bloß eine halbe Gruppe und trotzdem hält jemand seine Haare in den Bunsenbrenner

    Richtig, dann wird man mich fragen, wie es dazu gekommen ist. Und wenn sich nachweisen lässt, dass ich die Person nicht dazu angewiesen habe, die Haare zusammen zu binden, habe ich ein Problem und zwar zurecht. Steht übrigens nicht im Gesetz, dass ich das muss.

    weil ich das heiße Gemisch nach dem Versuch nicht unbeaufsichtigt lassen wollte

    Mach es am Anfang der Stunde, dann hat es 40 min Zeit abzukühlen. Ist jetzt nicht so schwierig.


    die heutigen "Sicherheitswunderkerzen" gehen nicht mehr

    Natürlich gehen die. Steck einfach 5 davon rumgedreht ins Gemisch.


    Viel Sand in einer Eisenwanne wurde verwendet, reichte das eine Mal nicht.

    Auch das eine Mal hätte gereicht, hätte die Person eine angemessene Menge Thermit verwendet.

    Soweit waren wir schon mal. Es gibt Fehler, die macht man einfach nicht. Punkt. Erst vor 2 - 3 Wochen plappert mir ein Kollege, studierter Biologe, ganz aufgeregt vor, dass das Natrium im Wasser ihm beinahe hopps gegangen wäre und das nach mehr als 20 Jahren Berufserfahrung. Er zeigt mir mit den Fingern an, wie viel er "nur" genommen hat. Schätzele, ich habe nicht ein einziges Mal bisher SO VIEL genommen. Wenn du keine Ahnung hast, dann lass es einfach bleiben. Bitte. Unfälle mit Chemikalien passieren nicht einfach so und versehentlich, sie passieren, weil du unaufmerksam warst oder dich und deine Fähigkeiten überschätzt hast. Ich will überhaupt nicht ausschliessen, dass mir irgendwann irgendwas passiert, aber ich werde ganz sicher niemals behaupten, es sei nicht vorhersehbar gewesen.

    Ich habe in einem anderen Kontext schon einmal einen Fall geschildert, bei dem eine Schülerin auf einer Bildungsreise infolge eines Insektenstichs kurz vor der Blutvergiftung war. Das war eine falsche Entscheidung von mir und der Kollegin, die uns beiden so nie wieder passieren wird. Tatsache ist aber auch, wir *sind* zum Arzt gegangen, wenn auch reichlich spät (also genaugenommen ca. 24 h nach dem Insektenstich).

    Im vorliegenden Fall waren die Lehrpersonen zu zweit. Was genau hat sie davon abgehalten die Gruppe zu teilen? Lehrpersonen sind nicht per Definition unfehlbar und "Opfer des System", sie können sich auch einfach sackdumm verhalten und dann müssen sie die Konsequenzen ihres Handels tragen.

    Wenn es in einem Bundesland aber ausreicht, ein Rettungsabzeichen zu haben, dann ist allein der Beginn des Unterrichts im Nicht-Schwimmerbereich kein Fehler

    Natürlich ist es ein Fehler wenn die Lehrperson nicht in der Lage ist, die Gruppe richtig einzuschätzen. Ich kann nicht alles machen, nur weil ich es darf. Ich darf mit Dichlormethan ausschütteln aber ich mache es nicht, wenn ich einen Haufen hirnverbrannter Spätpubertärer im Labor stehen habe.

    Ein etwas zu heftig verlaufendes Thermitverfahren war übrigens meine allererste Hospitationsstunde im Ref. Nach dem Versuch des erfahrenen Kollegen war ein großes Loch im Labortisch.

    Schönes Beispiel. Niemand von uns macht das im Schulzimmer. Dafür haben wir einen extra Wagen, der mit Sand gefüllt ist und der wird hinters Schulhaus ins Freie gezogen. Die Wunderkerzen stecken schon im Gemisch, wenn ich sie anzünde, dafür kaufen wir extra Thermit-Anzünder. "Erfahren" ist man nicht automatisch, nur weil man seit 30 Jahren immer den gleichen Kram macht.

    Ich habe eine ganz junge Kollegin, gerade 25 und mit dem Master fertig geworden, die tatsächlich vieles an "Dreck-Chemie" im Studium gar nicht mehr gelernt hat. Das lernt sie jetzt von mir. Im Gegenzug bin ich in der Pflicht mich weiterzubilden, was man aus Sicherheitsgründen heute halt anders macht als zu meiner Zeit vor 25 Jahren.

    Du gehst von Bedingungen aus, die andernorts gar nicht gegeben sind. Halbklassenunterricht? Assistent:innen? Unterricht zu zweit oder zu dritt?

    Ich teile mir die Funktion der Sicherheitsbeauftragten mit einer weiteren Person. Dafür bekommen wir nicht mal Entlastungsstunden, das wird über den Berufsauftrag "abgerechnet", in dem ich bei einem 60 % Pensum ohnehin schon 80 Überstunden stehen habe. Und ich schrieb es bereits ganz oft: Ohne den Halbklassenunterricht könnte ich viele Praktika, wie wir sie vor allem im Schwerpunktfach durchführen, eben nicht machen. Weil es aus sicherheitsrelevanten Gründen nicht ginge. Ich experimentiere aber selbstverständlich auch mit 24er Klassen. Die Gefährdungsbeurteilung liegt bei mir, *ich* muss entscheiden, was ich mit 24 Personen machen kann und was ich nur mit maximal 13 Personen mache. Exakt das meine ich mit "oh, die Bedingungen stimmen halt nicht, da kann ich nichts dafür". Ich arbeite den Bedingungen entsprechend, das liegt in *meiner* Verantwortung.

    wenn die gesetzlichen Anforderungen formal erfüllt sind

    Hierzu mal eine Frage in die Runde: Haben die entsprechenden Erlasse bei euch eigentlichen Gesetzescharakter? Für sowas gibt es bei uns nur Verordnungen und Weisungen, keine Gesetze. Wir gehen z. B. mit Klassen grundsätzlich nicht an Fliessgewässer schwimmen (egal welche Schulstufe), aber dabei handelt es sich lediglich um eine Weisung der Schulleitung. Klar, wenn es zu einer Strafanzeige kommt, wird natürlich geschaut, ob ich mich an entsprechende Weisungen gehalten habe. Wenn aber eins im See ertrinkt, bin ich natürlich trotzdem mit dem Kopf in der Schlinge, auch wenn die Schulleitung das vorher abgesegnet hatte. Die kennt ja die Klasse nicht und darf davon ausgehen, dass ich als begleitende Lehrperson die Lage vor Ort entsprechend beurteile.

    Ich finde es grundsätzlich eine sehr schwierige Einstellung, sich an solchen Stellen immer wieder auf den "gesetzlichen Rahmen" zu berufen. Das hat halt schon sehr was von Beamtenmentalität. Ich unterrichte Fächer, in denen ich immer wieder sicherheitsrelevante Situationen im Unterricht habe. Bei uns gibt es da von Seiten Kanton oder Schulleitung kaum irgendwelche Weisungen und Vorgaben ganz einfach, weil der Gesetzgeber davon ausgeht, dass ich als fachkundige Person die Gefährdungsbeurteilung selbst vornehmen kann. In dem Moment weiss ich dann aber auch, es ist *meine* Verantwortung und ich kann die auf nichts und niemanden abschieben. Die meisten Unfälle passieren in dem Bereich an der Sekundarstufe I und sie sind praktisch immer auf Fahrlässigkeit und Selbstüberschätzung der Lehrperson zurückzuführen. Der Kanton spricht einfach so und so viele Stunden Halbklassenunterricht für die Laborarbeit in den Naturwissenschaften, das ist der "Rahmen", in dem man sich bewegt. Aber schlussendlich ist es eben wurscht, ob ich mit 12 oder 24 Schüler*innen im Labor stehe, wenn ich die Handgriffe selber nicht beherrsche und Gefahrensituationen nicht erkenne. Ich breche den Unterricht durchaus auch mal ab, wenn einzelne Schüler*innen sich überhaupt nicht im Griff haben. Das ist doch im Sportunterricht genau das gleiche. Wenn ich eine Gruppe nicht richtig einschätzen kann, kann ich sie halt in den ersten Lektionen nicht beliebig alles machen lassen.

    Außerdem fände ich eine sachlichere Schreibweise für eine Diskussion gewinnbringender

    Es *ist* eine sachliche Schreibweise. Die ändert ja nichts an deiner und meiner Moral. Operationsberichte lesen sich auch echt gruselig, ich las mal einen von einer Kollegin, die einen Notkaiserschnitt hatte. Liest sich eher wie eine Notschlachtung. Hirntumore lesen sich als sei man gefühlt eigentlich schon tot.

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