Beiträge von Antimon

    Das heutige Gymnasium ist aus der Sicht des 19. Jhdts ungeachtet des höheren Anspruchsniveaus eine Realschule

    Dass unter Bildung heute nicht mehr Griechisch und Latein verstanden wird ändert nicht grundsätzlich was am intellektuellen Anspruch für den Erwerb der Allgemeinen Hochschulreife. Zudem bilden wir heute breiter aus denn je. Vieles wird "auf Verdacht" und mitnichten für einen konkreten Zweck gelehrt. Abgesehen davon gäbe es noch den Begriff des Realgymnasiums, wenn das für dich besser passt.

    Die sind nicht "intellektuell überfordert". Sie haben oft mehrere Interessen und können sich nicht entscheiden. Eine KV-Lehre ist einfach nicht wahnsinnig anspruchsvoll in Bezug auf die Komplexität der Lerninhalte, genauso wenig eine Ausbildung zum Chemie- und Pharmatechnologen oder zur Dentalassistentin. Es wird auch welche geben, die sich an der Uni langweilen. So ist das Leben.

    Aber es gibt Ausbildungsberufe, die Anforderungen stellen, die weder dem "durchschnittlichen" noch dem "intellektuell tatsächlich fürs Gymnasium qualifizierten Gymnasiasten" liegen dürften.

    Welche Ausbildungsberufe sind das denn? Intellektuell gefordert wäre ein durchschnittlicher Gymnasiast wohl in den naturwissenschaftlich-technischen Ausbildungsgängen, z. B. Elektroinstallateur oder Chemielaborant. Die stellen aber die Minderheit der Berufslernenden, grob überschlagen etwa 10 %. Das sind auch genau die, die bei uns parallel direkt die Berufsmaturität erwerben.

    Was ist daran jetzt pauschalisiert? Die Statistik sagt, dass die meisten Berufslernenden ins Kaufmännische gehen und da würde sich ein Gymnasiast, der ans Gymnasium auch wirklich hingehört, grauenvoll langweilen. Ich habe selber mal Chemie- und Pharmatechnologen unterrichtet, auf dem Niveau würden sich auch meine Fachmittelschülerinnen noch grauenvoll langweilen. Den Jungs, die ich da unterrichtet habe, hat die körperliche Arbeit an den Anlagen aber Spass gemacht, die theoretischen Lerninhalte haben sie nicht so wahnsinnig interessiert. Ich weiss nicht recht, was es da gross zu echauffieren gibt.

    Weil man da richtig arbeiten muss?

    Nein, weil vieles davon für einen Jugendlichen, der intellektuell tatsächlich fürs Gymnasium qualifiziert ist eine arge Unterforderung darstellt. Ich habe immerhin ein Jahr lang an einer Berufsschule gearbeitet, ich wäre da nicht geblieben weil es mich schlichtweg gelangweilt hat. Es gibt einige technische Ausbildungsgänge (Laboranten, Elektroinstallateure, etc.), die durchaus anspruchsvoll sind. Die meisten Berufslernenden finden sich bei uns allerdings am KV und das ist jetzt einfach wirklich ziemlich lau.

    Schweiz ist nicht dabei? Schade. Da Norwegen meines Wissens dabei ist, hatte ich Ähnliches für die Schweiz erhofft. Hätte mich gern mit antimon getroffen :tanz:

    Das liegt an den politischen Differenzen zwischen Bern und Brüssel, die im Moment mal wieder grösser sind als auch schon. Leider schränkt das eben auch die Bildungsmobilität unserer Studierenden deutlich ein.

    Aber cool, dass sowas grundsätzlich möglich ist, habe ich wirklich noch nicht gewusst. Ich bin die nächste Zeit sicher gut beschäftigt mit diesem Informatikstudium, aber ich merke mir das mal für die Zukunft.

    Uuh... Könnte sein, dass wir da grad mal wieder nicht mehr dabei sind weil wir einmal zu viel den Zwergenaufstand geprobt haben. Aber im Ernst... Ginge das wirklich für so eine Art Lehreraustausch? Mir ist nur das Konzept Auslandsschuldienst bekannt. Aber auch damit habe ich mich noch nie ernsthaft befasst.

    Wenn man hier auf dem Land aus dem Bus aussteigt ohne Danke zu sagen, hat man sich direkt als Ausländer geoutet. In der Stadt ist es nicht so inflationär aber schon auch üblich, wenn man vorne beim Chauffeur aussteigt. An der Schule ist es völlig normal, dass Jugendliche sich bedanken, wenn man neue Unterlagen ausgibt, was erklärt, ihnen Tee hinstellt, ne Türe zu einem Zimmer öffnet, etc pp Wir haben sogar eine Familie mit mehreren Kindern an der Schule, da bekommen *alle* Lehrpersonen, die diese unterrichten, eine Karte zu Weihnachten ins Fächli. Ich bekomme die sogar noch als ehemalige Klassenlehrperson.

    Wir sagen viiiel häufiger Danke und Bitte als 5 km weiter nördlich. Das macht ne ganze Menge aus, finde ich.

    Das bedeutet, Dinge zu lernen, in denen man Erfolg haben kann und mit denen man beitragen kann und Dinge, in denen man immer nicht gut genug sein wird, anderen zu überlassen.

    Und so schliesst sich dann doch noch der Kreis: Es soll möglichst von selber gehen und die elterliche Unterstützung gar nicht brauchen. Wenn man dann akzeptiert, dass eben nicht mehr die Hälfte ans Gymnasium geht, kommt's eigentlich für alle Beteiligten besser raus. Mir ist in der ganzen Diskussion hier auch grade bewusst geworden, warum bei uns die Fachmatura in den letzten Jahren so einen starken Zulauf erfahren hat. Wir haben einen Jahrgang dabei, in dem wir 5 Klassen an der FMS und 6 Klassen am Gymnasium haben, das ist das absolute Rekord-Verhältnis. Jetzt kommen wieder mehr ans Gymnasium, aber die 5 Klassen FMS halten sich hartnäckig. Das ist schon eine gute Mischung aus Allgemeinbildung und Berufspraxis. Die Stundentafel wurde zuletzt überarbeitet, so dass mehr Spezialisierung aufs Berufsfeld möglich ist. Die Jugendlichen finden das gut. Ich habe einen Kurs mit Berufsfeld Gesundheit/Naturwissenschaften, denen erzähle ich fast das gleiche wie den Gymnasiasten. Die Prüfungen sind halt einfacher. Die finden das total cool, dass man im Unterricht irgendein schräges Zeug überlegen kann, das man dann aber nicht so genau lernen muss. Am Gymnasium wird mit der nächsten Reform genau das Gegenteil passieren. Leider.

    Die meisten Abiturienten, die eine Ausbildung machen, studieren anschließend noch. Sie tauchen also zeitverzögert in beiden Satistiken auf.

    Merci, so wird ein Schuh draus. OK, da sind unsere Fach- und Berufsmaturanden natürlich klar im Vorteil. Da ist das Maturjahr im Prinzip ja schon vorbereitend fürs Studium, viele machen das Berufspraktikum direkt an der Fachhochschule.

    Ich halte Individualisierung für etwas Gutes. Jeder hat gerne eine Wahl. Und was soll es schon bringen, alle dasselbe zu lehren, nur damit sie danach ganz verschiedene Dinge tun.

    Wir sind uns in den wesentlichen Punkten eigentlich relativ einig, denke ich. Bezüglich der Individualisierung finde ich eben wirklich, früher war besser. Heute sollen alle alles aber dann eben nur noch ein bisschen können. Mir gefällt das nicht. Aber da kann man anderer Meinung sein. Ich glaube jedenfalls nicht, dass man so individuelle Fähigkeiten fördert. Aber irgendwie kommen wir doch vom eigentlichen Thema ab ;)

    Das meine ich nicht mit Differenzierung, die wird ja nicht durch Wahlpflichtkurse erreicht. Das wäre Individualisierung und die war natürlich vor 20 Jahren mit dem alten Leistungskurssystem stärker ausgeprägt als heute. Das ist noch mal ne ganz andere Sache, die mich übrigens richtig nervt (die Entwicklung ist hier ganz ähnlich). Aber lassen wir das.

    Diese Zahlen kann ich nicht nachvollziehen. Laut Statista liegt die Studienanfängerquote derzeit bei ca 54%

    Da hast du offensichtlich recht. Ich nahm fälschlicherweise an, dass bei etwa doppelter Quote an allgemeiner Hochschulreife und etwa ähnlicher relativer Studierendenzahl in Deutschland mehr Abiturienten in die Berufslehre gehen müssten als Maturanden in der Schweiz. Offenbar haben wir einfach einen höheren Anteil an Studierenden an den Fachhochschulen. Das zeigt mal wieder, dass die Zahlen-Vergleicherei echt nicht einfach und auch nicht beliebig sinnvoll ist. Aber dafür diskutiert man ja :)

    Das allgemeine Bildungsniveau ist heute in Deutschland mit Sicherheit höher als Anfang der 70er Jahre, als nur 15% Abitur gemacht haben und der größte Teil der Bevölkerung nur Volksschulbildung (d.h. Hauptschulbildung) hatte.

    Auch damit hast du sicherlich recht. Ich schrieb auch schon in einem anderen Thread, dass die deutschen Hochschulabschlüsse im internationalen Vergleich nicht so schlecht sind, wie sie gerne geredet werden. Nur ging es ja eigentlich darum, ob das Schulsystem aktuell chancengerecht (kann man das als Verb Adjektiv gebrauchen?) ist. Ist es gerechter als vor 20 Jahren? Ich denke schon. Könnte es besser sein? Auf jeden Fall.

    Ein leicht gesunkenes Abitur-Niveau kann auch nicht damit gleichgesetzt werden, dass Bildung und Niveau den Bach runter gehen.

    Nein, das nicht. Die Tendenz ist jedoch sicherlich nicht zufriedenstellend und vor allem nicht im Sinne der Chancengerechtigkeit. Mir scheint es da ein Missverständnis zu geben. Immer mehr Kinder und Jugendliche in ein und denselben Bildungsgang zu schicken widerspricht ziemlich der Forderung nach mehr Individualisierung und Differenzierung.

    Es gibt die Blockier-Funktion, nutz die doch einfach. Ich antworte dir nicht, wenn du mir nicht antwortest, so einfach ist das. Es gibt 2 - 3 Personen hier, deren Beiträge ich grundsätzlich *nie* lese und denen ich niemals antworte. Achte mal drauf.

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