Also, um es mal ganz klar zu sagen:
NRW braucht ganz dringend Lehrkräfte mit türkischem Migrationshintergrund - und gerade an den Gymnasien.
Es sind immer noch recht wenige - zu wenige - Menschen mit Migrationshintergrund, die sich für ein Lehramtsstudium entscheiden, dies erfolgreich durchziehen und im Anschluss das Referendariat machen und in den Schuldienst gehen. Damit spiegelt die LehrerInnenschaft aber eben nicht die Gesellschaft wider. Ich habe 2003 mein Referendariat begonnen und war meiner Erinnerung nach der einzige LAA mit Migrationshintergrund. Das führte auch in einem kleinstädtischen Gymnasium in der Pampa, an das ich geschickt wurde, zu Verwunderung. Nicht exklusiv negativ. Man kannte das eben noch nicht.
Später war ich in einer niederrheinischen Stadt mit viel Migrationshintergrund auch lange Zeit der einzige Lehrer mit Migrationshintergrund.
Wenn Du Dich von diesen Aussagen Deiner AusbilderInnen davon abbringen lässt, ans Gymnasium zu gehen, dann wird mittelbar das Vorurteil von "assig" sprechenden türkischstämmigen MitbürgerInnen, die irgendwo in ihrer Migrantenblase unintegriert leben, weiter tradiert. An meiner Schule gibt es einen türkischstämmigen Kollegen, der ganz normaler Teil des Kollegiums ist. Gleichwohl hat auch er einschlägige Erfahrungen mit seinem Migrationshintergrund gemacht - sowohl schulisch als auch privat. Du kannst gerade als türkischstämmiger Lehrer an einem Gymnasium unglaublich viel bewirken. Du wärst eine Identifikationsfigur, ein Vorbild und der Beleg für die türkischstämmigen (und sicherlich auch für die anderen) SchülerInnen, dass man in Deutschland vieles erreichen kann. Natürlich sollst Du Dein Leben nicht primär in den Dienst eben jener Vorbildfunktion stellen, aber Dein Einfluss könnte im Vergleich zur "biodeutschen" Lehrkraft ein ganz besonderer sein. Unterschätze das nicht.
Die Gymnasien sind keine "arischen Eliteanstalten" - das dürfte Dir der LK, von dem Du sprachst, ja gezeigt haben. Wie Du sicherlich weißt, müssen die SchülerInnen in NRW einen LK aus D/M/FS/NW wählen und darüber hinaus zwei der drei Kernfächer als Abiturfächer wählen. Daraus ergibt sich oft, dass nur ein Teil der KursteilnehmerInnen eines Englisch LK auch wirklich gut dort aufgehoben ist. Das kann ich Dir aus langjähriger Erfahrung mit mehreren Englisch LKs sagen. Gymnasien sind ebenso wenig exklusive Beschäftigungsfelder für "arische" Lehrkräfte. Es mag sein, dass man das unterschwellig noch so empfindet - teils auch seitens der Kollegien - aber je selbstverständlicher und je häufiger in Kollegien Lehrkräfte mit Migrationshintergrund arbeiten, desto weniger wird das irgendwann auffallen.
Was die Korrekturen angeht, so habe ich mit meiner Frau, die an einer anderen Sek I Schulform arbeitet, den direkten Vergleich. Ich fluche auch über die Korrekturen, aber die Oberstufenkorrekturen sind im Vergleich zu dem, was meine Frau mitunter von ihren SchülerInnen vorgelegt bekommt, keine solche Zumutung. Das ist eben Teil unseres Geschäfts und an einer Realschule darfst Du auch Klassenarbeiten sowie die ZP10 korrigieren.
Oberstufenarbeit war für mich immer sehr erfüllend, weil man fachlich ganz anders arbeiten kann und man in der Regel auch disziplinarisch weniger Probleme hat. ("Reingehen, unterrichten, rausgehen".) Ich empfinde das immer als sehr angenehm. Durch den Wegfall der Einführungsphase am Gymnasium werde ich in den kommenden drei Schuljahren deutlich mittelstufenlastiger unterrichten dürfen - ich kann nicht behaupten, dass ich davon sonderlich begeistert wäre, but that's part of the job.
Ich würde mich an Deiner Stelle an einem Gymnasium im nördlichen Ruhrgebiet bewerben und dann einfach gute Arbeit abliefen - so wie es von uns allen erwartet wird. Und womöglich wirst Du sogar glücklich(er) damit sein.