Als ich in einer Grundschule hospitierte, holte eine KL in der 2. Klasse nach der Stunde Ü-Eier und Gummibärchen aus einem Schrank heraus.
In einer weiteren Hospitation (3. Klasse, selbe Grundschule) bei einer anderen KL saß ich im Stuhlkreis während des Klassengesprächs bei. Hier wurde einem Kind ein Stoppschild vor die Füsse gelegt und andere Kinder sagten, was er alles die Woche falsch gemacht habe…
Waren die Lehrkräfte dieser Klassen steinalt? Als ich in der Grundschule war, bekamen wir in Reli immer Schokolade - und da ich immer alles wusste, hatte ich manchmal dann keine Lust auf Mittagessen, so vollgestopft war ich. Sowohl das Süße als auch der Stoppschild-Pranger (denn nichts anderes als ein Pranger ist das) zeugen von sehr alter "Pädagogik"... So kurz nach dem Rohrstock. 🙄
Es ist sehr bedenklich, solche Belohnungs- und Bestrafungssysteme einzusetzen und sollte Folgen haben.
Kinder sind mit viel weniger zufrieden, wenn man sie belohnen will. Anfangs waren bei Chorauftritten noch viele Absagen zu verzeichnen. Die Kinder hatten Wichtigeres vor. Ich kaufte mir eine riesige Smileyrolle und jedes Kind konnte pro Auftritt einen Smiley auf dem Chorordner sammeln. Seitdem sind 96% der Kinder anwesend. Viele, weil sie es toll finden und einige nur wegen des kleinen, gelben Stickers. Sie vergleichen miteinander, wie oft sie bei Auftritten dabei waren. Reicht völlig.
Meine Klassen wissen, dass ich sie manchmal überrasche, zb mit 5min eher Pause oder mal einem Sachfilm zum Thema. Sie wissen aber auch, dass ich gutes Verhalten für eine Selbstverständlichkeit halte und es keine Leckerlis gibt, nur weil sie sich benehmen. Sie wissen aber auch, dass meine Lust, ihnen etwas Gutes zu tun, mit doofem Verhalten schwindet. Somit schauen sie in der Regel selbst danach, dass Blödsinn nicht überhand nimmt. Ich kommuniziere es auch, wenn mir die Lust schwindet, damit sie eine Bewertungsgröße für sich haben.
Kinder, die dauerstören, weil sie es vielleicht nicht besser können, erhalten von unseren Klassenlehrkräften oft einen Verstärkerplan. Jede Stunde erhält einen Smiley. 😃, 😐 oder ☹️. Da können sie und die Eltern sich orientieren. Dieses System ist mit den Eltern abgesprochen und nur eine Sache zwischen dem Kind und der Lehrkraft. Es ist interessant zu sehen, wie wichtig es dem Kind ist, dass der Smiley lächelt - so wie sie ja auch für Autofahrende mittlerweile Smileymonitore in beruhigten Vierteln aufstellen. Hilft einfach mehr als ein "darfst du nicht!".
Aber sowas reicht. Es ist weder sinnvoll, Kinder überzubelohnen, was auch in eine falsche Erwartungshaltung münden kann, noch einen Gesichtsverlust vor der ganzen Klasse herbeizuführen. Wie brutal!